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Havariebericht CSCL Indian Ocean

CSCL-Indian-Ocean-Havarie-DDass große Containerschiffe havarieren können, ist für uns an der Elbe nichts Ungewöhnliches mehr. Bislang sind wir mit einem blauen Auge davon gekommen. Über die Fehlerursachen gelang so gut wie nichts über Untersuchungsberichte an die Öffentlichkeit. Die Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU) stufte die Havarien z.B. der “YM Wish“, der “NYK Olympus” oder der  “Choapa Trader” regelmäßig als “einfache Seeunfälle” ein, so dass keine Berichte publiziert werden mussten. Die Havarie der “CSCL Indian Ocean” wurde als ein “Schwerer Seeunfall” klassifiziert, so dass ein Untersuchungsbericht durch die BSU veröffentlicht werden muss.

Am 14.10.2016 hat die BSU diesen  Bericht mit einer kurzen Pressemitteilung publiziert. Der Untersuchungsbericht zum Festkommen der “CSCL Indian Ocean” auf der Elbe vor Grünendeich am 03.02.2016 umfasst 33 Seiten und wurde anscheinend nur vom NDR gelesen – beim Hamburger Abendblatt finden wir ein Notizchen. Diese mediale Resonanz ist im Verhältnis zum Zeitpunkt der Havarie von Anfang Februar 2016, über die aus allen Rohren und Kanälen berichtet wurde, erstaunlich. Warum interessiert das keinen Journalisten mehr, zumal wenn man erstmalig offiziell mehr darüber erfahren kann, wie derartige Blackouts an Maschine oder Ruder zu Stande kommen?

Doch zum Bericht selbst. In diesem wird der Havarieablauf samt  Versuchen zur Befreiung des Schiffes umfangreich beschrieben. Alles wirkt dabei minutiös aufgenommen, so dass man große Genauigkeit unterstellen mag.

Schon zu Beginn des Berichtes finden wir in der Zusammenfassung auf Seite 5, letzter Satz das Ergebnis “Diese Unfalluntersuchung brachte zutage, dass ein zusätzlich eingebautes Sicherheitssystem, die SAFEMATIC, so falsch installiert war, dass es bei Aktivierung die Ruderanlage blockierte.” Ein Sicherheitssystem soll bei einem Riesenschiff der neuesten Generation, das gerade in den Dienst gestellt wurde, falsch installiert worden sein und keiner merkt etwas? Doch es kommt noch doller.

Ab Berichtsseite 19, Kapitel 3.3.2.2 erfahren wir dann etwas über das Ausmaß der Fehlinstallation. Zunächst lesen wir von zwei gravierenden Fehlinstallationen an der Ruderanlage, wovon eine einen groben Verstöße gegen die SOLAS- Schiffsicherheitskonvention darstellt.

  • Die vier autarken und redundant ausgelegten Hydrauliksysteme des Ruders wurden  zusammengeschaltet. Die BSU umschreibt dieses mit ungewöhnlich, die wir nicht erkennen können. Zur Präzisierung dieser BSU-Auffälligkeit hätten wir uns gewünscht, dass geprüft worden wäre, ob durch den Ausfall eines Masters der jeweilige Slave in Funktion bleibt.
  • Einen Absatz weiter lesen wir: “Eine zweite Auffälligkeit wurde in der sog. Hydraulik-Locking-Installation (HL) gefunden. HL ist eine Anforderung von SOLAS zur Feststellung von Abweichungen zwischen dem gegebenen Ruder und der aktuellen Bewegung des Ruders. Es wurde festgestellt, dass alle Kabel, die in einem Schaltschrank endeten, dort nicht weiter geführt wurden.” Mit anderen Worten: auf der Brücke des Containerriesen gab es keine Kenntnis, ob das Ruder wirklich das tut, was die Schiffsführung befehligt hat.

Diese erschreckend zu lesenden Passagen über die SOLAS-Verstöße enden in der BSU-Bewertung: “Beide Auffälligkeiten hatten aber keinen Einfluss auf diesen Seeunfall. Die Ruderanlage an sich arbeitete fehlerfrei.

Der eigentliche Fehler soll in einem weiteren Sicherheitssystem, das nicht von der SOLAS-Konvention gefordert ist, aufgetreten sein: die Safematic. “Die SAFEMATIC ist ein nicht vorgeschriebenes zusätzliches System innerhalb der Ruderanlage, das im Falle einer Leckage im Hydrauliksystem der Ruderanlage dafür sorgt, dass das Ruder weiter genutzt werden kann.” Und diese war ebenfalls falsch installiert: Von der BSU “…wurde erkannt, dass die SAFEMATIC so falsch geschaltet war, dass nicht nur der vorgesehene Hydraulikzylinder Nummer 2 angesteuert wurde, sondern auch Hydraulikzylinder Nummer 4. Dieser unglücklicherweise so, dass beide Zylinder gleichzeitig in dieselbe Richtung auf den Ruderschaft drückten. Das Ruder konnte sich so nicht drehen. Die Belastung für die Befestigung des Ruders war enorm. … Im dazugehörenden Schaltschrank konnte dann der Fehler in der Anschlussleiste … festgestellt werden, der dazu führte, dass zwei Ventile falsch geschaltet wurden.”

Aber auch hier wird von der BSU keine eindeutige Fehlerursache gefunden: “Es wurde keine andere Möglichkeit gefunden als die einer zufälligen Fehlfunktion des Schwimmerschalters.” Und so finden wir auf Seite 28 unter der Überschrift “4. Auswertung” “Allerdings hätte weder die falsche Verkabelung noch das zufällige Auslösen des Schwimmerschalters allein das Ruderversagen verursacht. Nur die Verkettung dieser Fehler führte dazu.

Auch die Auswertung des Voyage Data Recorder (VDR), die von Flugzeugen bekannte Black Box für Schiffe, scheint im Falle der Havarie der CSCL Indian Ocean nicht weiter geholfen zu haben. Auf Berichtsseite 31 lesen wir in den Schlussfolgerungen: “Dafür werden im Voyage Data Recorder (VDR) nicht detailliert genug Daten gespeichert. Auch die Fehlerlogs der Maschinenraum-Computer zeigten keine Ursache an. Es wurde ebenfalls nicht aufgezeichnet, ob die Schiffsführung mit dem Ausfall der Ruderanlage versuchte, diese mittels der vorgeschriebenen Redundanzen zu reaktivieren.” Insbesondere letzterer Satz macht uns stutzig – wurde das nicht weiter untersucht?

Der anfängliche Eindruck der großen Genauigkeit des Berichtes relativiert sich. Zu viele Fragen und Wirkungsketten bleiben offen:

  • Die Wirkungsweise und die Ansteuerung der Hydraulikventile der Safematic wird nicht beschrieben.
  • Es wird nicht berichtet, ob eine induktive Einstörung z.B. durch andere Bordausrüstung möglich war und gegebenenfalls noch vorhanden ist.
  • Ebenso ist nicht erkennbar, ob die Anlage über einen Rechner gesteuert wird, die bekannterweise Betriebsstörungen verursachen oder erleiden können.
  • Was hat sich der VDR von den Brückengesprächen tatsächlich aufgezeigt.

CSCL-Indian-Ocean-HeckAber auch der vielgerühmte Schiffs-TÜV, d.h. die Klassifikationsgesellschaft des Flaggenstaates, findet im BSU-Bericht keine Erwähnung: In der Praxis zeigt sich immer wieder, dass die Flaggenstaaten die mit den Prüfungen beauftragten Institute nicht ausreichend kontrollieren. Haben der BSU für die Untersuchung der Havarie die internationalen Zeugnisse des Schiffes, insbesondere über die ausreichende Ausrüstung und deren Zustand in aktueller Version vorgelegen und wurden die Besichtigungsprotokolle eingesehen? Kein Wort der Erwähnung, ob diese Dokumente vorgelegen haben und was in diesen zur Ruderanlage, zur Safematic und dem VDR protokolliert worden ist. So bleiben auch hier Fragen:

  • Die Ausrüstung mit zugelassenen Ruderanlagen ist genauso vorgeschrieben wie die Ausrüstung mit zugelassenen VDR. Der Flaggenstaat hat nach SOLAS einen „Initial Survey“ vor der Zeugniserteilung durchzuführen. Dieser besteht aus einer Planprüfung und einer Erprobung.  Die Safematic als Zusatzausrüstung darf nach SOLAS die vorgeschriebene Ausrüstung nicht in der Betriebssicherheit und in der Wirksamkeit beeinträchtigen. Die Prüfung der Pläne muss die zusätzliche Ausrüstung mit der Safematic beschreiben. Was steht da? Ist die fehlerhaft installierte Anlage etwa abgenommen worden? Von wem?
  • Die Ruderanlage wird bei der Werftprobefahrt geprüft. Bei der technischen Erprobung, die dokumentiert wird, werden auch Notfälle simuliert, mit denen das automatisierte Einschalten der redundanten Ausfallsysteme erprobt wird. Auch der Anschluss der Ruderanlage an den VDR wird im Plan und in der Praxis erprobt. Wurde in den Reports über den „Initial Survey“ die von der BSU festgestellten Mängel an der Ruderanlage (Master/Slave-Schaltung der Hydraulikanlagen, Ende der Verkabelung der “Hydraulik-Locking-Installation” in einem Schaltschrank, statt auf der Brücke) dokumentiert? Wenn ja, welche Auflagen wurden der Reederei für den Betrieb gemacht?
  • Wurde der kabelsparend installierte Ruderanlagenanzeiger auf der Brücke etwa verbotener Weise durch die Rückmelder der Selbststeueranlage gespeist? Gibt es hier Protokolleinträge? Oder ist die CSCL Indian Ocean wirklich ohne diesen Anzeiger über die Weltmeere gefahren?

Es gibt noch eine Vielzahl weiterer offener Fragen zu dem BSU-Bericht, mit denen wir Sie hier nicht langweilen wollen. Zum Fazit des BSU-Berichtes wollen wir aber noch zwei wesentliche Anmerkung machen.

  1. Die BSU stellt fest: “Daher soll betont werden, dass sich dieser Seeunfall nicht aufgrund der Größe des Schiffes ereignete, sondern auf der fehlerhaften Installation…”Hier wird intendiert, dass der Fehler unabhängig von der Schiffsgröße vorgekommen ist. Dieses mag, trotz der unvollständigen Berichtsangaben, richtig sein. Wir weisen aber, wie es unsere Mitstreiter im Regionalen Bündnis schon seit Jahren tun, an dieser Stelle darauf hin, dass ein derartig gravierender Fehler bei Riesenschiffen in einem engen schmalen Fahrwasser wie der Elbe wesentlich dramatischere Auswirkungen haben kann, als bei einem kleinen Feeder! Und an dieser Havariegefahr wird sich auch durch die geplante Elbvertiefung insbesondere im Gewässerabschnitt zwischen Störkurve und Hamburg nicht ändern. Die Fahrwasserbreite für die 400 m langen Riesen wird lediglich um 20 m erweitert.
  2. Für die Bergung der CSCL INDIAN OCEAN wurde es nicht erforderlich, Container zu
    löschen, um den Tiefgang weiter zu verringern. Sollte dies in einem ähnlichen Fall
    notwendig werden, ist zu bedenken, dass es in Europa bislang nur einen
    Schwimmkran gibt, der die erforderliche Arbeitshöhe erreicht, um Container aus
    dieser überdurchschnittlichen Höhe zu löschen.”  lesen wir in den Schlussfolgerungen auf Berichtseite 31. In den unmittelbar folgenden Sicherheitsempfehlungen finden wir die Bundesregierung als Adressaten: “Die Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung empfiehlt dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, die bestehenden Fachkonzepte zur Thematik „Havarien von Großcontainerschiffen“ ständig weiter zu entwickeln, insbesondere den Schwerpunkt: Löschen von Containern aus einer überdurchschnittlichen Höhe.

Warum Hamburg für seine Delegationsstrecke in diese Empfehlung nicht mit einbezogen worden ist, ist uns ein Rätsel. Eine derartige Havarie kann jederzeit auf der Delegationsstrecke zwischen der Landesgrenze bei Tinsdal und Finkenwerder stattfinden.

Kackfrech…

CSCL-Indian-Ocean-Havarie-DIm Hamburger Hafenblatt ist zu lesen, dass die “Havarie der “Indian Ocean” noch immer nicht aufgeklärt” sei. Dass die Untersuchungen der zuständigen Bundesstelle für Seeunfalluntersuchungen (BSU) bei einer derartigen Havarie nicht so schnell gehen würde, wundert nur Hafenblatt-Redakteure: ein unter der Flagge Hong Kongs fahrendes nigelnagelneues Containerschiff der größten Generation, das von einer chinesischen Staatsreederei bereedert wird und das dann noch in deutschen Hoheitsgewässern und insbesondere auf dem engen Elbfahrwasser auf dem Weg nach Hamburg einen technischen Blackout an der Ruderanlage gehabt haben soll. Da sind von der Bundesstelle sehr dicke Bretter zu bohren – eine derartige Untersuchung kann ob der zu erwartenden politischen Einflussnahmen nicht so schnell gehen, wie wir es uns alle wünschen würden.

Wir erinnern uns an unseren Wirtschaftssenator Herrn Frank Horch. Der konnte bereits wenige Stunden nach der Havarie der “CSCL Indian Ocean” in Cuxhaven öffentlich verkünden, dass diese Havarie nichts mit der fehlenden Elbvertiefung zu tun haben würde.

Klar, was soll der Mann denn auch anderes sagen: wenn es einen derartigen Zusammenhang geben würde, hätte ja unverzüglich kein derartig großes Containerschiff mehr den Hamburger Hafen anlaufen dürfen. Nein, das ist ausgeschlossen. Zumal er genaue Kenntnis davon hat, dass sich mit der geplanten Elbvertiefung an der nautischen Situation für derartig große Schiffe nahezu nichts ändern würde.

Dass Blackouts von Ruderanlagen an brandneuen Riesencontainerschiffen normal sein sollen, kann die hinter den Elbdeichen lebenden Menschen auch nicht beruhigen: „Technik kann immer und überall versagen, meint der Ältermann der Elblotsen, Ben Lodemann. Entscheidend sei, wie man darauf reagiert, wie das Krisenmanagement klappt.“ konnten wir entgeistert, mit den Reaktorhavarien in Tschernobyl und Fukushima im Hinterkopf, auf den NDR-Seiten lesen.

Die Wahrheit wird nun von der unabhängigen BSU unter dem Aktenzeichen 34/16 als Schwerer Seeunfall untersucht und herausgefunden werden. Wir haben Geduld: der rund 2,5 Jahre nach dem Brand des Atomfrachters “Atlantic Cartier” in unmittelbarer Nähe der von vielen Menschen besuchten Kirchentagsfeier erschienene BSU-Bericht ist lesenswert. Er zeigt auch auf, was im Hamburger Hafen unter den flauschigen Filz-Teppich gekehrt worden ist.

Unter diesen Teppich wird auch von unserem Senat noch fleißig weiter gekehrt – oder haben Sie etwas über die Planungen zum neuen Feuerlöschboot gehört? Nein, wir auch nicht.  Und so sind wir wieder beim Artikel des Hafenblattes. Die Warnung, dass “Hamburg einen Bergungskran brauchen würde, der auch derart große Schiffe auf der Elbe schnell entladen könne”, verhallt ungehört, wie das seit Jahren angekündigte Feuerlöschboot.

Auf der anderen Seite haben Hafen-Experten in der Bürgerschaft angemahnt, dass gerade jetzt die Elbe vertieft wird, um Unglücke wie die mit der “Indian Ocean” zu verhindern oder glimpflicher ablaufen zu lassen.” lautet der letzte Absatz im Hafenblatt. Welche Experten das sein sollen, wird nicht geschrieben.

Aber wir und Sie ahnen es schon: es kann eigentlich nur der Senat selber sein, der doch in Cuxhaven schon wenige Stunden nach der Havarie der CSCL Indian Ocean wusste, dass die Havarie mit der fehlenden Elbvertiefung nichts zu tun hat und nun kackfrech Gerüchte streut, die er vermutlich nie gesagt haben will…

Westerweiterung? Fair geht anders

Auch die zweite schriftliche kleine Anfrage zu dem BSU-Mitarbeiter ist jetzt beantwortet. Der Informationsgehalt ist an vielen Stellen gering. Zurecht bezieht sich der Senat auf den Schutz des Mitarbeiters, das laufende personalrechtliche Verfahren und den Personaldatenaktenschutz. Dennoch tun sich neue Blickwinkel zu dem Fall auf.

In der Vorbemerkung erfahren wir, dass der Westerweiterung-HörsaalBSU-Mitarbeiter “als Privatperson zu Beginn des Planfeststellungsverfahrens am 14. Oktober 2009 eine Einwendung gegenüber der Planfeststellungsbehörde der BWVI.” eingereicht hat. Weiter wird gesagt, dass die BWVI zu diesem Zeitpunkt erfuhr, dass der Mitarbeiter als Privatperson Betroffener der Maßnahme war. Die Einwendungen wurden an die HPA als Vorhabenträger weiter geleitet. Die HPA wiederum leitete die Unterlagen an den Co-Vorhabensträger EUROGATE weiter. Mit anderen Worten: Schon 2009 hatten alle Beteiligten Informationen darüber, dass der Kollege Einwender war.

Übrigens, 2009 gab es eine schwarz-grüne Regierung. Die damalige Wirtschaftsbehörde unterstand Axel Gedaschko (CDU). Mit großer Irritation nehmen wir zur Kenntnis, dass ausgerechnet die damalige Regierungspartei CDU sich jetzt darüber empört, dass der BSU-Mitarbeiter scheinbar unentdeckt an den Planunterlagen mitgearbeitet hat. Zuletzt in der aktuellen Stunde der Bürgerschaft vom letzten Donnerstag, in der sie der aktuellen Regierung völliges Versagen auf ganzer Linie in Bezug auf den Hafen vorwarf.

Je mehr CDU und FDP nach den Hintergründen für ein vermeintliches Fehlverhalten eines BSU-Mitarbeiters fragen, desto mehr Fragen tauchen für uns auf.

  • Wenn BWVI, HPA und EUROGATE schon 2009 von dem Einwand des BSU-Mitarbeiters wussten, weshalb hat zu diesem Zeitpunkt niemand danach gefragt, ob seine Mitarbeit an den Planunterlagen einen Interessenkonflikt auslösen könnte? Warum ist die BSU als Dienstherr des Mitarbeiters nicht unverzüglich durch die BWVI informiert worden?
  • Wie passt die einvernehmliche Verständigung von BSU, HPA, BWVI und EUROGATE im November 2014 über die weitere Bearbeitung des Lärmgutachtens zu den Vorwürfen, der BSU-Mitarbeiter habe die Planungen zur Westerweiterung verzögert?
  • Weshalb wurde der vermeintliche Interessenkonflikt erst unmittelbar nach dem Erörterungstermin am 22.06.2015 in das öffentliche Licht gerückt?
  • Wurde die Kenntnis über einen möglichen Interessenkonflikt – der übrigens noch gar nicht nachgewiesen ist – zurück CTH-Bubendey1gehalten, um Schwächen der Planung über politischen Druck zu verdecken? Man könnte meinen, dass die Vorhabensträger HPA und EUROGATE an eine erfolgreiche Planfeststellung nur noch über den Weg der “Erpressung” für möglich halten.
  • Was ist mit den Aussagen und Gutachten zur WRRL, nachdem durch das EuGH Urteil das Verschlechterungsverbot ausdrücklich gestärkt wurde?

Nachdenklich macht uns, das der Antragsteller EUROGATE alle Informationen über Einwenderinnen und Einwender (persönliche Daten) sowie deren Argumentation erhalten hat, während uns die Lärmimissisionsdaten zu den Messpunkten in Finkenwerder (F1 und F2) und Oevelgönne (Ö1 und Ö2) immer noch nicht bereitgestellt worden sind. Noch während des Erörterungstermines wurden in Anträge von Einwendern diverse Unterlagen abgefordert, die von EUROGATE bislang nicht bereitgestellt worden sind.

Auch ist das Protokoll der Erörterung, dass uns nach persönlicher Zusage des Leiters der Erörterung Herrn Dr. Thyssen spätestens nach 14 Tagen zugesendet werden sollte, bislang nicht bei uns eingegangen.

Fazit: Die Einwender werden derzeit nicht so bedient, wie der Antragsteller EUROGATE. Fairness und Augenhöhe sind gegenüber den Einwendern derzeit nicht vorhanden. Die Öffentlichkeit wird mit durchsichtigen Anwürfen durch EUROGATE und fehlender Entgegnung durch die Planfeststellungsbehörde irregeleitet. Fairplay geht anders.

 

EU-Schwefelrichtlinie

Seit 2008 haben wir auf die Einführung der verschärften IMO-Abgasvorschriften für Schiffe (Annex VI, Marpol-Abkommen) gewartet, die Hamburg über die Nord- und Ostsee anlaufen wollen. Nun sind die langen Übergangsfristen ausgelaufen und Schiffe, die Hamburg und andere Häfen der Nordrange anlaufen wollen, dürfen auf ihrer Anfahrt seit dem 01.01.2015 nur noch Kraftstoff mit einem Schwefelgehalt von 0,1% verbrennen.

Die EU hatte bereits mit Ihrer EU-Schwefelrichtlinie zum 01.01.2010 dafür Sorge getragen, dass in den EU-Häfen – also auch im Hamburger Hafen – nur noch Schiffskraftstoffe mit 0,1% Schwefelgehalt verbrannt werden dürfen. Der Senat hat die EU-Schwefelrichtlinie über ein eigenes “Schwefelgesetz” mit über fünf Monaten Verspätung in Kraft gesetzt. Die “Gründe” für diese Verspätung, aber auch die Erwartungen können Sie in einem Bericht an die Bürgerschaft nachlesen.

Seit dem 01.01.2015 haben wir also zwei Kraftstoffregelungen für Schiffe: die verschärfte IMO-Regelung für die Anfahrt über Nord- und Ostsee in den Hamburger Hafen und das in Hamburg auf Basis der EU-Schwefelrichtlinie seit Mai 2010 gültige Schwefelgesetz.

Mit den schwarzen Rauchwolken der „Yangming Utmost“ vom Oktober 2014 stellen wir uns die Frage, welche Institution für diese Überwachung zuständig ist. Da es ja zwei Regelungen gibt, beschäftigen wir uns heute zunächst mit der EU-Abgasregelung und fragen uns, wer im Hamburger Hafen die Einhaltung des Schwefelgesetzes überprüft und welche Folgen Verstöße haben könnten?

In den Antworten zu den drei kleinen Anfragen zu den Rauchwolken dürfen wir  vom Senat lesen: „Zuständig für die Bearbeitung der EU-Schwefelrichtlinie ist die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt. Sie hat mit der Wasserschutzpolizei die Vereinbarung getroffen, dass die Überwachung der ordnungsgemäßen Verwendung des Schiffkraftstoffes im Rahmen der Wahrnehmung der schifffahrtspolizeilichen Vollzugsaufgaben erfolgen soll. … Die Wasserschutzpolizei Hamburg ist sowohl im Hamburger Hafen als auch auf der Unterelbe bis einschließlich in Teilen des Küstenmeeres für die Ausübung der wasserschutzpolizeilichen Aufgaben zuständig. Davon erfasst werden sowohl Aufgaben des schifffahrtspolizeilichen Vollzugs als auch die Ermittlung von Ordnungswidrigkeiten und Straftaten.“ Das Gesetz droht mit Zwangs- und Bußgelder, die sich im Einzelfall auf bis zu 50 Tsd. Euro pro Befund belaufen können. In einer Pressemitteilung vom 26.01.2010 wird dieses auch von der Umweltsenatorin angekündigt – dass die HADAG-Fähren u.v.m von dem Gesetz ausgeklammert werden, lassen wir unberücksichtigt.

So suchen wir nach Kontroll- bzw. Ergebnisberichten auf den Seiten der BSU – Fehlanzeige. Aus schriftlichen kleinen Anfragen in der Bürgerschaft mit dem Berichtszeitraum für das Jahr 2010 bis zum Regierungswechsel am 07.03.2011 und mit dem Berichtszeitraum für das Jahr 2011 und 2012 sowie über das Hamburger Transparenzportal mit zwei Berichten für das Jahr 2012 und das Jahr 2013 werden wir aber fündig – warum einfach, wenn es auch kompliziert geht!?

Nach §13 SeeUmwVerhV kann die Wasserschutzpolizei ein Probe vor Ort nehmen: Die Proben werden von einem Besatzungsmitglied des zu kontrollierenden Schiffes in Anwesenheit eines Polizisten direkt an der Entlüftungsleitung der Hauptmaschine/des Hilfsaggregates gezogen. Andere Proben, z.B. Proben, die gemäß Gesetz vom Brennstofflieferanten der Tankrechnung beigefügt werden müssen, gelten bei Kennern der Materie als leicht manipulierbar. Der Branchenprimus Maersk spricht von gravierenden Lücken.

Welche Ergebnisse haben sich zusammengefasst nun in den letzten vier Jahren von 2010 bis 2013 für die jährlich rund 10.000 Schiffe im Hamburger Hafen ergeben?

  • In der verbleibenden Amtszeit der grünen Umweltsenatorin von Mai 2010 bis März 2011 wurde eine erhebliche Anzahl an Schiffskontrollen durchgeführt (ca. 25 % der eingelaufenen Schiffe). Allerdings scheint man nur die Schiffspapiere und -tagebücher geprüft zu haben – lediglich 28 Kraftstoffproben wurden gezogen.
  • In 2012 reduziert sich die Anzahl der Kontrollen drastisch auf 4,5 % der eingelaufenen Schiffe. Die Anzahl der Kraftstoffbeprobungen steigt auf 172 Stück an. Rund 50 % der direkten Proben weisen eine Überschreitung der Grenzwerte aus. Das betrifft 31 Schiffe.
  • In 2013 lässt die Kontrolle und Beprobung weiter nach. Nur noch 4,1 % der Hamburg anlaufenden Schiffe werden kontrolliert. Kraftstoffproben werden nur noch bei 36 Schiffen vorgenommen, von denen wiederum 31 die Grenzwerte überschreiten.

Wenn in 2013 von 9.300 eingelaufenen Seeschiffen lediglich bei 36 Schiffen (knapp 0,4% aller Schiffe) Kraftstoffproben genommen werden und dann bei 31 Schiffen (also 86%) Grenzwertüberschreitungen festgestellt werden, fragen wir uns, wie ernst man in Hamburg eigentlich die eigenen Gesetze nimmt? Wohlgemerkt der Toleranzwert beim Schwefelgehalt betrug 49%, also 0,149% Schwefelgehalt statt 0,1% – versuchen Sie sich mal bei der Alkohol- oder Geschwindigkeitskontrolle mit einer derartigen Toleranzgrenze…

Ach ja, die Bussgelder. Es sollten ja bis zu 50.000 Euro sein. Als durchschnittliches Bußgeld für 2013 werden 1.750 Euro benannt. In 2011 und 2012 lag das jeweilige Maximum bei 5.000 Euro. “Weiterhin wurden Verwarnungen ausgesprochen und zum Teil mit jeweils 35 Euro belegt.” Namen von schwarzen Schafen werden nicht benannt – die müssen geschützt werden.

Die Bußen und Kontrollen um das Schwefelgesetz wecken Erinnerungen an die Ahndung von kapitalen Vergehen gegen Steuergesetze von Sportmanagern, Vorstandsvorsitzenden großer Logistikunternehmen oder Emma-nzipierten Frauenrechtlerinnen. Es scheinen aus Sicht der Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft nur Kavaliersdelikte gegen die Allgemeinheit zu sein. Macht ja nix, oder?

Wer kontrolliert denn aber nun mit welchen Ergebnissen die Brennstoffe und Abgaswerte von Schiffen in unseren SECA’s Nord- und Ostsee? Für sachdienliche Hinweise aus der Leserschaft sind wir sehr verbunden – MeSmart hinterlässt mehr Fragen als Antworten. Dazu mit Ihrer Unterstützung mehr in Kürze.