Archiv der Kategorie: Gerichtsverfahren

Neue Hafen-Meßstation

LuftmessnetzHH2Ob wir diese Station dem VW-Abgasskandal verdanken, oder ob es doch eine wahre Herzensangelegenheit unseres Umweltsenators Herrn Jens Kerstan ist, können wir der Nachricht “Auch im Hamburger Hafen werden jetzt die Abgase gemessen” aus dem Hamburger Abendblatt nicht entnehmen.

Eine neue Meßstation gibt es also im Luftmeßnetz Hamburg. Und nun sogar im Hafen – wer hätte das gedacht? Erklären könnte man die Einrichtung der Station mit den Zwängen aus der EU-Luftreinhaltungsrichtlinie. Unser Umweltsenator macht das aber nicht – das würde zu den “bekannten Ohrfeigen” führen und dann noch zu einem sehr peinlichen Disput mit den Mitarbeitern des Hamburger Instituts für Hygiene und Umwelt (HU).

Dieses Institut betreibt das Hamburger Luftmeßnetz und ist der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz unter der Senatorin Frau Prüfer-Storcks zugeordnet. Die Mitarbeiter des HU haben in den vergangenen Jahren so einige Untersuchungen rund um die Luftqualität im Hamburger Hafen angestellt und in den jährlichen “Aktuellen Themen” des Instituts veröffentlicht.

Die Beiträge sind sehr vage geschrieben: es wird viel vermutet und der Wunsch nach LuftmessnetzHH1detaillierteren Analysen formuliert. Warum diese nicht durchgeführt wurden, wissen wir nicht. Wir können aber feststellen, dass es in den Hamburger Behörden Menschen gibt, die sich seit dem Jahr 2007 mit dem Thema “Luftverschmutzung durch den Hafen” beschäftigen und gerne an diesem Thema weitergearbeitet hätten!

Was macht aber nun unser grüner Umweltsenator Herr Jens Kerstan, der doch im letzten Jahr in Sachen EU-Gesetzgebung die vor einem Jahr vor Gericht eingeforderte Überarbeitung des Luftreinhalteplans als “schallende Ohrfeigen” für den Senat bezeichnet hatte? Nichts!

Die neue Luftmessstation im Hamburger Hafen obliegt nicht einmal seiner Verantwortung. Umweltsenator Kerstan scheint erneut, wie in vielen anderen grünen Hamburger Umweltthemen, zum Jagen getragen werden müssen. So hat der BUND erhebliche Zweifel an den Senatsanstrengungen zur Erstellung des Luftreinhalteplanes. „Seit dem Urteil sind zwölf Monate verstrichen, die Belastung steigt und der Senat unternimmt offenbar nichts. Diese Ignoranz ist nicht länger hinnehmbaSpitzenkanditaten 2r“, so Manfred Braasch, Geschäftsführer des BUND Hamburg. „Wir haben jetzt Akteneinsicht beantragt, um nachzuvollziehen, ob die zuständige Behörde für Umwelt und Energie (BUE) das Thema überhaupt im Sinne des Urteils bearbeitet. Sollten Versäumnisse vorliegen, wird der BUND erneut gerichtliche Schritte prüfen“, so der BUND-Geschäftsführer weiter.

Die Antwort von Herrn Kerstan im Hamburger Abendblatt ist, noch freundlich formuliert, eine richtige Frechheit: “Das Gericht verlangt von uns die Darstellung konkreter Maßnahmen inklusive ihrer Auswirkungen – und zwar auf ihre Wirksamkeit durchgerechnet. Einen Zettel mit zehn Maßnahmen zu schreiben, das ginge über Nacht. Das reicht dem Gericht und der EU aber nicht. Obwohl wir diverse Punkte schon jetzt voranbringen, kann es länger als ein Jahr dauern, einen komplett durchgerechneten Luftreinhalteplan vorzulegen. … Der BUND macht es sich hier also etwas zu einfach.

Hui, das klingt wirklich nach grüner Leidenschaft allererster Güte. Senator Kerstan lässt unermüdlich an dem Luftreinhalteplan für unser Wohl arbeiten. Wir haben gehört, dass die von Herrn Kerstan dafür beauftragte Halbtagskraft mit einer noch unbesetzten Vollzeit-Praktikantenstelle verstärkt wurde und deren gemeinsame Ausrüstung um einem stumpfen Bleistift und einen Abakus erweitert wurde. Also vollstes grünes Engagement!

Herr Horch soll in Amtshilfe für Herrn Kerstan’s grünen Luftreinhalteplanerstellungsteam sogar für einen weiteren Telefonapparat gesammelt haben. In diesem Gerät sollen die Nummern des bereits angeführten Instituts für Hygiene und Umwelt und der HPA allerdings gesperrt sein. Der Hafen darf in dem neuen Luftreinhalteplan nicht erscheinen!

Was ist los mit der Elbvertiefung?

BVerwGLeipzig4Vor einem Jahr, am 2. Oktober 2014 hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig die Aussetzung des Verfahrens zur Elbvertiefung bis zur Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union in Luxemburg C-461/13 (Weservertiefung) ausgesetzt. Zudem hatte das Gericht mit seinem Beschluss den Betreibern der Elbvertiefung, dem Bund und der Stadt Hamburg, u.a. umfangreiche Hausaufgaben (Hinweisverfügungen) zu Brutvögeln, der Finte, dem Schierlings-Wasserfenchel samt Kohärenzsicherungsmaßnahmen mitgegeben. Nachzulesen in der Zusammenfassung von Herrn Weyland.

Ein dreiviertel Jahr später hat der Europäische Gerichtshof am 1. Juli 2015 sein Urteil zum o.a. Aktenzeichen C-461/13 gesprochen. Am 17. September 2015 wurden aus dem Wirtschaftsausschuss der Bürgerschaft die weiteren Pläne des Senates zur Beschleunigung des  Gerichtsverfahren bekannt , die jedoch umgehend vom Bundesverwaltungsgericht nicht akzeptiert wurden. Wie diese Pläne des Senates ausgesehen haben, sollte im aktuell veröffentlichten Protokoll des Wirtschaftsausschuss nachzulesen sein. Im Protokoll finden wir für den relevaten Tagesordnungspunkt 1 lediglich den Vermerk: “Keine Niederschrift; siehe Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Innovation und Medien an die Bürgerschaft.” Und dieser Bericht ist selbsverständlich noch nicht erschienen…!

Die Senatsantworten auf die Schriftliche Kleine Anfrage mit dem Titel “Weitere Verzögerungen bei Fahrrinnenanpassung der Elbe: Vorgehen des Senats wirkt planlos und bleibt undurchsichtig!” liegen hingegen jetzt vor.

Und da dürfen wir so Einiges lesen.
Uns überrascht nicht, dass die Überarbeitung der Fachbeiträge aufgrund der gerichtlichen Hinweise fast fertig sein sollen und die bisherige Luschigkeit des Senates mindestens 1,5 Mio. Euro kosten wird. Das ist in Hamburg nicht der Rede wert.
Die Antwort auf die Fragen 7 und 8 sind relevant: Daraus entnehmen wir, dass “nur” die klagenden Verbände NABU und BUND die ergänzenden Fachbeiträge in einem Planergänzungsverfahren vorgelegt bekommen sollen. Die Bürger bleiben außen vor. Nach Abschluss dieses Verfahrens werden Planergänzungsbeschlüsse durch die Behörden getroffen werden, um diese dann dem Gericht vorzulegen.

Nicht falsch verstehen: Die von den Verbänden im bisherigen lang andauernden Verfahren zur Elbvertiefung vor Gericht vertretenen Argumentationen decken sich mit den Unsrigen. Die klagenden Verbände genießen unser Vertrauen: wir als Gegner der Elbvertiefung unterstützen diese in Ihrem Gerichtsverfahren, dass damit ebenfalls das Unsrige ist!

In der Senatsantwort auf Frage 9 dürfen wir aber lesen: “Seit Beginn der Planungen der Fahrrinnenanpassung von Unter- und Außenelbe informieren die Träger des Vorhabens (Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes und HPA) in regelmäßigen monatlichen Sitzungen den Unternehmensverband Hafen Hamburg e.V. als Vertretung der Hamburger Hafenwirtschaft über den Fortgang des Vorhabens.

Und so fragen wir unseren Senat: Wo haben Sie uns Bürger dieser Stadt denn je über den Fortgang des Vorhabens zur Elbvertiefung regelmäßig monatlich informiert? Sie informieren als Senat ja nicht einmal regelmäßig monatlich die von uns gewählten Volksvertreter in der Bürgerschaft, geschweige denn uns Bürger!

Sie, sehr verehrter Senat, scheinen es als ganz normal zu empfinden, dass die Stakeholder und Profiteure der Elbvertiefung mehr wissen, als die Bürger, die Sie mittelbar über die Bürgerschaft gewählt haben. Dass Sie dann auch noch die Bürger von diesem weiteren Verfahren zur Elbvertiefung ganz bewusst fernhalten, zeugt von einem sehr befremdlichen Demokratieverständnis – insbesonders angesichts des 25. Jahrestages der Deutschen Einheit, der seine Quellen insbesondere in einer Bürgerbewegung hatte, die auch Bündnis 90 und die SDP einschloss.

Was ist los am Kreetsand?

Kreetsand, das ist dieses wunderbare Kreetsand-BausschildProjekt mitten in dem 2010 geschaffenen 31. Hamburger Naturschutzgebiet Auenlandschaft Norderelbe.

Dort soll ja eine eierlegende Wollmilchsau entstehen: Sowohl eine Flora-Fauna-Habitat-Aus­gleichs­maß­nahme für den Schierlings-Wasserfenchel im Rahmen der geplanten Elbver­tiefung, als auch eine Maßnahme zur Redu­zierung des Tidal-Pumping-Effektes durch Schaffung von 1 Mio. m³ Tidevolumen. Glaubt man den Planungen ist Kreetsand für Hamburg und die anstehende Elbvertiefung ein existentielles Projekt:  die Kreetsand zugesprochene hafenschlickmindernde Wirkung soll einerseits die Baggerkosten deutlich reduzieren und andererseits die EU-Kommission, aber auch das Bundesverwaltungsgericht, von den Chancen auf neuen Lebensraum für den vom Aussterben bedrohten Schierlings-Wasserfenchel überzeugen.

Mit dieser von den Bauauftraggebern HPA und Senat dem Kreetsand zugesprochenen Funktionalität hätten wir für das über 63 Mio. Euro teure Projekt eine gewisse Dringlichkeit und damit Geschwindigkeit erwartet. Seit 2012 wird mitten in einem Naturschutzgebiet gebuddelt – die geplante Fertigstellung zur IBA 2013 gelang nicht. Wir fragten uns, ob sich seit unserem letzten Besuch im Jahre Winter 2014 zum Herbstbeginn 2015 etwas getan hat?

Kreetsand2015-2Wir radelten am 27.09.2015 vom Norden über die Peute zum Kreetsand. Wir glauben nicht, was wir sehen. Hinter dem bekannten Containerdorf sehen wir statt der erwarteten Senke für die Aufnahme des Tidevolumens schier endlose über 20 Meter hohe, teilweise dicht bewachsene Sandberge. Wird hier Sand aus anderen Hamburger Bauprojekten sorgfältig auf separaten Haufen aufgeschüttet und zwischengelagert? Aus der Ferne ist es nicht zu erkennen. Kreetsand2015-1

Neu sind für uns die nach Chemieanlagen aussehenden blauen Behälter und Container. Das ist nicht nur eine Tankstelle für die gelben Baufahrzeuge, die hier weiterhin zur Genüge stehen. Immer sind wieder gelbe Schilder des Tiefbauers Bunte zu sehen, bekannt von den defekten Spundwänden am Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven.

Im südlichen Teil der Fläche sieht es dann etwas mehr nach Senke aus Kreetsand2015-3– einen Unterschied zu unseren Bildern aus dem Winter 2014 können wir bei einem Bildervergleich aber nicht erkennen. Hier scheint die Zeit still zu stehen. Lediglich im äußersten Süden vom Kreetsand können wir eine mit der Elbe verbundenen Wasserfläche erkennen, die Ähnlichkeit mit den Planungen haben könnte. Zwei Bagger liegen auf dem Wasser.

Auf dem Weg zur IBA-Deichbude werfen wir Kreetsand2015-4dann auch einen Blick auf die Mündung des Kreetsand-Gewässers in die Elbe. In altbewährter HPA-Manier finden wir den Mündungsbereich mit den bekannten CUS-Schlackesteinen von der Hamburger Kupferhütte Aurubis zugepflastert. Das, was an der Alster wegen Auswaschung von giftigen Schlacke-Substanzen schon lange nicht mehr erlaubt wird, ist an der Tideelbe weiterhin als billiger Baustoff hochwillkommen. Den Wasserbauern bei HPA oder aber auch der WSD scheint es dabei egal, ob es sich um ein potentielles Habitat für den Schierlings-Wasserfenchel handelt, um eine strombautechnische Uferbefestigung am Lühe- oder Pagensand oder eine einfache Buhne.

Fazit: Die Wanderdünen auf Sylt scheinen gegenüber den Baufortschritten am Kreetsand deutlich schneller zu sein. So richtig ernst scheint dieses Projekt in Hamburg keiner zu nehmen. Wir vermuten daher, dass der Kreetsand nach dem erfolglosen Versuch anlässlich der  IBA 2013 fertiggestellt zu sein, nun in neun Jahren  für “Olympia 2024” erneut als Vorzeigepilotprojekt präsentiert werden wird. Unvollendet – versteht sich!

Zwangsoptimismus?

Zum “Weser-Urteil” des EuGH finden wir immer wieder Aussagen, dass die Elbvertiefung nun leichter durchsetzbar sein wird. Besonders hervorzuheben sei hier die Aussage des Direktors des Instituts für Deutsches und Europäisches Wasserwirtschaftsrecht, Herrn Prof. Dr. Michael Reinhardt. Wiederholt wird er zitiert, dass von einer Verschlechterung des Gewässerzustands nur dann auszugehen sei, wenn sich die Einstufung des gesamten Gewässers um eine Klasse nach unten bewegt.

Dagegen steht die Einschätzung der Umweltverbände, die wir in der aktuellen Pressemitteilung des Aktionsbündnisses “Lebendige Tideelbe” finden. Gut verständlich und mit Beispielen unterlegt erläutert das Bündnis das EuGH-Urteil und verweist noch einmal auf die Mängel, die bereits das Bundesverwaltungsgericht bezüglich der fehlenden Gründlichkeit gegenüber den Vorhabensträgern geäußert hat. Und sie gibt einen guten Eindruck, welche Aufgaben und Hürden vor den Vorhabensträgern der Elbvertiefung liegen.HamburgSüd2

Wir haben den Urteilstext gelesen und möchten auf einige Abschnitte in der Begründung hinweisen, die die Bewertung der Umweltverbände unterstreichen. In Ziff. 55 finden wir: “Der Wortlaut von Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 2000/60 spricht für eine Auslegung, wonach der Begriff der Verschlechterung des Zustands eines Oberflächenwasserkörpers auch Verschlechterungen erfasst, die nicht zu einer Einstufung dieses Wasserkörpers in eine niedrigere Klasse führen. Darin heißt es ausdrücklich, dass eine Verschlechterung des Zustands aller Oberflächenwasserkörper zu verhindern ist… Mithin sieht Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 2000/60 allgemein die Verpflichtung zur Verhinderung einer Verschlechterung des Zustands der Oberflächenwasserkörper vor, ohne eine etwaige Einstufung in eine andere Klasse zu erwähnen.” Weiter heißt in Ziff. 68: “Entgegen dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland lässt sich eine im Wesentlichen auf eine Abwägung der negativen Auswirkungen auf die Gewässer gegen die wasserwirtschaftlichen Interessen gestützte Auslegung, wonach lediglich “erhebliche Beeinträchtigungen” eine Verschlechterung des Zustands eines Wasserkörpers darstellen, nicht aus dem Wortlaut von Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 2000/60 ableiten.” Abs. 69: “Demnach ist der Kommission beizupflichten, dass eine “Verschlechterung des Zustands” eines Oberflächenwasserkörpers im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 2000/60 vorliegt, sobald sich der Zustand mindestens einer Qualitätskomponente im Sinne ihres Anhangs V um eine Klasse verschlechtert, auch wenn diese Verschlechterung nicht zu einer Verschlechterung der Einstufung des Oberflächenwasserkörpers insgesamt führt.

Es gibt mindestens 13 Qualitätskomponenten, sofern deren Unterpunkte nicht selbstständige Qualitätskomponenten sind (WRRL, Seite 34, 1.1.1). Nur eine einzige dieser Komponenten muss sich verschlechtern oder sich bereits in der schlechtesten Klasse befinden, dann darf die Elbvertiefung nicht durchgeführt werden. Hinzu kommt, dass der betroffene Bereich der Elbvertiefungsmaßnahmen aus 5 Teilgebieten der Elbe besteht. Für jedes dieser Teilgebiete gilt, wenn nur eine einzige Qualitätskomponente verschlechtert wird, dann muss das gesamte Projekt gestoppt werden. Vor diesem Hintergrund verstehen wir juristische Laien die vermeintliche Sicherheit der Vorhabensträger nicht, dass die Durchsetzung der Elbvertiefung durch das EuGH-Urteil einfacher würde.

Auch eine Durchsicht des aktuellen Entwurfs des Bewirtschaftungsplan unterstützt die Aussage der Verbände, dass die geplante Elbvertiefung dort keine Berücksichtigung findet. Somit basieren die geplanten Maßnahmen zur Verbesserung des Qualitätszustands der Elbe auf dem derzeitigen Zustand, nicht auf dem durch die Elbvertiefung zu erwartenden Zustand.

Ach ja, noch ein Hinweis zum Titel “Zwangsoptimismus”: Bereits am 01.07.2015 hat ein Abgeordneter der Bürgerschaft offenbar noch vor der Urteilsverkündung eine kleine Anfrage gestellt, die fragt, ob denn der Hamburger Senat schon auf die Umsetzung der Baumaßnahmen eingestellt sei. Anscheinend ist er davon ausgegangen, dass der EuGH den Vorhabensträgern den Weg frei räumt.

Lern(un)fähig?

Irgendwie bekommt man den Eindruck, die politischen Entscheider, der Hamburger Senat, lernt nicht dazu.

Am 28.05.2015 finden wir im Hamburger Abendblatt die Überschrift “Der A26 droht die Verschiebung auf den Sanktnimmerleinstag” (aktualisiert hier). Was steckt dahinter?

InfotafelRosengarten2Wir berichteten am 25.01.2015 davon, dass die Verhandlungen zwischen Naturschutzverbänden, Obstbauern und der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation (BWVI) gescheitert sind. Die Umweltverbände hatten sich bereit erklärt, auf verschiedene Klagen gegen Planfeststellungsbeschlüsse, einschließlich des Baus der A26, im Süderelberaum zu verzichten, wenn es gelingt, einen “Interessenausgleich zwischen Obstbau und A26 auf der einen Seite und dem Naturschutz auf der anderen Seite zu erreichen. Dabei sollten mit der Errichtung eines Biotopkorridors in der Süderelbmarsch frühere und aktuell drohende Naturverluste infolge mehrerer Planfeststellungsverfahren im Süderelberaum im Sinne eines tragbaren Kompromisses kompensiert werden. Ziel war ein dauerhafter und funktionsfähiger Biotopkorridor, der die Naturschutzgebiete Moorgürtel und Westerweiden/Alte Süderelbe miteinander verbindet.“, können wir in der Hintergrunderklärung zum Verhandlungsstand Güteverhandlung A26 lesen

Die Verhandlungen scheiterten, weil die BWVI eine für den Biotopkorridor zentrale Grünfläche langfristig an den Intensiv-Obstbau verpachtet hat. Und nun soll auch noch der Wald an den Vollhöfner Weiden, der ebenfalls Bestandteil des Korridors werden sollte, dem Hafennutzungsgebiet zugeordnet und somit abgeholzt werden. Damit wurde die Basis für Verhandlungen einseitig von Seiten der BWVI aufgekündigt.

Jetzt kündigt der Nabu an, gegen alle Planfeststellungen („Wasserwirtschaftliche Maßnahmen im Gebiet des Sommerdeichverbandes (SDV) Francop und im SDV Vierzigstücken“, „Herstellung des Verbindungsgewässers Neuenfelde und wasserwirtschaftliche Maßnahmen im SDV Rosengarten“, „Wasserwirtschaftliche Maßnahmen in den SV Neuenfelde und SV Viersielen“) einschließlich der “A26”-Trassenplanung Klage einzureichen. Und die Chancen sollen für den Verband nicht schlecht stehen. Bei der Planung der Trassenführung der A26 wurden die Umweltverbände nicht eingebunden und somit konnte nicht frühzeitig über Alternativen vehandelt werden. Die insgesamt 5 Maßnahmen bedeuten einen immensen Eingriff in den Naturraum der nicht ortsnah ausgeglichen wird. Feuchtgrünland wird durch die Zuschüttung von insgesamt 65 km Gräben unwiederbringlich zerstört und bedrohte und geschützte Amphibien-, Brutvogel- und Fischarten werden dauerhaft vertrieben.

Und, aufgepasst: Die Konfrontation geht hier nicht von den Umweltverbänden aus, der Senat, vertreten durch die BWVI schafft Fakten, die NULL Verhandlungsbereitschaft signaliseren.

Diese Verhalten, und das wahrscheinliche Scheitern vor Gericht, ist nichts Neues. Erinnern Sie sich an die Klage des Anwohners an der Max-Brauer-Allee bezüglich der Luftbelastungen? Die Stadt hält es nicht für notwendig, etwas für eine bessere Luft in Hamburg zu tun. Sie wollte gegen den verlorenen Prozess sogar vorgehen. Von einem Gericht wolle man sich keine Vorschriften machen lassen, was Hamburg für eine Verbesserung der innerstädtischen Luftqualität tut.

Und bei der Elbvertiefung? Auch dort Ignoranz gegenüber Gesetzen und Vorschriften zum Schutz der Natur, mit dem Ergebnis, dass die geplante Maßnahme vor dem Bundesverwaltungsgericht gelandet ist. Und dort hat die Stadt (aber auch der Bund) als Träger der Maßnahme keine gute Figur in Bezug auf den Umweltschutz gemacht.

Der Diletantismus des Hamburger Senats bei den beispielhaft aufgeführten Fällen macht auf uns den Eindruck, dass die politischen Verantwortlichen in Hamburg nicht lernfähig sind. Immer wieder und wieder versuchen sie mit dem Kopf durch die Wand zu kommen, indem sie sämtliche Vorschriften zu Gunsten einer diffusen Wirtschaftselite ignorieren. Vielleicht ist das ja der Grund: Wer ständig mit dem Kopf anstößt, bekommt vielleicht eine matschige Birne?

Europa-Nachlese zu Leipzig

Nachdem das Leipziger Bundesverwaltungsgericht am 02.10.2014 seinen europäischen Vertagungsbeschluss für die Elbvertiefung und der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof sein auch für die Elbe relevantes WRRL-Gutachten zur Weservertiefung abgeben hat, sind alle Vertiefungsentscheidungen zu den norddeutschen Flüssen Weser und Elbe endgültig in Europa angekommen. Was bedeutet das?BVerwGLeipzig5

Wir freuen uns, Ihnen mit einem neuen Beitrag von Herr Raphael Weyland, einem Unterstützer unserer Bürgerinitiative und mit Verwaltungsgerichtsverfahren um Flussvertiefungen sehr gut vertrauten Juristen, einen Überblick in dieser komplexe Materie, d.h. des Leipziger Beschlusses sowie des Gutachtens des Generalwaltes am EuGH verschaffen zu dürfen.

Herr Weyland zeigt diesen bedeutenden gesamteuropäischen Zusammenhang der vor dem Europäischen Gerichtshof verhandelten Wasserrahmenrichtlinie WRRL zunächst über die peinliche anmutende Hamburgische Lobbyarbeit des Hamburgischen Abgeordneten im Europaparlament, Herrn Knut Fleckenstein auf.

Lesen Sie den Beitrag von Herrn Weyland hier.

EuGH C-461/13, BVerwG 7A14.12

Der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes in Leipzig vom 02.10.2014 (7 A BVerwGLeipzig314.12) zum Elbvertiefungsverfahren ist nun veröffentlicht worden. Er kann als Pdf heruntergeladen werden.

Vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat heute der unabhängige Generalanwalt am EuGH, Herr Niilo Jääskinen sein Gutachten im Verfahren zur Weservertiefung präsentiert. Folgt man den Ausführungen des NDR, hat er für eine strenge Auslegung der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) plädiert. Die Interpretation einer strengen Auslegung erläutert die Tageszeitung. Der Generalanwalt des EuGH würde damit der Auffassung der in Sachen der Weser- und Elbvertiefung klagenden Verbände folgen. Eine Pressemitteilung des BUND Niedersachsen unterstreicht diese Auffassung.

BVerwGLeipzig4Gleichwohl hat der Generalanwalt auch klar gemacht, dass Vertiefungen im Rahmen der in der WRRL (Art. 4) vorgesehenen Ausnahmen genehmigt werden können. Vorhaben, die „anderen Erfordernissen“ insbesondere wirtschaftlichen entsprächen, müssten aber mit den geeigneten „Bedingungen und Beschränkungen“ versehen werden, die das WRRL-Verschlechterungsverbot auffangen würden. Die verkehrsRUNDSCHAU leitet daraus ab, dass Herr Jääskinen sich für eine Weservertiefung ausgesprochen hat.

Jeder Interessierte fragt sich, wie nun der EuGH entscheiden wird: Auf NDR-Info war zu hören, dass der EuGH in der Regel den gutachtenden Ausführungen des Generalanwaltes folgt. Sollte dieses der Fall sein, wäre es ein riesengroßer Erfolg der klagenden Verbände für die Bedeutung der europäischen WRRL zu Gunsten unserer Flüsse Weser, Elbe, Ems und aller anderen europäischen Flüsse.

Wir stellen uns mit den vorliegenden Informationen zum heutigen EuGH-Gutachten und dem o.a. Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes, insbesondere ab Seite 19, TZ43 mit den Ausführungen zum Schierlingswasserfenchel, die Frage, wo die Planer der Elbvertiefung die geeigneten Bedingungen und Beschränkungen auf der zu vertiefenden Elbe für diese stark bedrohte Pflanze schaffen wollen. Es bleibt spannend!

Regierungserklärung

Heute Nachmittag hat der Erste Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg, Herr Rathaus1Olaf Scholz, vor der Bürgerschaft eine Regierungserklärung zum Aussetzungsentscheid des Bundesverwaltungsgerichtes abgegeben. In den Zeitungen sind neben den Berichten auch die Antworten der Oppositionsfraktionen zu finden. So in der Hamburger Morgenpost, der Tageszeitung TAZ und im Abendblatt.

Der Erste Bürgermeister scheint seine kompromisslose Politik in Sachen Elbvertiefung und damit die Politik seiner Vorgänger nahezu nahtlos fortzusetzen:

  • Die Leistungen der Planer und Verantwortlichen werden hervorgehoben, obwohl diese doch Entscheidendes “vergessen” haben. Warum sind denn die angeblich “sechs” Mängel mit nur “100 Seiten” in den 6.600 Planungsseiten nicht gleich vorab beseitigt worden?
  • Das Gericht wird von ihm da zitiert, wo es passt – was am Entscheid unbequem ist, wird weggelassen. Wir erinnern aus der Rede des Richters noch weitere 130 von der Elbvertiefung bedrohte Pflanzenarten, die nicht mit einem Wort im Planfeststellungsverfahren angeführt worden sind.
  • Europa ist nach seiner Meinung ganz gut, aber bei selbstdefinierten Schicksalsfragen mit Umwelttüdelüd entscheiden wir das in Hamburgs Rathaus doch lieber selber. Das gewählte Beispiel aus Frankreich und der Satz “Vielleicht müssen wir hin und wieder gemeinsam in Europa und mit der Bundesregierung überlegen, wie wir europäische Vorgaben jeweils national implementieren.” lässt tief in ein sehr gering ausgeprägtes europäisches Bewusstsein unseres Bürgermeisters blicken.
  • Flüsse sind zum Transportieren dar. Und vor Jahren auch für “Trübes” sagt Herr Scholz… Wer hat denn aber dafür Sorge getragen, dass unsere Unterelbe in den vergangenen Jahren nicht zum stinkenden Abwasserkanal verkommen ist? Etwa der Hamburger Senat? Nein, das mussten immer andere machen: z.B. bei der Cholera-Epidemie die Berliner Reichsregierung mittels Zwangsmaßnahmen oder ab den Jahren um 1970 eine Bürgerbewegung vor dem Hamburger AKW-Brokdorf.

Konnten Sie in der Rede von Herrn Scholz irgendein Wort zu einer norddeutschen Hafenkooperation lesen? Gab es ein Wort zu den Anliegen der norddeutschen Nachbarn in Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Bremen oder Mecklenburg-Vorpommern? Worte zu …, …, …? Nein, es war wieder nur die berühmte hanseatische Arroganz zu lesen, schade.

Erste Nachlese zu Leipzig

BVerwGLeipzig5Nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes in Leipzig vom 02.10.2014, das Verfahren zur Elbvertiefung bis zur Entscheidung des EuGH in Luxemburg in Sachen WRRL zur Weservertiefung auszusetzen, liegen nun viele Berichte, Kommentare der Medien und Pressemitteilungen der Politik, Bürgerinitiativen und Verbände vor. Im Folgenden haben wir Ihnen eine Übersicht von frei zugänglichen Artikeln und Pressemitteilungen bereitgestellt, die wir mit kurzen inhaltlichen Kommentierungen versehen haben. Im Anschluss an die Medienberichte stellen wir Ihnen einige Pressenmitteilung zur Verfügung.

Medienberichte

Pressemitteilungen

Entscheidung in Leipzig

Das Bundesverwaltungsgericht hat soeben das Verfahren zur Elbvertiefung bis zur Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union in Luxemburg BVerwGLeipzig7C-461/13 (Weservertiefung) ausgesetzt.

Die mündliche Verhandlung vor dem EuGH hat bereits Anfang Juli 2014 stattgefunden. Mit einem Urteil wird im Frühjahr 2015 gerechnet.

Die Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichtes finden Sie hier.

Die Entscheidung des Gerichtes gliedert sich in zwei Teile. Im Ersten Teil nimmt das Gericht Stellung zur Aussetzungsentscheidung, im Zweiten stellt es Mängel am Planfeststellungsbeschluss, hier insbesondere der Umweltverträglichkeitsprüfung fest.

BVerwGLeipzig6
Hamburg-Wappen im Gerichtssaal

Bei der Aussetzungsentscheidung nahm das Gericht Bezug auf die beim EuGH ausstehende Entscheidung zur Auslegung der Wasserrahmenrichtlinie im Zusammenhang mit der Weservertiefung. Das Gericht wies darauf hin, dass die vorgenommene Hilfsprüfung zur Verschlechterung des Gewässers, veröffentlicht im Ergänzungsbeschluss vom Oktober 2013, mangelhaft war. Die Kritik des Gerichtes zielt dabei auf die Bewertungskriterien, die nicht eindeutig und nachvollziehbar beschrieben worden sind. Die ermittelten Ergebnisse sind damit nicht überprüfbar.

Weiterhin stellt das Gericht erhebliche Mängel im Planfeststellungsbeschluss zur FFH- und Umweltverträglichkeitsprüfung fest.

Zur Umweltverträglichkeitsprüfung:
Im Planfeststellungsbeschluss werden insgesamt 131 gefährdeten Pflanzenarten genannt. Allerdings wurde lediglich für den Schierlingswasserfenchel eine umfassende Untersuchung durchgeführt. Alle anderen Pflanzen müssen jedoch auch genauer eingeschätzt werden.
Des weiteren wurde beanstandet, dass das Schutzgut Artenvielfalt nicht ausreichend gewürdigt wurde. Im Planfeststellungsbeschluss wird zwar festgestellt, dass kein Totalverlust bei den Pflanzenarten zu erwarten ist. Das Gericht hält es für notwendig, die Beeinträchtigung der Pflanzenarten zu beachten und vermisst Ausführungen im Planfeststellungsbeschluss.

Zur FFH:
Trotz der Nachbesserung des Planfeststellungsbeschlusses während der Verhandlung haben die Planer nicht überzeugend dargelegt, dass die Finte durch die Elbvertiefung ausreichend geschützt wird. Bereits jetzt sei bekannt, dass es gravierende Sauerstoffprobleme im Laichgebiet der Finte gibt. Die von den Planern verneinte Verschlechterung sieht das Gericht als fehlerhaft an, es geht von einer hohen Wahrscheinlichkeit der Verschlechterung des Lebensraums der Finte aus.
Ebenso haben die Planer nach Ansicht des Gerichts nicht ausreichend die Auswirkungen auf die Brutvögel geprüft und nachgewiesen, dass sich deren Lebensraum verschlechtern wird.
Das Gericht stellt zudem fest, dass die Planer die notwendigen Ausgleichsmaßnahmen, die in Zusammenhang mit einer derartigen Vertiefung standardmäßig vorgenommen werden müssen, gleichzeitig als zusätzliche Kohärenzmaßnahmen (Ausgleichsmaßnahmen) aufgeführt haben. Hier muss noch deutlich nachgebessert werden.

Bei den Ausgleichsflächen für den Schierlingswasserfenchel beanstandet das Gericht, dass zwar relativ große Flächen angeführt werden, aber nicht nachgewiesen wurde, dass diese auch geeignet seien, um den Fortbestand der Pflanze sicher zustellen. Außerdem gäbe es Differenzen über die Angaben zu Ausgleichsflächen: die Planer haben gegenüber der EU-Kommission andere Werte angeführt, als gegenüber dem Gericht.

Zum Abschluss wies das Gericht noch darauf hin, dass es eine Vielzahl an Mängeln gibt, von denen einige beispielhaft aufgeführt wurden. Die Kläger hätten deutlich mehr Aspekte aufgeführt. Punkte, die in der später folgenden schriftlichen Begründung nicht genannt werden würden, seien somit in Ordnung.

Nach der Entscheidung zur Weser wird über die Elbe erneut vor dem Bundesverwaltungsgericht verhandelt. Dann können von Klägern und Beklagten neue Aspekte eingebracht werden. Eine Entscheidung wird erst danach gefällt werden. Außerdem stehen noch die Verhandlungen zu den weiteren Klagen von Städten, Verbänden und Privatpersonen aus, die ebenfalls Auswirkungen auf die Möglichkeit der Durchführung der 9. Elbvertiefung haben werden.

Das bedeutet, dass Hamburg und Bund noch einmal viel Zeit und (Steuer)Geld in die Hand nehmen müssen, um die aufgeführten mangelhaften Untersuchungen zu den Auswirkungen durch die Elbvertiefung zu überarbeiten. Die geplante 9. Elbvertiefung scheint dank der schlampigen Planungen zu einem Fass ohne Boden zu werden.

Ruhe vor dem Sturm 2

Nächste Woche Donnerstag, am 02. Oktober 2014, wird das Bundesverwaltungsgericht das Ergebnis der Beratung der Richterinnen und Richter verkünden. Erstaunlicherweise ist immer noch absolute Stille im Rauschen des Blätterwaldes.

Was ist los mit Hamburgs Medien? Während der Planungsphase und vor allem nach Bekanntwerden der Klagevorhaben von Umweltverbänden und Anrainern der Elbe rauschte es gewaltig. Bis zum Beginn des Verfahrens wurden vor allem BUND, NABU und WWF immer wieder in den Fokus genommen und als potenzielle “Feinde” des Hamburger Wohlstands (?) dargestellt.

Während der Verhandlung berichteten die Medien teilweise beinahe respektvoll über die gut vorbereiteten und inhaltlich qualifizierten Klagevertreter. Seit dem: Funkstille!

Sind sich die Vertreter der Planungsbehörden doch nicht mehr so sicher, dass sie die Elbvertiefung durchführen dürfen? Ist ihnen bei der Verhandlung aufgefallen, dass sie schlecht gearbeitet haben? Wir berichteten darüber, dass mehrfach Planunterlagen noch während der Verhandlung nachgebessert werden mussten. Rächt sich die Haltung der Planer, dass eine Elbvertiefung ein “Selbstgänger” ist? Und haben die Hamburger Medien deshalb einen “Maulkorb” erhalten?

Wenn Sie sich erinnern: Die Planunterlagen mussten während des Planfeststellungsverfahrens drei Mal nachgebessert werden, die ersten Unterlagen wurden in diesem Zusammenhang sogar vollständig zurück gezogen.

 

Ruhe vor dem Sturm

Angesichts der nahenden Urteilsverkündung des Bundesverwaltungsgerichtes zur 9. Elbvertiefung ist es im Hamburger Blätterwald und im Parlament verdächtig ruhigRuhevordemSturmgeworden. Es scheint die Ruhe vor einem wie auch immer gearteten Sturm zu sein…

Gleichzeitig wird um Deutschland herum die Gründung von “Ocean Three” und die Auswirkung der neuerlichen Allianz-Bildung diskutiert. Alphaliner stellt graphisch eine Übersicht über die Marktanteile der nun vier Allianzen auf den “Rennstrecken” dar. Man stellt fest, dass der Markt nunmehr vollständig unter den TOP20 der Containerschifffahrt aufgeteilt ist – für die verbliebenen Reedereien, die noch keinen Anschluss an eine Allianz gefunden haben, scheinen kaum noch Perspektiven zu bestehen.

Der englischsprachige Beitrag zum Allianzenvergleich auf  “The Maritime Executive” analysiert nicht nur die Marktanteile, sondern nimmt Bezug andere relevante Themen. So erfahren wir in nicht ganz einfachem Englisch etwas zur Zuverlässigkeit, Flexibilität, Schiffsgrößenentwicklung, Reaktionsfähigkeiten, Strecken-Marktanteilen u.v.m. der Allianzen.

Auffällig ist, dass die G6-Allianz um Hapag-Lloyd, bei dem Wettlauf um die Schiffsgrößen einen anderen Weg zu wählen scheint. Aus Tabelle 2 des Artikels zur Entwicklung der Schiffsgrößen ist ersichtlich, dass G6, im Gegensatz zu den anderen Allianzen, nicht nur auf große Containerschiffe setzen wird: während die 2M-Allianz im Orderbook nur noch Schiffe mit 17.500 TEU Größe bauen lässt, liegt die G6-Allianz mit 11.900 TEU deutlich unter dem bisherigen Durchschnitt von 12.500 TEU.

In jedem Fall haben wir es bei den vier Allianzen mit einem weltweiten wohlorganisiertem Oligopol zu tun. Diesem Oligopol der “Vier” stehen allein in Nordeuropa mit Le Havre, Dunkerque, Zeebrügge, Felixstowe, Antwerpen, Southampton, Rotterdam, Amsterdam, Wilhelmshaven, Bremerhaven, Hamburg, Götheborg, Aarhus, Gdansk fast “drei Hände” voll an Häfen zur Verfügung, die gegenseitig in schärfster Konkurrenz stehen. Nicht zu vergessen sind die vielen kleineren nordeuropäischen Seehäfen, die den Feederumschlag von den größeren Häfen abwickeln.

Wie der Markt zu funktionieren hat, diktieren uns die Reederei-Allianzen: tiefere Häfen und Hafenzufahrten, größere Kaianlagen, größere und schnellere Containerbrücken, Ausbau des Hinterlandverkehrs, um die Waren zügig abzutransportieren, “Flexibilisierung” von Arbeitsbedingungen, damit immer ausreichend Personal vorhanden ist, wenn die Mega-Containerschiffe kommen…

Warum nehmen die politisch Verantwortlichen in unseren drei deutschen Seehäfen diese Reederei-Diktate sprachlos entgegen? Warum setzen sie nicht gemeinsam mit ihren europäischen Kollegen dieser geballten Macht eine Antwort entgegen? Warum verweigern sich diese Verantwortlichen nicht der Verschleuderung von Steuergeldern, die alleinig dem Nutzen der Gewinnsteigerungen der Groß-Reedereien dient?

Und: Müssen wir unsere Heimat, namentlich Elbe und Weser in Deutschland oder die Schelde in Belgien und den Niederlanden für die Reedereien zu kostengünstigen Transportkanälen umgestalten? Gelten die von europäischen Politikern vereinbarten Richtlinien zum Natur- und Hoch- und -wasserschutz, die allen Menschen dienen sollen, in der Interpretation unserer norddeutschen Politiker weniger, als die Gewinnwünsche einiger weniger Großaktionäre?Leipzig2

Am 2. Oktober 2014 werden wir mit der Entscheidung des Gerichtes wissen, wie der Europäische Gedanke in den komplexen europäischen Richtlinien, die u.a. auch die Elbvertiefung betreffen, interpretiert werden soll.
Stellvertretend für die Dimension der Entscheidung seien in Kurzfrom die WRRL, Flora und Fauna-Habitat, Natura 2000, MSRL, HWRL angeführt, aber auch die europäischen Verträge wie OSPAR, HELCOM  oder nur einfach nur CWSS.

Gewässerzustand schlecht

Wesentlicher Bestandteil des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ist die Beurteilung, ob bei der geplanten Elbvertiefung die Vorgaben der europäischen Wasserrahmenrichtlinie WRRL (Erreichung eines guten chemischen und ökologischen Zustandes bis zum Jahr 2015) eingehalten worden sind. Die Gegner der Elbvertiefung meinen, dass dieses nicht der Fall ist – die Betreiber der Elbvertiefung meinen, die WRRL Bedingungen vollumfänglich erfüllt zu haben. Was nun in Sachen Elbvertiefung richtig ist, wird das Bundesverwaltungsgericht am 2.10.2014 entscheiden.

Schauen wir bis dahin, was es sonst zur WRRL in Hamburg zu berichten gibt:

  • Soeben wurden die Antworten zu einer Großen Anfrage “Stand der Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie – muss Hamburg weiter nachsitzen?” in der Bürgerschaft veröffentlicht. In den Antworten zur Anfrage, Anlage 1, erfahren wir, dass alle 30 in Hamburg fließenden OWK (Oberflächenwasserkörper) als erheblich verändert oder künstlich kategorisiert werden und somit nur ökologische Potenziale statt Zustände bewertet werden müssen. Und selbst diese Potentiale haben sich seit dem letzten Bewertungsjahr 2009 innerhalb der letzten fünf Jahre nicht positiv verändert: keines der fließenden OWK erhielt die Note “gut” bzw. “sehr gut”. Sieben der in 2009 mit “mäßig” bewerteten Oberflächengewässer sackten sogar auf die Note “unbefriedigend” ab. Zudem wird der chemische Zustand aller 30 Oberflächengewässer mit “nicht gut” bewertet. Bei den OWK “Seen” und “Wattenmeer” sieht die Situation ähnlich aus.
    Die in 2008 in einer Senatsmitteilung gesteckten Ziele Hamburg wurden, wie man der Einleitung der großen Anfrage entnehmen kann, allesamt verfehlt. Selbst das Abendblatt überschreibt seinen Artikel mit “Schlechte Noten für Hamburgs Gewässer“.
  • In der großen Anfrage werden in Anlage 3 die Gesamtkosten aufgeführt, die Hamburg seit 2009 für die Einhaltung der WRRL aufgewendet hat: in den vergangenen fünf Jahren wurden ingesamt 14,8 Mio. Euro ausgegeben, d.h. weniger als 3 Mio. Euro pro Jahr. Bei einem Hamburger Haushalt von 12 Mrd. Euro machen die jährlichen WRRL-Investitionen nicht einmal ein Viertel-Promille aus. Man scheint bei diesen “enormen” Beträgen die EU-Vorgaben zur WRRL nicht wirklich ernst zu nehmen. Parallel wurden die Antworten zu einer schriftliche kleine Anfrage über die Kosten aus der WRRL veröffentlicht. Die Gesamtkosten aus den WRRL-Maßnahmen werden in der Anlage zur Anfrage mit 12 Mio. Euro angegeben. Das wäre dann nur noch ein Fünftel-Promille – man spart in Hamburg, was man kann.

Ja, und die Elbe? Wir könnten verstehen, dass der Hamburger Hafen nicht mehr viel mit einem naturnahen Gewässer zu tun haben kann. Gleichwohl bezieht man Teile dieser Flächen als Ausgleichsmaßnahmen für die Elbvertiefung an: beispielsweise den alten Moorburger Hafen, direkt südlich des umstrittenen Moorburger Kohlekraftwerks gelegen.

Sorgen machen wir uns auch um das große Fischsterben durch das Sauerstoffloch, das mittlerweile jährlich im Sommer auf dem Hamburger Elbteil zwischen Hafen und Landesgrenze bei Tinsdal kurz vor Wedel auftritt. Nicht ein Wort wird in der großen Anfrage über die aktuell 100 Tonnen tote Fische mitten in Hamburg verloren. Hamburgs Regierung verschließt hier die Augen und sagt kein Wort – ein mittlerweile ganz normaler Vorgang.
Andere benennen die “böse” Algenblüte wegen hoher Nährstoffbelastung als Verursacher… Kenner und Beobachter des Sauerstoffloches wissen, dass es andere Gründe gibt: wir verweisen auf unsere Kollegen von “Rettet-die-Elbe“, die dieses Loch bereits seit der letzten Elbvertiefung ausführlichst beschrieben haben.

Weiterer Bericht aus Leipzig

Die zweite Woche der mündlichen Verhandlung zur Elbvertiefung vor dem Bundesverwaltungsgericht ist in Leipzig mit einigen Besonderheiten und auch Paukenschlägen beendet worden.

Wir freuen uns erneut, Ihnen einen weiteren Bericht von der zweiten Woche in Leipzig präsentieren zu dürfen. Herr Raphael Weyland, ein Unterstützer unserer Bürgerinitiative und mit Verwaltungsgerichtsverfahren um Flussvertiefungen sehr gut vertrauter Jurist zeigt in seinem Bericht auf, was diese Woche in Leipzig so alles passiert ist.

Seinen zweiten Bericht finden Sie Protokoll von Herrn Weyland.

Entscheidung in Leipzig am 2.10.2014

Wie der Radiosender NDR 90,3 soeben veröffentlicht hat, wird das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am 2. Oktober 2014 seine Entscheidung zum Verfahren der Elbvertiefung treffen. Die mündliche Verhandlung wurde heute nach fünf Verhandlungstagen beendet. Die beiden Parteien haben ihre Schlußplädoyers gehalten.

Das Abendblatt führt noch ein paar inhaltliche Aspekte des letzten Verhandlungstages, dem Schierlingswasserfenchel und der Wasserrahmenrichtlinie, aus. Laut Abendblatt soll die Hamburger Planungsbehörde über Nacht weitere Planänderungen erstellt und dem Gericht vorgelegt haben. “Dass der Richter Rüdiger Nolte den Nachtrag und die damit verbundenen späten Änderungen des Planverfahrens überhaupt akzeptierte, ersparte den Projektträgern einen herben Rückschlag.”

Nach den befremdlichen Äußerungen des niedersächsischer Wirtschaftsministers Lies (Beitrag wurde bereits beim NDR gelöscht) am 16.07.2014 zum Standort Wilhelmshaven und zu Elbvertiefung in den vergangenen Tagen, scheint es in der Landesregierung nun wieder einen klaren Kurs zu geben. Umweltminister Stefan Wenzel hat die peinlichen Äußerungen seines Kollegens heute in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung korrigiert bzw. richtig gestellt. Diesen unseren Eindruck der Kehrtwendung unterstreicht die Pressemitteilung der BUND Kreisgruppe Cuxhaven vom 24.07.2014.