Hamburger Experten…?

In Interviewform berichtet das Hamburger Abenblatt vom 24.01.2014 von einem Hamburger Hafengipfel zur Zukunft des Hamburger Hafen mit 6 maritimen Experten.

Der erste Experte, Michael Behrendt, eröffnet zur Wichtigkeit der Elbvertiefung: “Ich halte nichts von dem Begriff Elbvertiefung. Er führt in die Irre. Wir reden von einer Fahrrinnenanpassung. Neben der Vertiefung geht es nämlich vor allem um eine Verbreiterung, und die ist unverzichtbar. Auf der Elbe können sich derzeit maximal zwei 45 Meter breite Schiffe begegnen. Die großen Containerschiffe sind aber 48 Meter breit.”

Leser dieser Antwort reiben sich verwundert die Augen. Sie wissen, dass sich aufgrund der Seeschifffahrtsstraßen-Ordnung Schiffe in der Fahrrinne zwischen Glückstadt und Hamburg nur begegnen dürfen, wenn die addierten Breiten der beiden Schiffe nicht mehr als 90 Meter ausmachen. Aus den Planfeststellungsunterlagen zur Elbvertiefung wissen sie, dass sich an dieser Verkehrsregelung nicht viel ändern kann: “Von der Außenelbe stromaufwärts bis zur Kurve vor der Störmündung bleibt die heute vorhandene Regelbreite von 400 m unverändert. Von der Störkurve bis zur Lühekurve wird die Regelbreite von 300 auf 320 m vergrößert. Durch diese Verbreiterung um 20 m werden Begegnungen der Bemessungsschiffe untereinander möglich (addierte Schiffsbreite: 92 m).” [1] Es ändert sich durch die Elbvertiefung an diesem Sachverhalt so gut wie nichts.

Die Leser reiben sich beim zweiten Experten, Gunther Bonz, der dem ersten Experten zur Hilfe eilt, nochmals die Augen: “Ich kann das mit einem Beispiel unterlegen. Wir hatten ein besonders großes Containerschiff im vergangenen Jahr an einem Terminal im Hamburger Hafen, das unbedingt die Tide erwischen musste, weil es unter Termindruck stand. Das Schiff wurde sehr schnell beladen, konnte dann aber nicht sofort raus, weil ihm ein sehr breiter Massengutfrachter entgegenkam. Um seinen Termin dennoch zu halten, entschied sich der Kunde, einen Teil der Ladung wieder abzuladen, damit das Schiff leichter wird und trotz ungünstiger Tideverhältnisse auslaufen kann… Was ich damit sagen will: Die Behinderung durch die fehlende Elbvertiefung nimmt inzwischen absurde Züge an. Das geht auf Dauer nicht gut.”

Die Leser treffen bei dem vorgenannten Beispiel zwei Annahmen: mit dem “besonders großen Containerschiff” sei die “Marco Polo” mit 56,40 Metern Breite und mit dem “sehr breiten Massengutfrachter” die “Magdalena Oldendorff” mit 50 Metern Breite gemeint. Der Leser addiert die Breiten der beiden Schiffe zu 106,40 Metern, was deutlich mehr ist als die durch die anstehende Elbvertiefung zu erzielende maximale Begegnungsbreite von 92 Metern.

Die Leser denken weiter: warum spricht der erste Experte, der als Chef des Aufsichtsrates der größten deutschen Reederei auch für sechs Schiffe mit 48 Meter Breite verantwortlich ist, von einer Irreführung beim Wort Elbvertiefung, wenn er zugleich Kenntnis davon hat, dass mit dem “Fahrrinnenausbau” nahezu ausschließlich Vertiefungen geplant wurden und bei den geplanten geringen Fahrrinnenverbreiterungen sich seine sechs Schiffe weiterhin niemals auf der Elbe begegnen werden dürfen?[2]

Warum spricht der zweite Experte von einer Behinderung durch die fehlende Elbvertiefung die absurde Züge annimmt und führt ein Problembeispiel an, das durch die Elbvertiefung niemals geheilt werden könnte? Er müsste es doch als Chefplaner der Elbvertiefung genau wissen?[3]

Warum fragen die Redakteure des Hamburger Abendblattes bei derartige Antworten nicht nach? Sollten Sie die Zusammenhänge etwa nicht kennen?


[1] Projektbüro Fahrrinnenanpassung, “Fahrrinnenanpassung Unter- und Außenelbe”, Hamburg 2006, Seite 11.
[2] Hapag-Lloyd AG, “Hamburg Express“, Hamburg 2013, Seite 16 in Verbindung mit “Hapag-Lloyd Schiffe“, hier Schiffe mit mehr als 10.000 TEU.
[3] Hamburgische Bürgerschaft, Schriftliche Kleine Anfrage “Staatsrat a.D. Bonz und seine Fehlplanungen”, Drucksache 20/5277