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Hafenjubel

Der Jubelverein des Hamburger Hafens, Hamburg Hafen Marketing (HHM), hat am 17.08.2022 die Halbjahreszahlen zum Hafenumschlag 2022 veröffentlicht: „Hamburger Hafen steigert Marktanteil beim Containerumschlag“ ist bei HHM in bildzeitungsverdächtiger Buchstabengröße zu lesen. Weiter tönt es „Mit einem Umschlagergebnis von 4,4 Millionen TEU (20 Fuß-Standardcontainer) wurde in den ersten sechs Monaten des Jahres ein leichtes Plus von 0,9 Prozent erreicht. Gegenüber den großen nordeuropäischen Wettbewerbshäfen Antwerpen-Brügge, Rotterdam und Bremen/Bremerhaven, die alle Rückgänge im Containerumschlag meldeten, verzeichnete Hamburg als einziger Haupthafen der Range ein Plus.“

Auch das Hamburger Abendblatt frohlockt „Hamburger Hafen holt im Containerumschlag wieder auf“ und übernimmt fast wörtlich die o.a. HHM-Pressemitteilung. Es folgt dann im Artikel eine erste weiche Analyse, dass die Zahlen doch nicht so ganz zum Jubeln seien. Dieser Artikelversion wurde vom Abendblatt zurückgezogen –  er ist nicht mehr zu finden, aber hier auf dieser Seite über das oben verlinkte Pdf nachzulesen. Wir vermuten, dass der Autor nochmals etwas mehr „analysiert“ hat, um zu einem ähnlichen ernüchternden Analyse-Ergebnis zu gelangen, wie wir gekommen ist.

Betrachtet man, wie wir es getan haben,  die Entwicklung des Containerumschlages der Nordrange-Häfen (Rotterdam, Antwerpen, Zeebrugge, Bremerhaven, Wilhelmshaven und Hamburg) über einen längeren Zeitraum, z.B. seit 2002, wird man schnell feststellen, dass sich seit der Weltfinanzkrise 2008 an den norddeutschen Häfen trotz exzessiver, milliardenschwerer Vertiefungen der Flüsse im Containerumschlag eine Stagnation der Zahlen eingestellt hat. Da steigt nun wirklich überhaupt nichts. Ganz anders beim Umschlag der „Konkurrenz“ in den Niederlanden und Belgien.

 

Krass wird der Vergleich auf Länderebene (siehe dritte Seite), wenn man die Marktanteile am Nordrangeumschlag der einzelnen Häfen nach Nationen zusammenfasst. Da stellt man dann fest, dass Deutschland (rote Line) massiv an Anteilen und zwar von 41,6% im Jahr 2006 auf 32,9% im Jahr 2021 verloren hat und tief in den Keller gefallen ist.

Die niederländischen Häfen (blaue Linie) und die belgischen Häfen (grüne Linie) haben ihre Marktanteile behauptet und langsam ausgebaut.

Die altbekannten deutschen Jubelstrategen, die außer einer Elbvertiefung und einer geplanten Weservertiefung keine besseren Ideen für die strategische Weiterentwicklung ihrer Häfen hatten, bemerkten die Unterschiede zwischen Deutschland und unseren europäischen Partnerhäfen nicht einmal. Im Gegenteil, sie blubbern von adaptivem Sedimentmanagement (frei übersetzt: Hamburg kippt den belasteten Schlick dahin, wo es Hamburg gerade so passt), finden Schlickverklappung bei Scharhörn sexy (Hamburg-Journal vom 28.09.2020)

und träumen davon mit dem vermeintlichen Hamburger Exportschlager, belastetem Hafenschlick, endlich auch die weite Nordsee, die AWZ (Ausschließliche Wirtschaftszone), beglücken zu dürfen.

Die Belgier haben sich nicht nur auf eine Vertiefung der Schelde und die Niederland

e nicht allein auf den Bau eines Tiefwasserhafens Maasvlakte 2 verlassen. Sie haben vielmehr die Hafenkooperation mit ihren jeweiligen nationalen Nachbarhäfen gesucht. Antwerpen arbeitet seit längerem mit dem Hafen Zeebrugge zusammen, deren offizieller Zusammenschluss am 22.04.2022 zum Port of Antwerp Bruges erfolgreich besiegelt wurde. Ja, sogar eine stolze Stadt wie Brugge scheint deutlich aufgeweckter, als das pfeffersäckige Hamburg zu sein und hat sich mit ihrem inländischen Konkurrenten Antwerpen auf eine Hafenkooperation statt messerscharfer Konkurrenz geeinigt. Auch Rotterdam und Amsterdam praktizieren schon seit längerem eine Zusammenarbeit. Der containerabgebende Hafen Amsterdam weist keinen Containerumschlag mehr für 2021 aus, ist aber weiterhin ein großer Hafen geblieben, der durch seine neuen Seeschleusen in Ijmuiden noch an Bedeutung gewinnen wird.

Durch die Zusammenarbeit und Konzentration auf die Kernkompetenzen der Haupthäfen konnte die Attraktivität der Benelux-Häfen deutlich gesteigert werden. Weder in den Häfen von Amsterdam noch in Zeebrugge, die jeweils Containerumschlag abgegeben haben, sind etwa die Lichter ausgegangen. Ganz im Gegenteil. Mit Ijmuiden und der südlichen Hafenerweiterung in Zeebrugge wird die Spezialisierung der jeweiligen Häfen gestärkt. So scheint sich Zeebrugge neben der Autoverladung zu einem Energiehafen zu entwickeln, der bereits jetzt der wichtigste Hafen in Europa für den Import von LNG ist. Und Ijmuiden dient als „Vorhafen“ von Amsterdam, um sehr tiefgehende Schiffe zu leichtern, damit sie den Amsterdamer Hafen besser erreichen können und hat seinen Schwerpunkt im Massen- und Schwergutbereich.

Hamburg und Bremen und Wilhelmshaven hätten das auch gekonnt. Eine deutsche Hafenkooperation ist dabei schon sehr, sehr lange im Gespräch. Sie wurde ständig weiterentwickelt und regelmäßig von unseren o.a. jubelnden Hafenstrategen mit markigen Sprüchen „Ladung sucht sich ihren Weg“ und „Dirigismus“ vom Tisch gefegt.

Wir vermuten, dass die weltberühmte Hamburger Eitelkeit diese Kooperation nicht zugelassen hat. In Hamburg kann man eben alles viel besser, zudem viel höher und viel weiter und wohnt eh in der „schönsten Stadt der Welt“. Nachdenken kann man in Hamburg nicht. Hier wird mit alten Konzepten lieber der Haus- und Hof-Fluss Elbe samt anliegender Nachbarn drangsaliert. Es werden jährlich lieber hunderte Millionen Euro für ungeahnte Baggermassen aus der Elbe rausgefeuert, um nur ja nicht einen Container an den einzigen Tiefwasserhafen Deutschlands, dem Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven abzugeben. Ja, liebe Hamburger Hafenwirtschaft: in Wilhelmshaven gibt es wirklich eine mehrspurige und elektrifizierte Eisenbahn, sogar eine Autobahn.

Hamburg war mal Champion für Massen-, Stück- und Schwergut. Diese Kompetenz und viele andere hat man durch Schließungen (z.B. Hansaport, Kuhwerder, Überseezentrum) verloren, Container- und cruisiger Passagierumschlag waren wichtiger und nun kommen auch noch die LNG- und Wasserstoffphantasten.

Hamburg, Deutschland, schlaft mit Eurer maritimen Wirtschaft weiter. Zerstört die Elbe, die Weser und am Besten auch noch gleich die Nordsee. Die Arbeitnehmer an den Terminals merken nun endlich, dass sie mit dem phantastischen Containerboom der Elbvertiefungsstrategen jahrelang an der Nase herumgeführt wurden. Natürlich werden die Terminals wie in Rotterdam und Antwerpen automatisiert werden und Arbeitsplätze verloren gehen. Steigerungen im Containerumschlag werden perspektivisch nicht zu erwarten sein.

Am 01.07.2022 wurden von den deutschen Container-Terminalbetreibern HHLA und Eurogate die Kooperationspläne nach fast zweijähriger Verhandlungsdauer unter den Augen der offiziellen Anteilseigner, den Bundesländern Bremen und Hamburg still beerdigt. Mehr Worte fand man nicht. Was waren alles nur für krude Hoffnungen und Wünsche geäußert worden. Ein Federstrich und vorbei. Und so muss laut offizieller Begründung der Ukrainekriege auch für die Borniertheit der maritimen Wirtschaft herhalten. Man fühlt sich veräppelt.

Noch schlimmer wird es in Kürze bei der Vorstellung des neuen Hafenentwicklungsplanes für den Hamburger Hafen 2040 werden. Es war ja eine Riesen-Show der Bürgerbeteiligung im vergangenen Herbst, die da betrieben wurde und bei der dann die Hamburger Wirtschaftsbehörde samt Senator und Staatsrat schon während des Beteiligungsprozesses ganz schnell tief und fest laut schnarchend eingeschlafen sind. Wir wetten, dass bei diesem monologischen Dialog erneut alte hanseatische Zöpfe klassisch engmaschig und filzig weitergeflochten werden und so absolut nichts, null komma nichts Neues und Strategisches entwickelt werden wird. Halten Sie etwa dagegen?

 

PS zu den Verlinkungen: Wir sind es so satt, dass einzelne Seitenbetreiber im Internet kein Gedächtnis zulassen. Staatliche Körperschaften wie HPA, aber auch Firmen wie die HHLA oder die Stadt Hamburg löschen ihre heutigen Internetveröffentlichungen binnen zweier Jahre oder kürzer. Ein Schelm wer Böses dabei denkt.
Das Pdf verlinken führt dazu, dass beim Download der Pdf-Dateien diese vermeintlich nicht sicher runtergeladen werden können.
Damit diese heutige Information auch noch zwei Jahre später öffentlich zur Verfügung stehen, verlinken wir nunmehr auf die pdf Druckversionen der jeweiligen Seiten.  Parlamentsdrucksachen werden nie  gelöscht. Daher verwenden wir weiterhin die Links zu den Parlamentsdokumentationen und hoffen, dass diese Links weiterhin Bestand haben werden.

 

Szenarien zur Kosten-Nutzen-Struktur von Baggeraktivitäten

Nach der ersten Teil-Freigabe der Elbvertiefung am 03.05.2021 und der endgültigen Freigabe der Fahrrinne am 24.01.2022 haben sich die Versprechungen der Planer der Elbvertiefung nicht eingestellt. Eine nennenswerte Steigerung der Containerumschlagszahlen ist in 2021 trotz Vertiefung nicht eingetreten: der Umschlag des Jahres 2021 erreicht erneut nicht den Umschlag des Jahres 2006, dem Planungsbeginn der gerade abgeschlossenen Elbvertiefung.

Die Elbbaggerei kann dagegen leider auf erhebliche Steigerungszahlen zurückblicken. Die Bundeswasserstraßenverwaltung (WSV) konnte auf der Strecke von Wedel bis zur Nordsee das Baggervolumen erfolgreich von 13,4 Mio. m³ Sediment im Jahr 2020 auf  20,9  Mio. m³ in 2021 steigern, die HPA schaffte im Hafen und auf der Delegationsstrecke eine Steigerung von 9,3 Mio m³ in 2020 auf 14,6 Mio m³ in 2021. Die Kosten für diese Elbbaggerei sind noch nicht amtlich festgestellt: es ist aber davon auszugehen, das auch hier enorme Steigerungen stattgefunden haben und erstmalig auf der Elbe die Grenze von 200 Mio. € übersprungen wird.

Die jetzige Elbvertiefung ist mit den Baggerkosten und dem ausbleibenden Umschlag ein wirtschaftliches Desaster, die jährlichen Baggermengen sind zudem ein ökologisches Desaster für die Unterelbe. Über die Verklappung von belasteten Sedimenten in der Außenelbe, den Absichten Hamburgs unmittelbar am Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer vor Scharhörn zu verklappen, ist in der Hamburger Presse so gut wie nichts zu lesen. Unser rot-grüner Senat spricht nicht gern über den Hafen und die Baggerei und wenn, ist es alles sooo herrlich grün dort und viel Wasserstoff in der Luft… Ein Senator fand im September 2020 im Hamburg Journal, dass die Verklappung bei Scharhörn sogar Sexy sei.

Die Autoren Olaf Specht, Klaus Schroh und Tanja Schlampp zeigen in ihren “Szenarien zur Kosten-Nutzen-Struktur von Baggeraktivitäten im Hamburger Hafen und auf der Tideelbe , Schlickdesaster in Zahlen” die Zusammenhänge auf, die in Hamburg alle Politiker nicht zu interessieren scheinen. Wir von Hamburg für die Elbe fühlen uns beim Handeln des Senats an die drei Affen erinnert, die einfach nicht wahr haben wollen, dass die vermeintlich abgeschlossene Elbvertiefung niemals fertig werden wird.

SOS für die Tideelbe Kursänderung jetzt NEU

Im Januar 2021 haben verschiedene Fachleute der Niederelbe das Thesenpapier “SOS Tideelbe – Kursänderung jetzt” formuliert, das an diverse Parteien und Institutionen, die rund um das Thema Elbvertiefung involviert sind sowie an viele Medien versendet wurde. Zwischenzeitlich haben sich viele Befürchtungen der  Autoren zum  Sinn der Elbvertiefung bewahrheitet, so dass das  Thesenpapier eine Aktualisierung erhalten hat. Die Aktualisierung von “SOS für die Tideelbe – Kursänderung jetzt” können Sie sich jetzt runterladen.

Der ökologische Zustand der vertieften Tidelbe hat sich zunehmend verschlechtert. Das alljährliche Sauerstoffloch war in 2021 unvermindert zu beobachten. Jubelnachrichten der HHLA gab es hingegen nur noch in Sachen Eisenbahntransporten. Selbst der sonst daueroptimistische Karnevalsverein des Hamburger Hafens fokussierte sich fast nur noch auf die Hafenbahn. Weitere Themen waren in den vergangenen Monaten:

  • Die skurril anmutende unvollständige Fahrrinnenfreigabe: Am 03.05.2021 wurde auf dem Teufelsbrücker Anleger der Vollzug der “Fahrrinnenanpassung für 14,5m tiefgehende Containerschiffe” (Behördensprech für Elbvertiefung) gefeiert.  Der Einlauf der  400 Meter langen und 62 Meter breiten “Jacques Saadé” wurde beklatscht. Sie hatte dabei lediglich einen Tiefgang von 13,40 Meter, für den auch eine unvertiefte Elbe locker gereicht hätte. In der zugehörigen Pressemitteilung der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes lesen wir dann, dass fertig nur halbfertig ist, “Mit der heutigen Umsetzung der ersten Stufe können Containerschiffe die durch die Fahrrinnenanpassung gewonnenen Tiefgangsverbesserungen zu etwa 50 Prozent ausnutzen. Je nach Größenklasse erhöhen sich die Tiefgänge um 0,3 Meter bis 0,9 Meter.” Auch das derzeit größte Containerschiff die “Ever Ace” hätte bei seinem Antrittsbesuch vor wenigen Tagen mit einem Tiefgang von 11,80 Meter auf einer unvertieften Elbe den Hamburger Hafen erreichen können.
  • Für diese  halb fertige Elbvertiefung wurde bislang die exorbitant große Menge von  rund 30 Mio. m³ Sand- und Schlick aus der Elbe gebaggert. Rund 12,4 Mio m³ Baggergut wurden angeblich ortsfest in die Unterwasserablagerungsfläche (UWA) Medemrinne verbaut. Diese erst Ende letzten Jahres fertig gestellte UWA sollte als “strombauliches Schlüsselprojekt” der Elbvertiefung die Tidedynamik durch Energiedissipation dämpfen und damit wesentlich zum Küstenschutz beitragen. In den Cuxhavener Nachrichten war nun am 13.09.2021 zu lesen (zum Lesen Bild bitte groß ziehen), dass sich dieses Schlüsselprojekt der UWA  binnen kürzester Zeit in Auflösung begeben hat und der UWA-Sand in die Fahrrinne getrieben ist.

Die sinnlose und umweltschädigende Elbvertiefung samt Fahrrinnenunterhaltung hat bislang Milliarden verschlungen. Das Geld hierfür scheint in der Politik extrem locker zu sitzen – es ist unverständlicherweise ein Prestigeprojekt, das mit vehementer Leidenschaft betrieben wird. Wenn man dagegen in Sachen Umwelt und Tideelbe nach Geesthacht zu den dortigen seit seit August 2019 von der Bundeswasserstraßenverwaltung zerstörten beidsseitigen Fischtreppen guckt und feststellt, dass ein Reparaturtermin immer noch nicht festgelegt worden ist, erahnt man die Leidenschaft mit der die Politik für die Umwelt der Tideelbe eintritt.

 

Eine Akte? nEver Given!

Elbstrand

Am 23.03.2021 gegen 14:40 UTC havarierte ein großes Containerschiff mit 400m Länge und 59m Breite im nur knapp 300m breiten Suez-Kanal. Das Schiff legte sich quer, so dass Heck und Bug des Riesenschiffes jeweils auf einer Uferseite anschlugen. Der gesamte Suez-Kanal war gesperrt. Beeindruckende Bilder sind in verschiedenen weiteren Medien zu finden, so auch im hiesigen Hamburger Hafenblatt.

Ja und? Warum soll das interessant sein? Ganz einfach, der Havarist in Suez ist ein für Hamburg schlechter Bekannter, die “Ever Given”. Jene “Ever Given” war vor gut zwei Jahren am 09.02.2019 aus dem Ruder gelaufen und hatte mit dem Heck die HADAG-Fähre “Finkenwerder” am Blankeneser Bulln zerquetscht.

In Deutschland hatte diese Havarie keinen Verantwortlichen interessiert. Weder die Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU) noch die Bundeswasserstraßenverwaltung  fühlten sich für Untersuchungen zur Havarie der “Ever Given” angesprochen. Die BSU sprach damals verniedlichend von einem kleinen Unfall. Das Bundesverkehrsministerium fühlte sich nicht zuständig.

Die für die Sicherheit des Schiffsverkehrs auf der Hamburger Delegationsstrecke zuständigen Hamburger Behörden tauchten ebenfalls ab.  “Die Beamten kommen gemäß jetzigem Stand der Ermittlungen zu dem Schluss, dass “fehlerhafte Navigation” die Kollision ausgelöst hat…”   und ergänzend war damals im Abendblatt zu lesen: auf “wen genau der fatale Fahrfehler zurückzuführen ist, steht noch nicht fest. Auch, ob nun ein Strafverfahren gegen den Kapitän der “Ever Given” oder gegen die ihn begleitenden Lotsen eingeleitet wird, könne noch nicht gesagt werden” . Ein Erklärung für die Havarie oder ein Strafverfahren wurde nie öffentlich. In bewährter Hamburger Manie wurden derartige Fragen “unter den Teppich gekehrt”. Eine Akte “Evergreen” wurde nicht angelegt.

Jetzt scheint sich dieses zu rächen. Die Folgen aus dem gesperrten Suezkanal sind für den Rest der Schifffahrt deutlich spürbar. Laut Aljazeera sollen sich bereits mehr als 30 Containerschiffe an der Einfahrt  zum Suez-Kanal stauen. Und es werden noch deutlich mehr werden – die Alternativroute über das Kap der Guten Hoffnung ist in Zeiten größter Transportnachfrage, wie wir sie derzeit erleben, keine wirkliche Alternative.

Das Hamburger Hafenblatt ist mittlerweile auch wach geworden: “Suezkanal-Blockade wirkt sich auch auf Hamburger Hafen aus: Je länger der Stau dauere, desto ruhiger wird es im Hamburger Hafen werden, … Danach kämen die Schiffe dann jedoch geballt.” Glaubt man – um die Zeitverluste einzuholen werden die Schiffe von den Reedereien allesamt in Rotterdam oder Antwerpen entladen und ohne Schleife über Hamburg wieder auf Rückfahrt geschickt. Und so können wir bereits jetzt das Flennen unserer Heulsusen aus der Hafenwirtschaft über den erneut eingebrochenen Containerumschlag hören.  Hören Sie es auch schon?

Jetz’ mal Butter bei die Fische!

Vor über zwei Monaten, am 03.12.2019, wurde das Hamburger Klimapaket über eine Senatsmitteilung an die Bürgerschaft öffentlich. Unser Bürgermeister Herr Tschentscher macht auf der gleichtägigen Pressekonferenz viel Werbung für diesen Plan. Wir lesen im Hamburger Abendblatt: “Ziele sind wichtig, das Handeln ist entscheidend”, erklärte Tschentscher. Die Begrenzung der Erderwärmung soll künftig als Staatsziel in der Landesverfassung stehen.” Es folgen sensationell anmutende Zahlen. “Mit 400 konkreten Maßnahmen ist der Hamburger Klimaplan ein großes Handbuch für praktischen Klimaschutz”, sagte Tschentscher. Bis 2030 sollen insgesamt 7,1 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden. Bis 2050 soll Hamburg klimaneutral werden.”

Folgt man der medialen Grundeinschätzung samt Expertenmeinungen, scheint der Klimaplan zumindest vom Ansatz her gut zu sein. Lediglich Detailfragen in der Umsetzung seien offen. Aus diesem Bewertungseindruck wagen wir die Behauptung, dass nur wenige Menschen den Klimaplan im Detail gelesen und ausgewertet haben. Diejenigen, die sich intensiv mit den Zahlen und Annahmen beschäftigt haben, hinterfragen zumindest die Zahlenbasis und stellen erhebliche Inplausibilitäten fest. Befremdlich, dass das Klimagesetz in zwei Teilen verabschiedet werden muss (Teil 1 am 11.02.2020, Teil 2 ist unbekannt), weil wesentliche Maßnahmen aufgrund von Beteiligungs- und Fristversäumnissen nicht umgesetzt werden können. Heiße Nadel?

Mangels öffentlicher Aus- und Bewertung nehmen wir eine inhaltliche Diskussion des Klimaplanes nicht wahr. Es wird nur auf die nackten Zahlen der CO2-Einsparungen geguckt. Eine Prüfung, ob die Klimaziele mit den vom Senat geplanten Maßnahmen nicht besser durch andere CO2-Einsparpotentiale erreicht werden könnten, findet nicht statt. Eine Analyse der spezifischen CO2-Einsparpotentiale des Bundeslandes Hamburg, aus denen man spezielle nur für Hamburg gültige Maßnahmen ableitet, ist uns unbekannt. Warum hält man sich starr an die extrem dürftige CO2-Emissionstatistik des Statistikamtes Nord, die bei den Verursachern nur zwischen Privaten, Gewerbe & Handel sowie Industrie unterscheidet? Es gibt doch so viele andere wissenschaftlich abgesicherte Zahlen zu Emissionen in Deutschland, die eine wesentlich detailliertere Analyse ermöglichen würden!

Wenn derartige Fragen unbeantwortet bleiben und eine Diskussion nicht stattfindet, stellen wir uns die Frage, warum es eines Hamburger Klimaplanes seitens der Politik überhaupt bedurfte. Alles nur Wahlkampfgetöse?

Selbstverständlich braucht Hamburg einen Klimaplan. Nämlich genau für die Hamburger Spezifika, die beispielsweise nicht über das Klimapäckchen der Bundesregierung oder EU-Verordnungen angegangen werden. Und von den spezifischen Hamburger Themen gibt es so einige. Stellvertretend seien benannt:

  • Zum Verkehr sind im Klimaplan keinerlei Einschränkungen des Motorisierten Individualverkehrs (MIV) durch z.B. Ausweisung von Fußgängerzonen über flächendeckendem Tempo 30 bis hin zu Fahrverbotszonen zu finden. Auch zur Stadtplanung mit anderen Verkehrskonzepten, z.B. in der Neuen Mitte Altona mit progressiven Fuß- und Radwegen, ganz wenigen Autos sowie einem starken ÖPNV herrscht Fehlanzeige.
  • Hamburg hat einen unterirdischen Strommix, der gegenüber dem Bundesstrommix ein immenses Verbesserungspotential hat.
  • Hatte Hamburg nicht einen Hafen? War da nicht sogar etwas mit Welthafen? Über die Verminderung von CO2-Emissionen bei Schifffahrt und Hafenbetrieb (z.B. Schlickbaggerei) herrscht im Klimaplan vollendetes Schweigen.

Hamburger Themen hat man, mit Ausnahme einer kleinen Stärkung des ÖPNV, im Klimaplan nahezu vollständig vergessen. Stattdessen wälzt der Senat seine Verantwortung für die Klimaziele zu über die Hälfte auf Maßnahmen des Bundes, Europas oder benachbarter Bundesländer ab. Ja, richtig gelesen: von der o.a. CO2-Einsparung von 7,1 Mio. t drückt der Senat die Verantwortung für 3,543 Mio. t einfach weg. Der Senat steht somit nur für die verbleiben 3,5 Mio. t CO2-Einsparung in der Verpflichtung. Anderslautende Bekundungen, wie beispielsweise die von unserem Bürgermeister oben angeführte, sind eine irreführende Veräppelung.

Wie wir diese Zahlen ermittelt haben, welche Hamburger Sachverhalte einfach vergessen wurden und welche weitere Kritik wir üben, können Sie hier in unserer Auswertung des Hamburger Klimaplanes nachlesen.

Wenn unser Senat für unsere Stadt Hamburg, also für die Umwelthauptstadt des Jahres 2011, in Sachen Klimaschutz keine “Butter bei die Fische” will, dann müssen wir ihm persönlich zeigen, was wir von seiner Politik halten.

Zuerst am Freitag, 21.02.2020 um 14:00 Uhr bei der FFF-Demo auf dem Heiligengeistfeld

und dann

am Sonntag, 23.02.2020 von 8:00 bis 18:00 Uhr in der Wahlkabine. Dort können wir – mit der ganzen Stadt im Blick – sehr gut über das Klimapaket abstimmen, damit wir uns im Jahre 2030 nichts vorwerfen müssen!

 

Online-Petition Cuxhaven

Unsere Mitstreiter von der  Bürgerinitiative “Rettet das Cux-Watt” haben heute Nachmittag eine Online-Petition gegen die Elbvertiefung über weACT veröffentlicht. Wir unterstützen diese Petition und bitten alle Leser unserer Seite diese Petition durch online-Unterzeichnung zu unterstützen.

Während Hamburgs Hafen-Lobby mit dem Säbel rasselt und Hamburgs Hafenchef martialisch tönt:„Jetzt greifen wir wieder richtig an“, verschließen die Elbvertiefer erneut die Augen vor den Auswirkungen der jetzigen und der vergangenen Elbvertiefung.

Die Auswirkungen der bisherigen Elbvertiefungen in Cuxhaven bezüglich des dortigen Wattes und der Elbsände in der Außenelbe sind erschreckend. Das bisherige Sandwatt ist großflächig zu einem Schlickwatt mutiert: feines Baggergut aus der Tiefenhaltung der Elbe wird tagtäglich zwischen Neuwerk und der Kugelbake verklappt. Es überzieht das bisherige Sandwatt und erstickt die bisherige Flora und Fauna mit enormer Geschwindigkeit. Eine ähnliche Verschlickung war auf der anderen Elbseite in Friedrichskoog zu beobachten – der alte Fischerhafen ist mittlerweile geschlossen.

Es ist nur eine der vielen Auswirkungen aus der Tiefenregulierung der Elbe. Die anstehende Elbvertiefung wird noch gravierendere Folgen haben. Wer einen Vorgeschmack haben will, sollte einen Blick auf die Ems werfen. Vor noch wenigen Jahren war die Ems einer der saubersten Flüsse Deutschlands. Heute ist die Ems ein zu Tode vertiefter Fluss. Alle Fakten waren vorher bekannt…

Angesichts der unangemessenen Schlachtrufe aus dem Hamburger Hafen ist es erfreulich, dass unsere Cuxhavener Freunde diese Initiative ergriffen haben. Vielen Dank dafür aus Hamburg!

Nachschau Havarie “Ever Given”

Nein, große Wellen hat diese erneute Havarie eines Großcontainerschiffes auf der Elbe wieder nicht geschlagen. Es hat keine Toten und Schwerverletzten gegeben – somit kann in bekannter Hamburger Manier wieder Gras über die Sache wachsen – oder? Auch die unvollständige Auflistung der Morgenpost über “Die schlimmsten Schiffsunglücke in Hamburg” rüttelt anscheinend in der Hamburger Politik keinen auf.

Der aktuelle Abendblatt-Artikel macht ebenfalls nur wenig Hoffnung, dass in Hamburg nicht wieder alles unaufgearbeitet unter den Teppich gekehrt wird. Wir lesen “Zudem hat die Wasserschutzpolizei eine Ermittlungsgruppe eingesetzt, die die Ursache für den Schiffsunfall feststellen soll.” Da es im Presseportal der Polizei Hamburg noch nicht mal eine klitzeklein Pressemitteilung gibt, erahnen wir schon das Ergebnis.

Gegen den 39 Jahre alten indischen Kapitän des Containerriesen ist ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung und des gefährlichen Eingriffs in den Schiffsverkehr eingeleitet worden” lesen wir Abendblatt weiter und finden fast am Ende des Artikels “Für die BSU war es ein vergleichsweise kleiner Unfall, weil das Seeschiff nur einen Kratzer abbekam. Gleichzeitig wurde die Fähre erheblich beschädigt, die Besatzungsmitglieder samt Kapitän leicht verletzt.” Ein kleiner Unfall! Da es wie oben beschrieben, keine Toten und Verletzten gegeben hat, wird diese Havarie wahrscheinlich von der BSU nur als Vorkommnis eingruppiert. Das ist alles zynisch.

Aber wir fragen gerne noch einmal, insbesondere nachdem gegen den Kapitän ermittelt wird, nach. Wieso durfte dieses Riesencontainerschiff bei diesen Windstärken von sieben Bft und in Schauerböen noch mehr überhaupt in See stechen?

Im BSU-Havariebericht 34/16 zur “CSCL Indian Ocean” lesen wir auf Seite 28 “Das Befahren des Reviers ist nur zulässig, wenn eine stetige Windstärke von 6 Bft an dem Messgerät Bake „A“ oder an dem Messgerät in Brunsbüttel nicht überschritten wird.” In der Antwort der Bundesregierung zu einer schriftlichen kleinen Anfrage im Deutschen Bundestag lesen wir zu den Auflagen zum Befahren der Elbe für Außergewöhnlich Große Fahrzeuge (AGF) erneut den gleichen Satz: “Das Befahren des Reviers ist nur zulässig, wenn eine stetige Windstärke von 6 Bft an dem Messgerät Bake „A“ oder an dem Messgerät in Brunsbüttel nicht überschritten wird.” Die Quelle dieses gleichen Satzes geben weder die BSU noch die Bundesregierung an.

Beide Havaristen, die CSCL Indian Ocean und die Ever Given haben die gleichen Größendimensionen. Wieso musste die CSCL Indian Ocean damals in der Deutschen Bucht abwettern und die Ever Given durfte am 09.02.2019 einfach aus Hamburg losfahren?

Für die Elbe ist in §30 der Seeschiffahrtsstraßen-Ordnung (SeeSchStrO) in Verbindung mit den Bekanntmachungen der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt Außenstelle Nord (ab Ziffer 14 ff.) in Sachen Windgeschwindigkeiten keine Restriktion zu finden. Ein Blick in die §57 (1) Nr.1 SeeSchStrO ergibt, dass für jedes Befahren der Elbe mit einem Riesencontainerschiff (AGF) aber eine schifffahrtspolizeiliche Genehmigung beim zuständigen Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt einzuholen ist. In Falle der Ever Given war das WSA Hamburg  (heute WSA Elbe-Nordsee) zuständig.

Nimmt man den besagten Satz aus der Antwort der Bundesregierung und dem BSU-Bericht ernst, muss es eine innerbehördliche Anweisung geben, die festlegt, wann welche Schiffsgröße bei welcher Windstärke mit welchen Auflagen verkehren darf.

Und in der Tat gibt es diese Anweisung: Die BUND Kreisgruppe Cuxhaven hat diese mit Herrn Kapitän Klaus Schroh in 2013 unter Aktenzeichen S1-332.3/114 IX am 27.02.2013 von der WSD Nord in Erfahrung bringen können. Wir zitieren aus dem uns vorliegenden Schreiben: “Bezüglich der Windrestriktion gilt, dass ein Befahren der Elbe für AGF generell nur bis einschließlich 7 Bft. zulässig ist. Bei steigenden Schiffsabmessungen findet eine weitere Verschärfung der zulässigen Windstärke statt … Containerschiffe ab 380 m Länge oder ab 52,5 m Breite dürfen die Elbe nur bis einschließlich Bft. 6, …, befahren”

Warum war denn keine Schlepper beim Havaristen? Wurden Sie in der behördlichen Genehmigung gar nicht erst gefordert? Hatte der auf den Videos auftauchende Schlepper am Heck des Havaristen ausreichend Pfahlzugleistung, um ihn bei diesem Wind bewegen zu können?

Da mutet es schon lustig an, wenn nun die Windstärken am 09.02.2019 künstlich auf unter 6 Bft. gerechnet werden. So hören wir mit einmal, dass die mittlere Windgeschwindigkeit von 5 Bft. genannt wird, ohne dass benannt wird, über welchen Zeitraum das Mittel gezogen wurde. Auch ob der Windmesser im Lee an der Station Lotsenhöft gestanden hat, erfahren wir nicht. Über die Windgeschwindigkeiten an der Strecke von Bake A in der Außenelbe, rund 16 Seemeilen vor Helgoland, bis Brunsbüttel, die ja das Maß der Dinge für die schifffahrtspolizeiliche Genehmigung ist, spricht keiner mehr in Hamburg.

Die “Unter den Teppich kehren”-Maschinerie der Hamburger Behörden, der HPA und insbesondere der Politik läuft an. Der Kapitän ist an Allem schuld. Und dieser Kapitän wird niemals mehr auf einem Evergreen-Schiff nach Hamburg fahren… Wir kennen das alles noch von der Yangming Utmost, wo das Verfahren eingestellt wurde.

Es fragt wird keiner nachfragen, warum die schifffahrtspolizeiliche Genehmigung von der WSA Hamburg überhaupt erteilt wurde.  Und wer jetzt denkt, dass die HADAG die geschrottete Finkenwerder von irgendjemanden, z.B. dem Kapitän, der Reederei, einer Versicherung o.a.  ersetzt bekommt, sollte sich eben an jene Yangming Utmost erinnern.

PS:
Keinem sind bislang die verquasten Zeitangaben zur Havarie aufgefallen. Unser Plot von Vesselfinder zeigt ganz klar die über AIS übermittelte Havariezeit von kurz vor 09:30 Uhr. Alle Berichte sprechen aber von 09:45 Uhr. Um 09:45 Uhr wäre die Fähre “Finkenwerder” auf halber Strecke nach Cranz gewesen….

Das Abendblatt berichtet, dass der Schlepper keine Leinenverbindung mehr zum Havaristen gehabt haben soll: “Zudem wurde bekannt, dass ein Schlepper den Frachter zwar begleitete, aber keine Leinenverbindung gehabt habe.” Zuvor war zutreffend erläutert worden: “Er soll normalerweise dafür sorgen, dass das Schiff der Kategorie “Megamax Carrier” im Strom gehalten wird, also in der Fahrrinne der Elbe flussabwärts.” Ja, die Polizei ermittelt… in wirklich alle Richtungen?

 

Verdammt knapp!

Am 09.02.2019 zwischen 09:24 und 09:30 Uhr rammte das Containerschiff “Ever Given” die am Anleger Blankenese festgemachte HADAG-Hafenfähre “Finkenwerder” . Die “Finkenwerder” war um 09:25 von ihrer Fahrt aus Cranz am Blankeneser Anleger angekommen und war unmittelbar abfahrtsbereit für die erste fahrplanmäßige Sonnabendsfahrt ab Blankenese um 09:30 Uhr.

Ein großes Wunder, dass keine Fahrgäste an Bord  der Fähre waren. Es muss an dem stürmischen und regnerischen Wetter gelegen haben. Im Sommer wäre diese Fähre voll mit Ausflugstouristen gewesen. Und was wäre dann passiert? Schauen Sie sich den kleinen auf YouTube veröffentlichten Film an, der die Situation und die Gefahr unmittelbar nach dem heftigen Touchieren zeigt.

Hamburg, sein Hafen und die verantwortlichen Elbvertiefungsplaner haben wieder Sott gehabt! Es ist unfassbar, wie häufig der Hafen in den letzten Jahren schon an einer Havariekatastrophe durch große Containerschiffe vorbeigeschrammt ist. NYK Olympus, Choapa Trader und CSCL Indian Ocean seien stellvertretend für die vielen Fälle benannt.

An Bord der “Finkenwerder” waren laut Presseberichten “nur” der Kapitän und zwei Besatzungsmitglieder. Der Kaptiän kam ins Krankenhaus, alle haben einen Schock. Die Hafenfähre ist ein Totalschaden. Auch der Anlegerponton ist beschädigt. Der Zugang ist daher seit der Havarie gesperrt, die beiden Gastronomie-Betriebe auf dem Anleger Op’n Bulln sind geschlossen. Die Morgenpost berichtet zunächst noch, dass der Havarist ein Leck haben würde.

Wie es zu der Kollision kam, ist noch nicht bekannt. Obwohl anscheinend am Heck noch eine Leinenverbindung zu einem Schlepper bestanden hat, ist die “Ever Given”mit ihrem Heck gegen die Hafenfähre gefahren. Dies ist sehr gut in einem kurzen Filmbeitrag des NDR zu sehen. Auch die Schäden an der “Finkenwerder” kann man dort und in der Bildergalerie des Hamburger Abendblatts gut erkennen. Der nordwestlich liegende Pfahl des Pontons ist stark gebogen.

Wir fragen uns, ob es wieder einen Ausfall der Ruderanlage, vielleicht sogar einen Stromausfall, wie bei der “CSCL Indian Ocean” gegeben hat, der das Schiff manövrierunfähig gemacht hat. Dazu dann noch die kräftigen Windböen aus Südwest und schnell kommt ein Mega-Containerschiff vom Weg ab. Wie kann es überhaupt sein, dass es eine Auslauferlaubnis für das Schiff gegeben hat, obwohl Sturmböen und starke Sturmböen mit Windstärken von 8 bis 10 bft angesagt wurden. Die bisher praktizierten Befahrensregeln für die Elbe geben vor, dass Großschiffe dieser Größenordnung bei derartigen Windverhältnissen nicht fahren dürfen.

Die “Ever Given” ist ein sogenannter Megamax Carrier (Länge 400m, Breite 58,80m, Tiefgang 16m) mit einer Stellplatzkapazität von 20.388 TEU. Sie wurde erst 2018 in Betrieb genommen, ist also fast nagelneu. Die “Finkenwerder” ist eine HADAG-Personenfähre (Länge 25,45m, Breite 6,44m, Tiefgang 1,90m) und kann 165 Personen befördern. Sie wurde 1988 gebaut und 1989 in Betrieb genommen.

Für Elbvertiefungsauguren sei noch erwähnt, dass die fulminante Begegnungsbox an dieser heutigen Havarie nichts geändert hätte. Es war kein Entgegenkommer in Sicht, der die “Ever Given” hätte behindern können. Vielmehr stellt sich die Frage, was ohne den Blankeneser Bulln sozusagen als Fender passiert wäre. Es ist zu befürchten, dass das Schiff mit seinem Heck, Ruder und Propeller das sehr nahe Blankeneser Ufer touchiert hätte. Dann wäre es komplett fahrunfähig gewesen… Ob es eine Seeunfalluntersuchung durch die BSU geben wird, ist derzeit unbekannt.  Ist ja auch nahezu egal, wie die vergangenen Berichte zu den Havariefällen der CSCL Indian Ocean oder Atlantic Cartier zeigen: erstens  dauert die Erstellung und Veröffentlichung dieser Berichte Jahre und zweitens von den politisch Handelnden keine spürbaren Konsequenzen aus den Untersuchungsergebnissen ergriffen werden.

Elbvertiefung startet

Die heutige unscheinbare Nachricht war der Startschuss für die Elbvertiefung: in der Bekanntmachung für Seefahrer 8/19 gab das WSA Hamburg bekannt, am 01.02.2019 eine Unterwasserablagerungsfläche vor Brokdorf zu bauen. Diese sogenannte UWA ist ein Bestandteil der Vertiefungspläne. Das Hamburger Abendblatt bestätigt dieses und benennt erstmalig in der Historie dieser Zeitung im letzten Absatz auch eine Zahl für die Gesamtkosten: 700 Mio. Euro sollen es nun für den Bund und Hamburg angeblich sein.

Aktuelle Beträge für die Hamburger Kosten finden wir in einer Senatsmitteilung zum Baumonitoring 2018. Auf Seite 54 ist die Elbvertiefung mit Kosten von nunmehr 286 Mio. Euro zu finden. Blättern wir ein wenig zurück, finden wir auf Seite 52 das Projekt “Spadenlander Busch/Kreetsand” mit nunmehr 80 Mio. Euro. Sie erinnern, dass das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss zur Elbvertiefung festgelegt hatte, dass genau dieses Vorhaben zwingend zur Elbvertiefung dazu gehört?

Wir blättern weiter auf Seite 56. Dort finden wir den “Ausbau Großschiffswarteplatz Finkenwerder” mit einem Betrag von 27 Mio. Euro angegeben.   “Mit dem Ausbau werden diese (Warteplätze) an die erhöhten Anforderungen der heute verkehrenden außergewöhnlich großen Fahrzeuge (AGF) angepasst.” Das scheint ja mit der Elbvertiefung so überhaupt nix zu tun  haben?

Es gibt noch weitere Beispiele, was für diese Elbvertiefung an Millionen ausgegeben wird, die in den vom Hamburger Abendblatt in den o.a. 700 Mio. Euro nicht enthalten sind. Sie finden alle diese Kosten samt Erläuterungen -> hier. (Leider nicht auf dem aktuellen Stand, aber wir arbeiten dran.)

Hamburg scheint in seinen Hafen sowie die damit einhergehenden Elbvertiefungen wie besinnungslos zu investieren. Es hat den Anschein, dass es in Hamburg außer dem Hafen keine förderungswürdigen wirtschaftlichen Aktivitäten geben würde. Wie sieht aber die Zukunft für Hamburg aus? Wird es mit dem Hafen und der Logistik zukünftig so weitergehen, wie es die Stadt in den vergangenen Jahrhunderten erleben durfte? Der Containerumschlag sinkt kontinuierlich. Die Umschlagsprognosen aus der Planungszeit der Elbvertiefung haben sich allesamt als völlig falsch erwiesen.

Sind in den Zeiten von Internet, 3-D-Druck, Lokalität und Klimawandel nicht andere Strategien erforderlich, als stumpf lediglich Container umschlagen zu wollen? Welche Wirtschaftsbranchen zerlegen sich denn gerade selbst? Denken Sie mal an Reeder, Schiffsbeteiligungen, Logistik, Postdienstleistungen, Banken….

Der heutige Gastbeitrag im Hamburger Abendblatt von Herrn Prof. Dr. Henning Völpel vermittelt einen Eindruck von den zukunftsfesten Chancen und Möglichkeiten, die unsere Stadt hätte, wenn sie sie denn nutzen wollen würde.

Nein, die Situation in Hamburg sieht so aus, wie sich Großbrittanien derzeit im parlamentarischen Streit um den Brexit präsentiert. Alte Traditionen und Zöpfe scheinen das Maß der Dinge zu sein. Irrational – für uns nicht verständlich. Und sehr traurig.

Abschließend zum Lachen zitieren wir aus der Machbarkeitsstudie zur Elbvertiefung aus dem Jahr 2004 die damalige Kostenprognose auf Seite 82. Hamburg sollte vor 15 Jahren nur 80 Mio. Euro zahlen ….

 

 

Bedrohte Menschen am Strom

Unter dieser Überschrift lädt der “Verein zur EinladungsplakatFörderung der Altländer Kirchenstiftung e. V.” zu einer Vortragsreihe in drei Kirchen im Alten Land ein.

Die drei Veranstaltungen tragen den Untertitel “Klimawandel-Deichschutz-Gottvertrauen” und bilden die norddeutsche Ergänzung der aktuellen klimapolitischen Diskussionen zu den Beschlüssen der Kohlekommission oder dem Vorschlag zu einem Tempolimit auf deutschen Autobahnen.

Können wir uns bei dem für jeden Menschen spürbaren Klimawandel einen Kohleausstieg wirklich erst im Jahre 2038 leisten? Ist der Verzicht auf eine Tempobegrenzung folgenlos möglich? Norddeutsch ergänzt: können wir uns in Zeiten des Klimawandels mit den einhergehenden Sturmflutgefahren überhaupt noch die Elbvertiefung erlauben?

Die anstehende Elbvertiefung wird von dem selben Bundesminister, Herrn Andreas Scheuer, verantwortet. In Sachen Tempolimit lederte Herr Scheuer die Empfehlung seiner eigenen Expertenkommission für den Erlass eines klimawirksamen Tempolimits auf deutschen Autobahnen mit den Worten ab, dieses sei „gegen jeden Menschenverstand“.

Ups! Was die nicht benötigte Elbvertiefung für die Deichsicherheit in Zeiten des durch den Klimawandel ansteigenden Wasserspiegels bedeutet, haben Experten nachgewiesen.  Auch weitere Argumente gegen diese Elbvertiefung wurden Herrn Scheuer mehrfach in Briefen erläutert. Antworten von dem Herrn Minister sind uns nicht bekannt.

So ist auch hier zu erwarten, dass er bei der Elbvertiefung mit “seiner persönlichen Denkgeschwindigkeit auf das Level Standstreifen gedrosselt” zu den gleichen Ergebnissen wie beim Tempolimit kommt. Aber ob ein derartiges “Gottvertrauen” zum Schutz der Menschen am Strom ausreichend ist?

Die vollständige Einladung zur Vortragsreihe “Bedrohte Menschen am Strom, Klimawandel – Deichschutz – Gottvertrauen” finden Sie -> hier.

Keine PR für die Elbvertiefung

Heute wurde bekannt, dass für drei Unternehmen der P&R-Gruppe Insolvenzverfahren eröffnet wurden. Laut Handelsblatt droht die Insolvenz “der größte Anlageskandal in der Geschichte der Bundesrepublik” zu werden und benennt eine Summe von 3,5 Milliarden Euro!

Die P&R-Gruppe bietet Seefrachtcontainer vorwiegend privaten Anlegern zum Kauf an.  Anleger werden rechtliche und wirtschaftliche Eigentümer der Container, die von P&R bereits langfristig, über mindestens die Laufzeit eines Anlegervertrages vermietet sein sollen. Laut P&R-Internetseite sollen die langfristigen Mietverträge dem Anleger quartalsweise Mieteinnahmen über die gesamte Vertragsdauer sichern. Am Ende der Vertragslaufzeit soll P&R dem Anleger ein Angebot zum Kauf der Container zu marktüblichen Konditionen unterbreiten. Die Container gehen wieder auf P&R über.

Die P&R-Gruppe  bezeichnet sich nach eigenen Angaben als unangefochtener Marktführer und betreut aktuell ein Volumen von ca. 1,25 Millionen Containereinheiten (TEU) für über 50.000 Anleger. Im letzten veröffentlichten Konzernabschluss der P&R AG (Jahr 2014!) werden die wesentlichen strategischen Zielgrößen für 2014 benannt:

  • Ausbau der Marktführerschaft
    Ziel war die Behauptung und der Ausbau der Marktführerschaft in den Kategorien Container-Investments und Eigenkapital. Die P & R-Gruppe konnte in beiden Kategorien den Abstand zu den Wettbewerbern vergrößern, darüber hinaus konnte auch der Spitzenplatz unter den 50 größten deutschen Emissionshäusern für geschlossene Fonds abermals erreicht werden.

  • Behauptung der Marktanteile
    Zielgröße 2014 war die Erhaltung des Marktanteils von ca. 5-6% des Container-Weltbestandes unter der Verwaltung der P & R-Gesellschaften. Dieses Ziel wurde erreicht.

So können wir feststellen, dass der deutsche Branchenprimus im Containerleasing insolvent ist! Nach dem völlig intransparenten Procedere um den vor wenigen Tagen angeblich erfolgreichen Verkauf des ehemaligen Branchenprimus im Schiffsfinanzierungsgeschäft,  der HSH-Nordbank , platzt nun die nächste Bombe aus dem Dunstkreis der maritimen Wirtschaft.

Und das ist wahrlich bemerkenswert: schließlich nutzte die P&R-Gruppe für ihre nun insolventen Containergeschäfte die gleichen Prognosen, wie die HSH-Nordbank für ihre vor die Wand gefahrenen Schiffsfinanzierungsgeschäfte! Und noch schlimmer: es sind die selben Prognosen, mit der die anstehende Elbvertiefung im vermeintlich “öffentlichen Interesse” für zwingend erforderlich erklärt wird.

Die Urheber der von P&R verwendeten Prognosezahlen sind die Selben wie bei HSH-Nordbank und Elbvertiefung: es sind die nicht nachvollziehbaren Erhebungen von  ISL und Drewry. Für die Elbvertiefung wird nahezu im Jahresrythmus eine neue Prognose mit unterschiedlichem Titel aufgelegt.

Keine von diesen durch die vermeintlichen Auguren ISL und Drewry prognostizierten (Erfolgs-) Zahlen ist seit dem Planungsbeginn zur anstehenden neunten Elbvertiefung für Hamburg eingetreten. Der Containerumschlag im Hamburger Hafen stagniert, obwohl die größten Schiffe der Welt in unseren Hafen kommen.

In unserer Hamburger Verfassung steht in der Präambel: “Die Freie und Hansestadt Hamburg hat als Welthafenstadt eine ihr durch Geschichte und Lage zugewiesene, besondere Aufgabe gegenüber dem deutschen Volke zu erfüllen. Sie will im Geiste des Friedens eine Mittlerin zwischen allen Erdteilen und Völkern der Welt sein.

Was muss passieren, damit unser Hamburger Senat endlich aufwacht und erkennt, dass Milliarden für diese Form der Seefahrt zu verbrennen, kein Verfassungsauftrag sein kann!

Totentanz bei Eurogate

Heute wurden von der HHLA in einer Pressemitteilung u.a. auch die Umschlagszahlen der drei Hamburger Terminals im Jahres 2017 veröffentlicht. Die zu lesenden Zahlen sind beeindruckend: “An den drei Hamburger Containerterminals konnte dabei der Containerumschlag um 8,3 Prozent auf 6,9 Mio. TEU gesteigert werden.

Wow,  was für ein Umschlagsboom – 8,3%  Wachstum – das ist ein Knaller! Das ist SIE, die seit Jahrzehnten prognostizierte Steigerungsrate im Containerumschlag! Für derartige Zuwächse muss die Elbe dringend vertieft werden. So könnte man denken.

Aber es gibt noch einen zweiten Player beim Containerumschlag im Hamburger Hafen: Eurogate mit dem CTH – direkt gegenüber von dem CTB der HHLA am Predöhlkai. Und die Zahlen für dieses Terminal bilden das genaue Gegenteil zu den erfolgreichen Boomzahlen der HHLA: In der Ende Januar 2018 veröffentlichen Eurogate-Pressemitteilung ist zu lesen, dass der Umschlag um über 25% auf knapp 1,7 Mio TEU eingebrochen ist.

Ja, Sie haben richtig gelesen. Ein Viertel des Eurogate-Containerumschlages ist verschwunden, …, verbrannt, verraucht? Bei einem Minus von über 25% müssten bei allen wirtschaftlich denkenden Menschen die Alarmglocken schrillen. Nein, das tun sie nicht. Eurogate betitelt den desaströsen Inhalt der Pressemitteilung mit den Worten “Containerumschlagsmenge in schwierigem Marktumfeld behauptet“. Unter dem Begriff “behauptet” verstehen wir jedenfalls etwas deutlich anderes.

Einen Boom im Hamburger Hafen können wir somit beim besten Willen nicht mal im Ansatz erkennen. Addieren wir die Umschlagszahlen von HHLA und Eurogate zusammen, müsste der Containerumschlag im Hamburger Hafen im Jahre 2017 kräftig aufgerundet rund 8,6 Mio. TEU betragen haben. Obwohl das BUSS-Hansaterminal (BHT) Ende 2016 geschlossen hat, addieren wir extrem großzügig weitere 200.000 TEU von den kleinen Terminals zu dem Umschlag der beiden großen Player HHLA und Eurogate hinzu. Sehr großzügig gerechnet ergibt sich ein Gesamtumschlag für das Jahr 2017 von 8,8 Mio. TEU.

8,8 Mio. TEU für das Jahr 2017 wären rund 130.000 TEU weniger als im Jahre 2016. Das ist kein Boom, nicht mal als “behauptet” würde man das in börsendeutscher Sprache bezeichnen. Mit der fehlenden Elbvertiefung hat das nichts, aber so überhaupt nichts zu tun. Die größten Containerschiffe der Welt haben Hamburg im Jahr 2017 ungehindert angelaufen. Mit Tiefgangsreserven, die sich wirklich gewaschen haben.

Auf Stagnation und Rückgang stehen die Zeichen im Hamburger Hafen, die man im Hamburger Rathaus, aber auch beim UVHH Hamburg samt seines prominenten Präsidenten einfach nicht erkennen will. Die Direktanläufe in der Ostsee nach Gdansk/Danzig, die Verlagerung von Feederverkehren und die Konkurrenz der Mittelmeerhäfen, die deutlich näher am “Hinterland von Hamburg” liegen, sind wesentliche Erklärungen für diese Hamburger Umschlagsentwicklung.

Nein, die Elbvertiefung braucht in Deutschland und Hamburg wirklich niemand. Auch die über 600 Mio. Euro teure Westerweiterung für das Eurogate-Terminal, das gerade die desaströsen Umschlagszahlen vorgelegt hat, braucht niemand. Wir Hamburgerinnen und Hamburger brauchen endlich einen Hafenentwicklungsplan, der mit vernünftigen Ideen unseren Hafen, den wir dringend weiter haben wollen, in eine sichere Zukunft führt. Die Worte unseres Wirtschaftssenators, Herrn Frank HorchIch kann nicht im Ansatz erkennen, dass der Hafen ein Strukturproblem hat”  klingen wie Hohn.

Der vorhergesagte Wechsel von unserem ersten Bürgermeister und verblendetem Elbvertiefungsfreund, Herrn Olaf Scholz, in das Bundesfinanzministerium eröffnet hierfür gute Chancen. Wenn er die Herren Ingo Egloff und Axel Mattern, heulsusende Geschäftsführer von Hamburg-Hafen-Marketing, die uns in den nächsten Tagen auf ihrer Jahrespressekonferenz die schlechten Umschlagszahlen des Hamburger Hafens für Gold verkaufen werden, gleich mitnimmt, besteht eine Chance, dass Schaden von Hamburg abgewendet wird.

Klage abgewiesen

Das Bundesverwaltungsgericht hat soeben die Klagen der Städte Cuxhaven und Otterndorf sowie von Elb- und Küstenfischern abgewiesen. Die Pressemitteilung 84/2017 des Gerichtes liest sich höhnisch. “Die Planfeststellungsbehörden durften bei der Abwägung der betroffenen Belange dem öffentlichen Interesse an einer Aufrechterhaltung bzw. Verbesserung der Verkehrsfunktion der Bundeswasserstraße Elbe den Vorrang gegenüber den widerstreitenden Interessen der Kläger einräumen.

Und dann wird in der Pressemitteilung das bereits zur Verhandlung von Hamburg und dem Bund angeführte Unwort “Lagebegünstigung” umschrieben: “Die Belange der Kläger sind aufgrund ihrer Lage- und Situationsgebundenheit nur eingeschränkt schutzwürdig. Die von den Städten Cuxhaven und Otterndorf geltend gemachten Auswirkungen des Vorhabens auf kommunale Einrichtungen (Bojenbäder, Badeseen, Seglerhafen) und an ihre Gemeindegebiete angrenzende, für touristische Zwecke genutzte Wattflächen sind – auch wegen der schon bestehenden Vorbelastung – zudem nicht so gravierend, dass das Abwägungsergebnis anders hätte ausfallen müssen.
Auch die Fischer kriegen ihr Fett ab. Der vom Abendblatt aus der Verhandlung zitierte Vergleich von Tankstellenbetreibern mit den Fischern ist in der Pressemitteilung implizit wieder zu finden: “Beeinträchtigungen wegen der vorrangigen Verkehrsfunktion der Elbe” müssen hingenommen werden.
Aus dem heutigen Urteil ergibt sich, dass Cuxhaven und Otterndorf keinerlei Rechte an den Wattflächen an Nordsee und Elbe haben. Sie gehören nicht zum Gemeindegebiet und sind zudem Teil der Bundeswasserstraße Elbe. Alle Gemeinden an der Unterelbe müssen somit die vor ihrer Haustür stattfindenden Vertiefungsplanungen des Bundes und Hamburgs widerspruchslos schlucken. Das alles hinterlässt mit dem ohnehin schon fragwürdigen “öffentlichen Interesse” aus den Planunterlagen einen sehr schalen Beigeschmack.
Bereits am 18.12.1918 hatten die Hamburger Baudirektoren im Rahmen der Groß-Hamburg-Diskussion ihre Forderungen für die Hafenentwicklung formuliert. Zur Sicherstellung der Tiefenhaltung auf der Unterelbe wurden hoheitliche Ansprüche für die Region der Niederelbe angemeldet. Man wollte sich nicht die gesamte “Metropolregion” einverleiben –  da bestand nur mittelbares Interesse. “Ein großer Schritt vorwärts auf diesem Wege wäre die Übertragung des Hoheitsrechtes über die gesamten Flächen der Niederelbe bis Hochwasserstand auf Hamburg, damit würde Hamburg schon ein Verfügungsrecht über die im Strom liegenden Sande erhalten.” lesen wir auf Seite 14 in “Groß-Hamburg” von Fred S. Baumann, Hamburg. Hamburg scheint mit dem heutigen Gerichtsurteil dieses damalige Ziel nun erreicht zu haben: es beherrscht alleinig die Elbe zwischen der Nordsee und dem Hamburger Hafen.
Die Naturschutzverbände BUND, Nabu und WWF kommentieren das Urteil in ihrer Pressemitteilung. Die Hamburger Wirtschaftsbehörde hat dagegen in ihrer Pressemitteilung nur  inhaltsleere Standard-Horchsätze zu bieten. Sie kündigt allerdings an, dass “bereits im Januar 2018 ein Antrag auf Planergänzung bei den Planfeststellungsbehörden gestellt werden kann und damit ein entsprechendes Planergänzungsverfahren gestartet werden kann.

Tell me, Lies!

Morgen am 28.11.2017, 12:15 Uhr wird das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig über die Klagen von Otterndorf und Cuxhaven und der Fischer abschließend entscheiden.

Wir haben der zugehörigen vorhergehenden Verhandlung am 16. und am 17.11.2017 beigewohnt und dort den Eindruck gewonnen, dass der für den morgigen Tag erwartete Gerichtsentscheid bereits vor dieser Verhandlung weitestgehend vorgedacht und vorformuliert war. Die vielen Verhandlungsstunden, die vom Gericht vor allem zur Feststellung der Klageberechtigung der beiden Elbstädte und der Fischer aufgewendet wurden, haben uns stutzig und sehr nachdenklich gemacht.

Beiden Kommunen an der Elbe und zudem an der Nordsee liegend, wurden von den Anwälten des Bundes und Hamburgs deutlich gemacht, dass sie keinerlei Rechte an dem Fluss und dem Meer haben. Verschlickung der Badestrände, gefährlicher Sog- und Wellenschlag am Strand bis hin zum Hochwasserschutz seien Themen, die die Kommunen nichts angehen würden. Gefährdeter Tourismus, bedrohte Kur- und Badegäste sowie Wattwanderer? Alles egal, das war unser Eindruck.

Die Anwälte der Beklagten sprachen von einer “Lagebegünstigung” der beiden Städte: sie hätten ohne jegliches Recht ihren Kurgästen in der Bundeswasserstraße Elbe und in der Nordsee das Baden und zudem Wattwandern erlaubt. Die Anwälte drohten nahezu unverhohlen vor den Ohren des Gerichtes, die wasserrechtliche Genehmigung  für die Verankerung eines Badeponton samt Abgrenzungsbojen in der Grimmershörner Bucht an der Bundeswasserstraße zu überprüfen und damit ein Badeverbot auszusprechen. Die Bundesrepublik Deutschland und das Bundesland Hamburg negierten unverfroren, dass die Menschen in Cuxhaven und Otterndorf vom Kur- und Badebetrieb leben würden. Das sei eben nur eine “Lagebegünstigung”, die im Gegensatz zur gesetzlich abgesicherten Schifffahrt keinerlei Rechte auf die vorbeifließende Elbe und Nordsee ergeben würde. Das Gericht schien diese Meinung zu teilen. Ein Richter hätte das persönlich in Augenschein genommen.

Während die Jäger sich in der gleichen Verhandlung ob ihrer Klageberechtigung nicht rechtfertigen mussten (sie scheinen wie der BUND und Nabu als Umweltverbände zu gelten …) und bereits zu Beginn des zweiten Verhandlungstages ihr Ziel erreicht hatten,  müssen die Fischer wie die beiden Kommunen bangen, dass sie morgen vom Gericht abgeledert werden. Es ist eine verkehrte Welt im Rechtsstaat Deutschland, die wir in Leipzig erleben mussten…

Da passt es doch gut, dass sich der neue Umwelt-Landesvater des Landes Niedersachsens, Herr Olaf Lies, mit Blick auf seine beiden niedersächsischen Kommunen und seine in Niedersachsen ansässigen Elbfischer markig zur Elbvertiefung geäußert hat. Im Abendblatt lesen wir “Jetzt ist die Elbvertiefung kein Tabu mehr”.

Ja, genau so muss ein frischer und fürsorglicher Umweltminister in Niedersachsen rumposaunen. Und schon liegt uns “Fleetwood Mac” im Ohr. “Erzähl uns doch mal Herr Lies“, “tell me Lies” hören wir. Wie verhält es sich denn nun mit der Verschlickung des Watts in Ihrem Bundesland? Wie steht es um die Deichsicherheit, um den giftigen Hafenschlick, der für die UWA Medemsand, unmittelbar vor dem Badestrand von Otterdorf “locker” verbaut wird, um den Sog- und Wellenschlag am Strand, um die Verschlickung der Strandflächen vor Duhnen und Döse, und, und, und?

Erzählen Sie doch mal Herr “Leis“, äh Herr Lies! Wir sind gespannt auf Ihre fachkundigen Ausführungen – vergessen Sie aber bitte nicht, dass Sie kein Wirtschaftsminister mehr für die steuervermeidende maritime “Spitzenwirtschaft” sind… Die “lagebegünstigte” mittelständische Wirtschaft an Elbe und Nordsee, z.B. Fischer, Pensions- und Hotelbetreiber, Ausflugsdampfer-Reedereien u.v.m. haben auf ihre “little Lies/kleinen Lügen” wirklich keinen Bock mehr..

Der Nächste bitte…

Mit der drohenden Insolvenz des Rickmers-Reedereiimperiums um dem bekannten Hamburger Reeder Bertram Rickmers platzt eine weitere Seifenblase rund um den angeblich für Hamburg so immens erfolgreichen Hafen. Nach Angaben der Welt betrugen laut der letzten offiziellen Zahlen vom ersten Halbjahr 2016 die Netto-Finanzschulden rund 1,7 Milliarden Euro – Hauptbankverbindung soll die HSH-Nordbank sein. Und so ahnen wir, dass nicht nur  “Rickmers unfassbar viel Geld verbrannt” hat, sondern Hamburg insbesondere über die HSH-Nordbank  unfassbar viele Euros an Steuergeldern zusätzlich verbrennen wird.

Und dann kommt noch das nächste Ungemach auf Hamburg zu. Einem Mitglied des von Hapag-Lloyd geführten Reedereikonsortium “THE-Alliance“, namentlich der Yang-Ming-Line soll nach einer Reedereimitteilung die Luft ausgehen. Laut dem renommierten Branchendienst Alphaliner wurde der Handel mit Yang Ming Aktien an der Taiwanesischen Heimatbörse bis zum 3. Mai 2017 ausgesetzt. In diesem Zeitraum wird ein Kapitalschnitt um 53% durchgeführt werden. Die bereits im Dezember 2016 beschlossene Maßnahme wirkt wie ein letzter Hilferuf. Bereits im Januar 2017 wurde Yang Ming als der Nachfolger der insolventen koreanischen Reederei Hanjin bezeichnet.

Für die Reederei Hapag-Lloyd, die selber nur rote Zahlen erwirtschaftet und ihr im April 2017 gestartetes Konsortium “THE Alliance” bedeutet das nur wenig Gutes. Bereits im Sommer 2016 schied die insolvente Hanjin aus der erst im Mai 2016 gegründeten Allianz zwangsweise aus. Mit den wirtschaftlich angeschlagenen japanischen Partnern MOL, NYL und K Line , dem überschuldeten Fusionspartner UASC und den aktuellen Entwicklungen um Yang Ming scheint sich mit “THE Alliance” das kleinste und zudem wirtschaftlich schwächste Konsortium gefunden zu haben. Das lässt nichts Gutes für die Zukunft erahnen.

Wir vermuten, dass unser Hamburger Senat, der bereits in der Vergangenheit dunkle (Abgas-) Wolken von Yang Ming beseitigen konnte,auch für seine Staatsbeteiligung an Hapag-Lloyd schützend seine Hand über “THE Alliance” halten wird. Und wenn es nur ein paar weitere Milliönchen sind, die direkt in die Beteiligung fließen oder indirekt über die HSH-Nordbank bereitgestellt werden. Die Hanjin-Insolvenz lässt grüßen.

Der Hafen und die Förderung der dort angesiedelten Wirtschaft entwickeln sich weiter zu einem Milliardengrab zu Lasten der Steuerzahler und unserer Elbe. Das gestrige Urteil des Europäischen Gerichtshofes in Sachen Moorburg zeigt von einer ganz anderen Seite, dass unser Senat mit dieser einseitigen Politik-Fokussierung bei Inkaufnahme der Zerstörung des Lebensraum Elbe auf einem Holzweg ist.

Wir sind weiterhin gespannt, was für Kaninchen der Senat in Sachen Elbvertiefung aber auch in Sachen Moorburg für die deutschen Gerichte aus dem Hut zaubern wird…