Gefahren großer Schiffe

Am 17. Juni 2013 bricht im Indischen Ozean, 200 km vor der Küste, ein Post-Panamax-Containerschiff mittig auseinander. Die Beatzung muss das Schiff aufgeben, wird glücklicherweise gerettet. Die zwei Schiffsteile treiben tagelang umher. Nach fast 2 Wochen sinkt der hintere Teil mit 1.700 Containern und 1.500 Tonnen Treibstoff. Der vordere Teil kann in einen Hafen geschleppt werden.

Das Schiff ist die „MOL Comfort“, 316 m lang und 45,60 m breit, 8110 TEU Fassungsvermögen. Wie heute üblich hatte das Schiff eine Doppelhülle, die Bordwände waren in der Mitte jeweils 6-7 mm dick, ein „Standardmaß“ bei dieser Schiffsgröße. 4 Schiffswände dieser Stärke sind zeitgleich gebrochen. Bei der Havarie war sie gerade einmal 5 Jahre alt.[1]

Belastungsmomente im Sturm
Stellen Sie sich ein Schiff im Sturm vor. Die Wellenberge kommen genau von vorn. Das Schiff wird von der anlaufenden Welle vorn angehoben, das Heck liegt noch auf dem vorher gegangenen Wellenberg und die Mitte hängt durch. Die Welle läuft weiter, erreicht nun die Schiffsmitte. Nun hängen Bug und Heck, liegen tiefer. Bei diesem abwechselnden Durchhängen und Buckeln verformt sich der Rumpf im Meterbereich. Treffen die Wellen schräg auf das Schiff, verdrehen sich Bug und Heck gegeneinander, so, als wenn Sie einen Lappen auswringen.

Das sind immense Kräfte, die auf den Rumpf eines Schiffes treffen, wie Sie sich jetzt vielleicht vorstellen können. Diese sind beim Schiffsbau daher unbedingt zu berechnen und berücksichtigen. Havarien in Form von Auseinanderbrechen von Schiffen haben daher immer mit dem verarbeiteten Material, der Bemessung von stark strapazierten Bereichen und dem Alter des Schiffes zu tun.

Materialeinsatz im Großschiffsbau
Wie schon eingangs gesagt, die „MOL Comfort“ war noch nicht alt. Allerdings war sie aus einem erstmalig in 2007 eingesetzten hochfestem Stahl gefertigt, YP47.

YP47 ist eine „Geheimrezeptur“ von Nippon Steel und Mitsubishi Heavy Industries, deren chemische Zusammensetzung nicht bekannt ist. Hochfeste Stahle kommen beim Bau der neuen Großcontainerschiffe zum Einsatz, damit die Bleche bei zunehmender Rumpfgröße dünner werden können, Gewicht und Material gespart werden kann. Sie müssen unter bestimmten Temperaturbedingungen verarbeitet werden – Vorwärmen des Stahls auf eine bestimmte Temperatur, Schweißen, dann genau bemessene Zeit des Abkühlens.

Möglicherweise wurden diese besonderen Verarbeitungsvorschriften nicht eingehalten und haben das Auseinanderbrechen des Schiffes verursacht.

Beladungsprobleme
Bis heute werden Container vor dem Laden auf Schiffe nicht auf ihr tatsächliches Gewicht überprüft. Es gibt lediglich Ladungspapiere und die Stauer müssen auf diese Angaben vertrauen. Nicht selten stellt man aber fest, dass die Angaben nicht stimmen und Schiffe deutlich überladen sind.

Die Kontrolle eines Schiffsoffiziers vor dem Ablegen, ob die Ladelinien am Vorschiff und Heck eingehalten sind, reichen definitiv nicht aus. Welche Container sind die zu schweren, wo sind sie gelagert? Sollen jetzt alle wieder ausgeladen und nachgewogen werden? Stellen Sie sich einen solchen Vorgang bei den Megaboxern mit einem Ladevolumen von 16.000 TEU und mehr vor. Glauben Sie, dass die Beladung wieder rückgängig gemacht wird?

Hier liegt die nächste mögliche Ursache für die Havarie. Ein zu hohes Gewicht,  ungleichmäßig verteilt und dann noch die zuvor beschriebenen Belastungen des Schiffsrumpfs bei Sturm. Das kann auch dem besten hochfesten Stahl den Garaus machen.

Was hat das mit der Elbvertiefung zu tun?
Schiffe in der Bauweise der „MOL Comfort“ befahren unsere Elbe. Unser Fluss soll vertieft und die Fahrrinne aufgeweitet werden, damit die Megaboxer weitgehend tideunabhängig und in möglichst großer Zahl den Weg nach Hamburg nehmen können.

Doch auch unsere Elbe hat so ihre „Tücken“: starken groben Wellengang im Mündungsbereich bis Brunsbüttel bei Wind gegen Tide, eine begrenzte Breite der Fahrrinne und sich immer wieder bildende Untiefen durch Sedimentation und Tidal Pumping. Starker Wind kann die großen Schiffe auf die Böschung drücken, wenn sie ihre Fahrtgeschwindigkeit einschränken müssen oder falls es einen Maschinenschaden gibt. Sollte ihr Rumpf vorher im Sturm bereits angegriffen worden sein, ist ein Auseinanderbrechen auch auf der Elbe vorstellbar. Abgesehen von einer langfristigen Behinderung der Schifffahrt, sind die zu erwartenden ökologischen Folgen durch austretenden Treibstoff für unsere Elbe und ihre Anwohner verheerend.



[1] Zu dieser Havarie und vorher gegangen hat die FAZ einen interessanten Artikel veröffentlicht: „Auseinanderbrechende Schiffe – Der Sturm gibt ihnen den Rest“, 01.07.2013