Reederei-Aussichten

Das Hamburger Abendblatt führte ein ausführliches Interview mit Ottmar Gast, Geschäftsführer der Hamburg Süd-Reederei.HamburgSüd2

Ausgehend von einer Äußerung Ottmar Gast’s während seiner Rede auf der Jahresmitgliederversammlung des ZDS (wir berichteten) werden verschiedene Aspekte der Marktsituation von Reedereien angesprochen. Haben wir in unserem letzten Bericht allerdings noch „gewertet“, dass Herr Ottmar Gast klare Worte spricht, stellen wir in diesem Interview viele Auslassungen und Ungereimtheiten fest.

Auf die Frage „Sie sagten neulich, die Schifffahrtskrise dauere inzwischen so lange, sie werde gar nicht mehr als Krise wahrgenommen, sondern als Normalzustand. Wie wird sich das künftig entwickeln?“ geht er gar nicht ein. Er antwortet mit Ausführungen zu Treibstoffpreisen, die im Moment günstigere Betriebsergebnisse erwarten lassen.

Interessant sind allerdings seine Ausführungen zum Slow Steaming, mit dem der Treibstoffverbrauch vor allem der ULCS (Ultra Large Container Ship) in Grenzen gehalten werden soll. Selbst bei günstigeren Marktbedingungen (Treibstoffkosten, Containermengen) könnten die Schiffe nicht schneller fahren, es müssten mehr Schiffe eingesetzt werden, um Zeitpläne einzuhalten und evtl. steigende Warenmengen transportieren zu können.
Mit anderen Worten: Wir werden durch die ULCS nicht weniger Schiffe und Umweltbelastungen erwarten können, sondern mehr!

Nun geht es weiter mit widersprüchlichen Antworten:
Wenn mehr Schiffe eingesetzt werden müssten, stellt sich die Frage, ob die Überkapazitäten sich erhöhen. Herr Ottmar Gast antwortet, dass es kaum Überkapazitäten gäbe, lediglich 1,7 % der Containerschiffe lägen auf. Das sei beinahe Vollbeschäftigung.Das Problem ist aber die zu geringe Auslastung der eingesetzten Schiffe. Deshalb hält der Druck auf die Frachtraten an.“
Häh?! Ist denn eine Minderauslastung der Containerschiffe keine Überkapazität?

Der nächste Fragenkomplex dreht sich um „Überlebensstrategien“ von Reedereien. Herr Gast beantwortet diese mit dem Trend zu weiteren Fusionen, Allianzen und Kooperationen, ein Thema, über das wir auch schon mehrfach berichtet haben. Letztlich haben die großen Reedereien die geringsten relativen Verwaltungs- und Organisationskosten und können somit die Preise bestimmen und die derzeit zu niedrigen Frachtraten leichter kompensieren. Das verstärkt sich natürlich, wenn sich die zwei größten Reedereien auch noch über eine „2M“-Kooperation zusammen tun. Herr Gast bestätigt, dass die Allianzen (2M, G6, Ocean 3, CKHYE) die Ost-West-Verkehre, also Asien – Europa, beherrschen. Alle Reedereien müssen sehen, dass sie sich Allianzen anschließen bzw. Kooperationen eingehen, wie beispielsweise Hamburg Süd mit der Ocean 3-Allianz und der Fusion mit CCNI. Der neueste Alphaliner-Newletter bestätigt diese Einschätzung!
Das bedeutet in der Konsequenz doch ein massives Reedereien-Sterben und damit verbunden eine Arbeitsplatzvernichtung, mindestens bei den Seeleuten, aber sicherlich auch in den Häfen, denn mehr Kooperationen/Allianzen bedeuten weniger Schiffsanläufe.

Übrigens: Entgegen der Erwartungen aus der Artikelüberschrift gibt es nur noch zwei Fragen und kurze Antworten am Schluss des gedruckten Interviews, die sich mit der Elbe und dem Hamburger Hafen befassen: Das Thema „Elbvertiefung“ handelt Herr Gast mit 12 Worten ab. Danach kritisiert er die (vermeintlich) hohe Kosten im Umschlag im Hamburger Hafen sowie die fehlende Durchfahrtshöhe der Köhlbrandbrücke. Zum Abschluss gibt es aber noch ein Lob für die Abfertigungsqualität im Hamburger Hafen.

Lieber Herr Gast, bitte bewahren Sie sich als Unabhängiger der sehr filzig anmutenden Hamburger Hafenszene (denken Sie an das UVHH-Dementi zu den Kosten auf Hamburg1) Ihre bislang klaren und verständlichen Worte. Wir Hamburger brauchen zum Aufwachen mehr als sparsame Worte. Das mit den Überkapazitäten, die keine sein sollen, kriegen wir mit Ihren wenigen Ausführungen so nicht in unsere Köpfe.