Archiv der Kategorie: Hinterlandverkehr

Olympia und Elbvertiefung

In Hamburg gibt es ein derzeit wenig geliebtes Hafenbecken: den Moldauhafen. Seine Existenz leitet sich aus dem Versailler Vertrag ab. Er wurde laut der Wikipedia in 1929 für 99 Jahre in Erbpacht an die Tschechoslowakei verpachtet. Der aus einem Staatsvertrag abgeleitete Pachtvertrag hat den zweiten Weltkrieg und den Zerfall der Tschechoslowakei überlebt. Der Hafen wird jedoch seit einigen Jahren nicht mehr genutzt und ist nahezu leer.

Nun dürfen wir auf “Port of Hamburg” lesen, dass  die “Fahrrinnenanpassung der Unter- und Außenelbe auch für die tschechische Wirtschaft von großer Bedeutung” ist.

Elbquelle1
Wappen deutscher Städte, unmittelbar an der tschechischen Elbquelle

So denken wir an den Moldauhafen, dessen Existenz durch die Hamburgischen Pläne für die Olympischen Sommerspiele 2024 laut Lagekarte aus dem Abendblatt doch sehr bedroht zu sein scheint.

Nein, es geht ja auch gar nicht um die Binnenschifffahrt, für die der Moldauhafen benötigt wird. Wir lernen aus der Pressemitteilung viele Dinge über die erfolgreiche Beziehung zwischen Hamburg und Tschechien:

  • Der tschechische seeseitige Außenhandel macht über 600.000 TEU aus, von dem über 57% über den Hamburger Hafen umgeschlagen wird, also rund 342.000 TEU.
  • Sechs Absätze weiter dürfen wir lesen, dass in 2013 im Hamburger Hafen über 213.000 TEU für den tschechischen Markt umgeschlagen wurden. Dieses seien 60 Prozent des Gesamtaufkommens Tschechiens – das wären insgesamt 323.000 TEU.

Ja, was denn nun? 600.000 oder 323.000 TEU – und wieso nicht alle Container über Hamburg?

Ist ja auch alles egal. Den Tschechen scheint die Wichtigkeit für den Hamburger Hafen vom Vorstand von “Hafen Hamburg Marketing” mit Elbvertiefung und (wegen Olympia) ohne Moldauhafen hanseatisch eingetrichtert worden zu sein. So ist es doch aus Hamburger Sicht verständlich, dass man für die Elbvertiefung über 600.000 TEU umschlägt, aber für den Moldauhafen, der ja für die Olympischen Sommerspiele benötigt wird, nur noch 213.000 TEU hat. Passt.

Also sind die Olympischen Spiele 2024 nun auch unmittelbar von der Elbvertiefung abhängig. Gut, dass wir das jetzt auch wissen…

Weitere Umschlagsthemen

Hapag-Lloyd3Nachdem sich die Marketingstrategen zu den Umschlagszahlen im Hamburger Hafen wieder etwas beruhigt haben, fragen wir uns, was andere Marktteilnehmer Qualifiziertes zur aktuellen Situation zu sagen haben.

Nach Meinung des ISL stehen die weltweiten Container-Umschlagsprognosen auf wackeligen Beinen. Im Gegensatz zu den Hamburger Hafenstrategen spricht man von einer “unsteten Entwicklung” im Umschlag und kann keine klaren Tendenzen ausmachen.

Maersk hat mit als weltgrößte Container-Reederei ein fulminantes Halbjahresergebnis eingefahren. Die DVZ berichtet. “Hohe Gewinne machte Maersk mit seiner Containerreederei, der Maersk Line, die 576 Schiffe unterhält. Größere Volumen bei gleichzeitiger Kostenreduktion hätten dazu beigetragen, die Frachtraten niedrig zu halten, hieß es in dem Bericht. Man erwarte, dass die Nachfrage nach Containerschifffahrt in diesem Jahr um vier bis fünf Prozent wachse, die Frachtraten aber aufgrund des starken Wettbewerbs unter den Druck blieben.”

Die Deutschland-Geschäftsführung von Maersk macht Ausführungen zur Konkurrenzfähigkeit von Häfen der Nordrange und stellt im Gegensatz zu den Hamburger Hafenstrategen fest, dass es neben der Elbvertiefung noch weitere Faktoren für die Attraktivität des Hamburger Hafens gibt. Und bei diese Faktoren sieht man bei Maersk Rückstände: Dieser Rückstand betreffe alle Bereiche: “Das gilt für die Abwicklung an den Terminals genauso wie die Hinterlandanbindungen und die Zuwegung.” und in den weiteren Ausführungen “Natürlich ist es für einen Reeder wichtig, dass er freie Zuwege zu einem Hafen hat. Entscheidend dafür, welche Häfen wir künftig anlaufen, ist aber in erster Linie die Konkurrenzfähigkeit insgesamt. Und da spielt die Elbvertiefung nur zum Teil eine Rolle.”

Abschließend eine weitere Welt-Kommentierung, die das Zusammenspiel zwischen den Marktteilnehmern rund um den Containertransport erläutert. Der Welt-Gastbeitrag von Herrn Prof. Dr. Straubhaar ist ein Gegenpunkt zu den Entgleisungen von Herrn Kopp.

HHLA-Zwischenbericht

2012-12-16-0250Die HHLA hat ihren Zwischenbericht für das erste Halbjahr bekanntgegeben. Die Presse schwärmt von guten Zahlen, scheint aber vergessen zu haben, sich den Zwischenbericht selbst durchzulesen.

Auch wir lesen, dass die HHLA wieder mehr Container im Hamburger Hafen umgeschlagen hat. Die HHLA hat dabei, wie vor wenigen Tagen auch Hapag-Lloyd, noch weniger Geld pro umgeschlagenen Container verdient. Im Gegensatz zu Hapag-Lloyd hat aber die HHLA die Möglichkeit auf andere Geschäftsmodelle auszuweichen. Diese hängen unmittelbar mit dem Verkehrschaos am Hafen zusammen. Lesen Sie auf Seite 10 des Zwischenberichtes der HHLA folgendes: “Durch den Rückgang der Feederquote stieg der Anteil der umsatzstärkeren Verkehre am Gesamtumschlag. Der trug dazu bei, dass die Zunahme der Umsatzerlöse mit einem Plus von 3,8% auf 374,3 Mio. € oberhalb der Mengenentwicklung lag. Zweiter wesentlicher Faktor waren die verweildauerbedingten Lagergelderlöse. Seit Anfang 2014 verzeichneten insbesondere Exportcontainer aufgrund von Schiffsverspätungen eine ungewöhnlich lange Lagerdauer, die sich auch im zweiten Quartal noch nicht wieder normalisiert hat. Die gesunkene Feederquote und die im Vorjahresvergleich erhöhten Lagergelderlöse waren auch die entscheidenden Einflussgrößen für die hohe Ergebnisdynamik des Segments Container im ersten Halbjahr 2014. Trotz Zusatzkosten infolge der zunehmenden Spitzenlasten – vor allem aufgrund von Schiffsverspätungen stieg das EBIT um 15,0% auf 79,1 Mio. € (im Vorjahr 68,6 Mio. €).

Das sind doch mal klare Worte: die “ergebnisschwache Feederei” ist nicht mehr so hoch und die Lagergelderlöse, die haben es rausgerissen. Der Senat wird stolz sein: mit dem Verkehrschaos konnte somit auch noch Geld verdient werden. Ohne Verkehrschaos wären die HHLA-Halbjahreszahlen deutlich schlechter ausgefallen.

Des Weiteren zeigt es auf, das die HHLA immer noch keine großen Schiffe mit auskömmlichen Erträgen bedienen kann. Daran scheint sich trotz aller angeblichen Bemühungen im vergangenen Halbjahr nichts geändert zu haben.

Zwischenlager Hafen

In Sachen Atommüll- und Transporte über den Hamburger Hafen hatten wir im Mai 2014 von einem neuen Geschäftsmodell für Hamburg berichtet. Es war im Mai bekannt geworden, dass u.a. 9 Container mit “Yellow Cake” im Hamburger Hafen zum Weitertransport nach Narbonne in Frankreich angelandet worden waren. In einer weiteren schriftlichen kleinen Anfrage aus dem Juli 2014 wird bekannt, dass mit dem bekannten Atomfrachter “Sheksna” weitere Fracht im Hamburger Hafen angeliefert und zwischengelagert wurde. In der Antwort des Senates zu Frage 7 wird ausdrücklich angegeben, dass vier Container mit radioaktiver Fracht nur kurze Zeit zwischengelagert und zum nächstmöglichen Termin mit der Bahn abtransportiert wurden.

Das Abendblatt berichtet heute von Bemerkenswertem. So sind die Container doch nicht abtransportiert worden und werden weiterhin im Hafen am Südwest-Terminal zwischengelagert. “Im Hafen habe der zuständige Mitarbeiter kurzfristig umdisponiert und die Container dabehalten.”, zitiert das Abendblatt.

Prima denken wir uns. Das Geschäftsmodell “Atom-Zwischenlager” ist mittlerweile so ausgereift, das Mitarbeiter dieses im Rahmen ihrer Zuständigkeiten locker entscheiden können. Ebenso, wie bei mit Bananen oder Spielzeug befüllten Containern.

Neue Töne

In der DVZ ist heute ein interessanter Beitrag zu der Komplexität bei der Abfertigung von Groß-Containerschiffen, sogenannten ULCS erschienen. Ausgehend von den Problemen in Hamburg und Rotterdam werden verschiedene Einblicke in die Terminalabfertigung und die derzeitige Organisation der Hinterlandverkehre gegeben.

Das es zu derartigen Problemen kommt ist nachvollziehbar. Zugleich ist es befremdlich, dass sich keiner der Planer von Mega-Hafenprojekten und Flussvertiefungen aus Politik und Wirtschaft und auch kein vermeintlicher Fachmann, wie z.B. ein Herr Gunther Bonz, mit diesen logistischen Herausforderungen beschäftigt haben soll. Dabei sind es doch gerade diese Personen, die uns beispielsweise mit unserer Einleitungsseite “Willkommen” für weltfremd erklären.

Wir schließen uns den Schlussworten des Herrn Helmut Frank im DVZ Beitrag an.

 

Schmuddelkinder…

Mit diesen soll man ja laut Franz-Josef Degenhardt nicht spielen… Diese Devise hat bekanntlich die Geschäftsführung von Hamburg-Hafen-Marketing (HHM), Lobbyverband des Hamburger Hafens, mit ihrem “Basta” zum aktuellen imageschädigenden Verkehrsmanagement um die Terminals ohne weiteres Nachdenken übernommen.

Aber die vermeindlichen “Schmuddelkinder” sind nicht ruhig. Vor kurzem hat sich eines dieser Kinder in der DVZ mit “Das war alles vorhersehbar” zu Wort gemeldet – lesen Sie selbst. Wir freuen uns sehr, dass es mit Herrn Rüdiger Grigoleit, Ex-Vorsitzender des Deutschen Seeverladerkomitees im BDI, noch denkende und sprechende Menschen gibt, die den archaisch anmutenden Äußerungen der Herren Axel Mattern und Ingo Egloff von HHM fundierte Kenntnisse entgegensetzen.

Mit einem “Weiter so” a la Mattern und Egloff u.a. ist den “Geistern, die Sie riefen” nicht mehr Herr zu werden. Große, möglichst noch größere Schiffe anzulocken, um noch mehr Containerumschlag zu erzeugen, scheint mittlerweile weltweit ein Problem zu werden. Globalisierung rückwärts ist wahrscheinlich zu viel – aber Nachdenken hilft, immer!

Weitere Antworten…!

Was ist los in Hamburg? Eine ungeahnte Transparenzlawine scheint auf uns zu zurollen… Internet HPAIm Detail: die Große Anfrage 20/10595 Hafenfinanzierung (III) mit dem Schwerpunkt HPA wurde ebenfalls in den Ausschuss für Wirtschaft, Innovation und Medien zur Beratung weitergeleitet. Dieser Ausschuss hat die Antworten auf die Große Anfrage vom Februar 2014 ebenfalls auf seiner Sitzung am 22.04.2014 beraten und nun drei Monate später in einer eigenen Drucksache seinen Bericht veröffentlicht.

Der Bericht bietet weiteren Diskussionsstoff um den Hamburger Hafen und seine Entwicklung und Senatsplanungen. Der Senat antwortet öffentlich u.a. zum Stand des Planfeststellungsverfahrens um die Westerweiterung, zu den Kapazitätsanforderungen von Eurogate, zur Insel Neuwerk, zu Drehkreisen und zum EU-Beihilfeverfahren in Sachen Hafenfinanzierung. Es scheint wohl doch erhebliche Risiken aus den EU-Kommissionsanfragen zu geben: “Es stehe außer Frage, dass auf den Hafen Schwierigkeiten zukommen könnten.” wird vom Senat auf striktes Nachbohren der Opposition geantwortet…
Zu den zukünftigen Finanzierungsformen hält sich der Senat bedeckt. Komisch für einen verantwortlichen “Staatsinvestor”, wenn man den exorbitanten Einführungszahlen des Berichtes glauben schenken sollte.

Auch hier bedingen wir uns Auswertungszeit aus und laden alle Leser unserer Seiten zu Ihrer Mitarbeit ein. Das Thema geht uns in Hamburg und in Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern an – wollen wir zusammen eine hauptsächlich “Hafengesteuerte Metropolregion” bilden? Bitte mailen Sie Ihre Auswertung an info@hamburg-fuer-die-elbe.de . Wir freuen uns!

Endlich Antworten…?

Sehr unscheinbar kommt der Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Innovation und Medien zur Beratung der Großen Anfrage 20/9876 “HHLHHLA-CTAA” vom Januar 2014 daher – er enthält aber für den Hamburger Hafen und die Elbvertiefung immense Sprengkraft.

Der am 21.07.2014 erstellte und am 28.07.2014 veröffentlichte Bericht nimmt Bezug auf eine am 22.04.2014 mit Herrn Peters, Vorstandsvorsitzender der HHLA AG stattgefundene Beratung des Ausschusses der Bürgerschaft. Wir erinnern, dass die Probleme am Burchardkai des HHLA-CTB-Terminals im Anschluss an diese Beratung ins Rollen gekommen ist und wir seitens des Senates seitdem kein Wort mehr gehört haben.

Das lesenswerte 21-seitige-Berichtsprotokoll mit den teilweise sehr offenen Antworten von Herrn Peters gibt nun einen Teil dieser Antworten. Wir empfehlen es jedem an dem Hamburger Hafen und dem Thema Elbvertiefung interessierten Bürger zur genauen Sichtung und Interpretation.

Wir maßen uns nicht an, diese Auswertung in wenigen Minuten vornehmen zu können. Selbstverständlich könnten wir sofort loslegen mit den ersten Äußerungen von Herrn Peters zur P3-Allianz und deren Auswirkungen auf Hamburg auf Seite 2: “Dies könne zu deutlichen Mengenverlagerungen von bis zu minus 10 Prozent führen, ohne dass darauf direkt Einfluss genommen werden könne.” Klartext: gut 0,93 Mio. TEU weniger wären mit der Umsetzung von P3 dringewesen – keiner aus Senat und HHLA hat es bis heute ausgesprochen. Kein Plan B, nichts, gar nichts.

Wir wollen diesen Bericht vernünftig auswerten. Wenn für die Erstellung des Protokolls, und der weiteren Beratung in den Bürgerschafts-Fraktionen über 3 Monate benötigt worden sind, ohne dass wir ein sterbenswort gehört haben, billigen wir uns wenigstens ein paar Tage zu.

Wir bitten alle Interessierten auf, sich an dieser Auswertung zu beteiligen. Bitte teilen Sie uns Ihr Ergebnisse per email an info@hamburg-fuer-die-elbe.de mit.

Verliert Hamburg Ladung?

Vor rund einer Woche gab die Deutsche Verkehrszeitung die Ergebnisse einer Online-Leserbefragung bekannt, in der Kunden der Hafenwirtschaft befragt wurden, ob diese aufgrund der massiven Abfertigungsprobleme im Hamburger Hafens beabsichtigen,  Ladung in andere Häfen zu verlagern. Das von der DVZ ermittelte Ergebnis wundert kaum:
“Kunden des Hamburger Hafens sind offenbar nicht länger bereit, größere Verzögerungen in den Abläufen ihrer Logistikketten hinzunehmen. 84 Prozent der Befragten gaben an, dass die aktuellen Probleme im Hamburger Hafen dazu führen, dass Ladung über andere Häfen geroutet wird. 48,4 Prozent haben bereits gewechselt und 32,5 Prozent denken darüber nach. Für 15,9 Prozent sind die Abfertigungsprobleme nur vorübergehend.”

In einem parallel veröffentlichten DVZ-Kommentar wurde das Hamburger-Gespenst der Ladungsabwanderung in andere Häfen verstärkt.  Interessant ist dabei, dass dieses “Argument” bislang nur die Gegner der Elbvertiefung zu hören bekamen. Die Entwicklung der Hamburger Umschlagszahlen beweist aber, dass die ausgebliebene Elbvertiefung keinen negativen Einfluss auf die Umschlagsentwicklung der letzten 10 Jahre gehabt hat.

So beobachten wir, dass die einstmals so einigen Befürworter der Elbvertiefung in Politik, Hafenwirtschaft und Logistik langsam beginnen, sich endlich mit den wirklichen Problemstellungen des Hamburger Hafens zu beschäftigen: den mehrere Milliarden Euro erfordernden Ausbau des Seehafenhinterlandverkehrs. Noch glaubt man in Hamburg durch einen vermeindlich “schnellen” Ausbau von Autobahnen, Bahntrassen und Brücken das Problem in den Griff zu kriegen.

Wir alle wissen, dass die jetzigen Umsetzungen z.B. an der A7 und die erforderlichen Planungen und Finanzierungen z.B. der Y-Trasse noch viele Jahre andauern werden. Eine schnelle Elbvertiefung würde bei den aktuellen Schwierigkeiten überhaupt keine Abhilfe bringen, sondern sie eher noch verstärken. Eine deutsche “Seehafenkooperation” mit einer intelligenten Verteilung der Ladung und einem gemeinsamen norddeutschen Handeln, inklusive Hamburg, ist dagegen eine schnellere, kostengünstigere und zudem umweltfreundlichere Lösung.

Soweit ist die Hamburger Politik und Hafenwirtschaft aber leider noch nicht. So zieht Hamburg-Hafen-Marketing (HHM) in einer Pressemitteilung die Aussage der DVZ “Hamburg verliert Ladung” völlig in Zweifel. Berichte zu Problemen im Hafen sind bei HHM unerwünscht – man vermisst Sensibilität! Das ist das neudeutsche Wort für “schallende Ohrfeige”.  Eine derartige Ohrfeige durfte sich HHLA-Vorstand Herr Peters Anfang Juli 2014 beim Bürgermeister abholen. Mal sehn, wer in Kürze als Nächster sensibilisiert werden wird.

Also gedulden wir uns für den sich abzeichnenden Politikwechsel noch ein wenig…

Sprachlosigkeit im Rathaus

Wir berichteten über die Abfertigungsprobleme am HHLA-Terminal Burchardkai Anfang Juli 2014 samt Zugverspätungen, Lkw-Staus, Umschlags- und Liniendienstverlagerungen etc. Das Image des Hamburger Hafen ist auf lange Zeit mächtig angeschlagen.

Zwei schriftliche kleine Anfragen zu den Ursachen und Wirkungen wurden im Juli 2014 an den Senat gestellt. Die heute öffentlich gemachten Senatsantworten zu diesen Anfragen (Drucksachen 20/12358 und 20/12373) zeigen, dass Herr Horch als Wirtschaftssenator nicht mehr Herr im Hafen ist. Er kann einfach keine Gründe nennen.

Warum kann ein Wirtschaftssenator und Mehrheitsaktionär das nicht – fragt man sich?
Die beiden kleinen Anfragen geben jeweils die Antwort: “Die in dieser Anfrage zu den betrieblichen Umständen vor Ort gestellten Fragen wurden der Hamburger Hafen und Logistik Aktiengesellschaft (HHLA) zur Beantwortung zugeleitet. Die HHLA teilte dazu mit, dass sie als börsennotierte Aktiengesellschaft aus aktienrechtlichen Gründen die Fragen aller ihrer Aktionäre einheitlich auf der jährlichen Hauptversammlung beantwortet.

Die letzte ordentliche Hauptversammlung der HHLA hat am 19. Juni 2014 stattgefunden. Pech gehabt: nun müssen Herr Horch, unsere Bürgerschaftsabgeordneten und die Öffentlichkeit ein ganzes Jahr warten, bis endlich die Ursachen für die Probleme am Burchardkai in Erfahrung gebracht und seitens der Stadt Gegenmaßnahmen ergriffen werden können. Liebe Hamburger, liebe Lkw-Fahrer und Demokraten: für die “aktienrechtlichen Gründe” der HHLA müssen sie Verständnis aufbringen und sich ein wenig gedulden.

Wir erinnern an das Interview mit Herrn Horch: “Die Situation im Hamburger Hafen ist vielschichtig. Wir haben es einmal … mit erheblichen Steigerungsraten zu tun… Aber diese Tatsache verlangt auch von uns ein in die Zukunft gerichtetes Handeln, um eben die Qualitätsmerkmale des Hamburgs Hafens, die Zuverlässigkeit des Hamburger Hafens sicherzustellen.

Hamburg ist derzeit wirklich glänzend auf die Zukunft vorbereitet: bei einem “kleinen” 7,3 Mio. TEU-Containerumschlag an den HHLA-Terminals (eigentlich sollten es 15 Mio. TEU sein) bricht der Güter-Bahnverkehr deutschlandweit zusammen. Die Gründe erfahren wir erst in einem Jahr. Aus der Antwort zu den Fragen 6 und 7 zur Drucksache 20/12373 wissen wir aber immerhin, dass neben dem Burchardkai kein anderes Hamburger Terminal einen weiteren Hapag-Lloyd-Liniendienst mehr aufnehmen kann…

Hamburger Zuschlag

Über die chaotischen Zustände im Hamburger Hafen um das Terminal am Burchardkai CTB veröffentlicht das Abendblatt weitere Details:

  • wegen der schwierigen Situation am CTB müssen Kunden der Reederei Hapag-Lloyd seit dem 09.07.2014 Verzögerungszuschläge für über CTB umgeschlagene Container bezahlen. Es wird ein Zuschlag von 190 Euro benannt.
  • Die G6-Allianz um Hapag-Lloyd hat seinen Liniendienst PA1 nach Bremerhaven verlagern müssen, da die HHLA am CTB keine Umschlagskapazitäten mehr zur Verfügung stellen kann.

Was für eine unglaubliche Situation: die Elbe soll vertieft, damit noch mehr Umschlag nach Hamburg kommen soll. Dieser Umschlag kann aber nicht abgefertigt werden, da die HHLA über keine ausreichenden Terminalkapazitäten verfügt und die Bahn- und Straßenverbindungen am zusammenbrechen sind. Hamburgs eigene Reederei Hapag-Lloyd muss Liniendienste von Hamburgs HHLA-Terminals fernhalten und nach Bremerhaven verlagern!

Zu den Kapazitätsproblemen und der Abwanderung des Dienstes PA1 fragt eine schriftliche kleine Anfrage in der Bürgerschaft nach.

Rekorde und die Folgen

Das Abendblatt verkündet weitere Umschlagsrekorde für April und auch Mai 2014 im Hamburger Hafen.

Erstmalig werden die durch den desolaten Zustand der Infrastruktur hervorgerufenen chaotischen Bedingungen im Hafen in einen Bezug zur geplanten Elbvertiefung gestellt: “Hafen ist auf sein Wachstum gar nicht richtig vorbereitet.”
Reichen die Straßen, Bahnverbindungen, Terminalkapazitäten aber auch Beschäftigungsbedingungen an den Terminals aus, um das geplante Ladungswachstum zu bewältigen? Die Kostenfrage und die Belastungen für die Bevölkerung werden noch nicht erörtert…

Nebenbei erfahren wir, dass Herr Grube zum Krisengipfel mit Bürgermeister Scholz zwei weitere Kollegen aus Geschäftsführungen von Tochterunternehmen des Bahnkonzerns mitbringen wird. Auch ein Vertreter der besonders vom Umschlagschaos betroffenen Reederei, der Hamburg-Süd, soll teilnehmen. Hamburg-Süd? Da war doch was…!

Zudem versucht eine weitere schriftliche kleine Anfrage die Ursachen und insbesondere die Auswirkungen des Chaos zu ergründen.

Krisengipfel mit Herrn Grube

Der Krisengipfel zu den “massiven” Abfertigungsprobleme im Hamburger Hafen hat mit Herrn Dr. Rüdiger Grube, Vorstandschef der Deutschen Bahn, einen weiteren prominenten Teilnehmer. Der eingetretene Schaden muss immens sein!

Als Ursache für den Containerstau auf Lkw und Bahn wird weiterhin ein Bummelstreik von CTB-Mitarbeitern am Waltershofer Terminal angeführt. Ein neues seit Jahresbeginn gültiges Lohnmodell soll die Unzufriedenheit hervorgerufen haben – warum hört man dann aber keinen Ton von der Gewerkschaft verdi, zumindest dem zuständigen Fachbereich 11 oder dem sonst in Sachen Hafen sehr aktiven DGB Landesbezirk Nordmark? Warum herrscht hier Grabesstille, wenn man sich an den langschwelenden Tarifstreit damals und aktuell erinnert? Sollte am alten Tarifsystem doch nicht alles antiquiert sein?

Eine schriftliche kleine Anfrage in der Bürgerschaft will vom Mehrheitseigentümer des HHLA-Terminals CTB in Waltershof, dem Senat, weitere Informationen erhalten. Vielleicht erfährt man in der Antwort zu den Fragen 8 und 9, wie fest der Schulterschluss zwischen Hafenwirtschaft, Senat und Gewerkschaft in Sachen Hafen- aber auch Elbvertiefungspolitik ist.

An dieser Stelle möchten wir an unseren Beitrag “Willkommen” erinnern, der auch auf die Arbeitssituation in den Häfen Bezug nimmt sowie unseren Gastbeitrag “150.000 Jobs in Gefahr” von Herrn Dr. Specht verweisen.

PS: Wie im Mai 2014 berichtet, hatte Hapag-Lloyd aufgrund der Probleme im Hamburger Hafen angekündigt, einen Liniendienst von Hamburg nach Bremerhaven verlegen zu müssen. Dieses scheint nun am 8.7.2014 erfolgt zu sein – der G6-Allianzpartner von Hapag-Lloyd, die Reederei NYK, hat heute mit der “NYK Meteor” den Startschuss für die angekündigte Verlagerung des Liniendienstes PA1 vollzogen.

Blasenbildung

Seit Jahresbeginn brodelt es an den staatlichen HHLA-Terminals, insbesondere am CTB-Burchardkai um den stockenden An- und Abtransport von Containern:

  • Im Januar und Februar 2014 sind es die schwierigen Wetterverhältnisse auf den Meeren, die durch verspätete Schiffsanläufe zu Verzögerungen im Umschlag führten.
  • Im März und April 2014 kommen dann die Befahrbarkeits-Einschränkungen an der Argentinien- und Köhlbrandbrücke hinzu, die zu Verzögerungen beim Lkw-Anfahrten zu den Terminals führten.
  • Im Mai 2014 wird mit dem Beginn der Bauarbeiten an der nördlichen A7 auch das seit Monaten kursierende Gerücht über Unzulänglichkeiten am CTB öffentlich.
  • Ende Juni 2014 wird aus Verzweiflung über die Verkehrssituation an den Terminals eine Verkürzung des  Sonntagsfahrverbotes für Lkw auf 18 Uhr diskutiert. Zuvor war auf dem 2. Verkehrsdialog wenig Konkretes herausgekommen.

Dann bricht Anfang Juli 2014 ein Sturm los: “Spediteure fürchten Kollaps im Hafen“. Nicht nur der Lkw-Verkehr ist nahezu zum Erliegen zu kommen – die Hafenbahn in Hamburg steht und zieht deutschlandweit Bahn-Verspätungen nach sich. Als Folge der massiven Abfertigungsprobleme zitiert der Wirtschaftssenator Frank Horch den HHLA-Vorstandschef Klaus-Dieter Peters in das Hamburger Rathaus.

Das Ergebnis des Rapports beim Bürgermeister kennen wir nicht. Laut NDR 90,3  soll die HHLA für die Probleme sensibilisiert (neudeutsch; schallende Ohrfeige!) worden sein und Herr Peters nun einen Aktionsplan vorlegen.

Die Diskussion zeigt auf, wie fragil die Gesamtsituation für Hamburg und mittlerweile Deutschlands ist. Im Hamburger Rathaus scheint man die Ursachen der desolaten Situation nicht zu kennen, und lässt erst jetzt, ein halbes Jahr nach der Veröffentlichung der o.a. Probleme einen Aktions-Plan (keinen Plan!) erstellen. Parallel ruft der Senat weiterhin lautstark nach der Elbvertiefung, die nach Senatsplänen zu einer Verdoppelung des jetzigen Containerumschlages führen soll und teilt der Öffentlichkeit nebenbei mit, dass Hamburg noch weitere 100 Mio. Euro für die Elbvertiefung im Haushalt eingeplant hat.

Der Hamburgische Senat scheint diese Blasenbildung um die Themen Elbvertiefung, Containerumschlag, Hinterlandverkehr und Hapag-Lloyd nicht wahrzunehmen – wann wird er endlich aufwachen?

Was ist los bei HHLA-CTB?

Dass es beim Betrieb der HHLA nicht rund läuft, war in den vergangenen Wochen vielfach zu lesen. Viele Gründe wurden genannt, die dem geneigten Leser für einen bedeutenden Hafen, wie dem Hamburger Hafen, als weit hergeholt erschienen. Mal lag die Ursache in den Halden an Leercontainern samt Wartezeiten der LKW-Spediteure, dann im schlechten Seewetter, das die unter Kostendruck extrem spritsparend fahrenden Groß-Containerschiffe verspätet in Hamburg erschienen liess oder in den zahlreichen Baustellen und Fahrbeschränkungen an der A7, der Köhlbrand- und Argentinienbrücke und Umgehungsstraßen.

Das Abendblatt hat heute zwei Artikel und einen Kommentar veröffentlicht, die die seit Monaten schwelenden Probleme im Hamburger Hafen umfänglich erläutern.

  • “Die Autobahn 7 wird mehr und mehr zum Nadelöhr. Jetzt müssen schon Lastkraftwagen die Trasse als Parkplatz nutzen. Der Grund: Am Burchardkai stockt die Abfertigung, klagen Spediteure.”
  • Die Probleme werden im zweiten Artikel präzisiert: “Marode Zu- und Abfahrtswege, verspätete Schiffsanläufe sowie angeblich unmotivierte Beschäftigte sorgen für Streit am Burchardkai. Hier konzentriert sich der Druck so stark wie nirgends sonst im Hafen.” Von einem Machtkampf wird gesprochen.
  • Über den Kommentar “HHLA und der wirtschaftspolitische Irrsinn” wird ein Bezug zur Senatspolitik um Hapag-Lloyd hergestellt. Der Leser erfährt, dass die Lage um die Infrastruktur im Hamburger Hafen derart desolat ist, dass Hapag-Lloyd einen Liniendienst von Hamburg nach Bremerhaven verlegen muss.

Wie ist es möglich, dass in dem Hafen, der in 2013 rund 9,3 Mio. TEU umgeschlagen hat und laut langfristiger Senatsprognosen dieses Jahr hätte rund 15 Mio. TEU umschlagen sollen, ein derartiges Chaos herrscht? Wo sind Lösungen bzw. Antworten des Hamburger Senates, der Grundeigentümer aller Hafenflächen und zugleich Eigentümer der größten Hamburger Terminals und zudem der Mehrheitseigentümer von Hapag-Lloyd ist, zu finden?

Wir haben bislang keine Antworten gehört. Auch Senats-Lösungen sind uns unbekannt. Wir können aber feststellen, dass in den vorgenannten Artikeln im Hamburger Abendblatt nicht einmal das Wort “Elbvertiefung” zu lesen war. Und das hat seinen Grund: Wir brauchen diese Elbvertiefung einfach nicht!