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Direkt ohne Hamburg

Hapag-Lloyd6Während die Hamburger Hafenwirtschaft samt Senat dicke Krokodilstränen über den sinkenden Containerumschlag im Hafen weinen und nicht müde werdend auf das eingebrochene Russlandgeschäft verweisen, hat gestern nachmittag eines der größten Hapag-Lloyd-Schiffe, die “Hong Kong Express” das CTA in Hamburg zu ihrem zweiten Direktanlauf nach Danzig in die Ostsee verlassen. Das Schiff wird dort Container löschen und aufnehmen, die noch wenige Wochen zuvor in Hamburg umgeschlagen und per Feederschiff zwischen Hamburg und Danzig transportiert wurden.

Seit ein paar Wochen wird also anscheinend die  Hamburg mit ihrem Hafen von ihrem Schützling, der Staatsreederei Hapag-Lloyd “links” liegen gelassen. Am 11. August 2015 war es erstmalig soweit: Hapag-Lloyd nahm mit der Hong-Kong-Express den ersten Direktanlauf nach Danzig vor. Kein Wort im hiesigen Hafenblatt oder auf den Seiten von Hamburg-Hafen-Marketing (HHM)! Letztere konnte eine Woche später am 17.8.2015 die oben angeführten Krokodilstränen auf ihrer Halbjahrespressekonferenz 2015 verschütten. Erklärungen und Ursachen von HHM? Da lachen ja nicht nur die heimischen Möwen…!

Ladung sucht sich eben ihren Weg” ist das der Naturwissenschaft durch Hamburger Senat samt Hafenwirtschaft entwendete Credo. Mit diesem Satz sollen Naturgesetze aus der Physik, z.B. der Blitz eines Gewitters in ökonomische Sachverhalte überführt werden. Naturgesetze gelten für Jeden gleichermaßen und sind zudem präzise beschrieben – man kann gegen diese bekanntlich nicht verstoßen. Für Politik und Wirtschaft, insbesondere um den Hafen Hamburg und die anstehende Elbvertiefung, gelten mit bestechend anmutender Präzision regelmäßig andere Regeln. Jedenfalls keine Regeln, die etwas mit “Ökonomischer Wissenschaft” zu tun haben könnten.

Nun mag man meinen, dass ein paar wenige Direktanläufe in die Ostsee durch ein Hapag-Lloyd-Schiff keine großen Auswirkung haben könnten. Ein Blick auf die zugehörige Pressemitteilung von Hapag-Lloyd und seiner G6-Allianz beweist das Gegenteil. Einmal in der Woche wird Danzig als Endpunkt auf dem Loop 7 der G6-Allianz, einem Liniendienst mit dem anderen Endpunkt Tsingtau, angelaufen. Götheburg ist ein weiterer Ostseehafen, der zuvor über den Hamburger Hafen gefeedert wurde.

Nicht, dass wir falsch verstanden werden: wir hegen keinerlei Groll gegen das polnische Danzig oder das schwedische Götheburg. Überhaupt nicht. Wir verstehen nur nicht die Hamburger Senatslügen, die uns regelmäßig um den Hamburger Gottesstaat, dem Hamburger Hafen, auf den Tisch gelegt werden.

  • Wie können nur Krokodilstränen geweint werden, wenn meine eigene Staatsreederei kräftig zu diesem Ladungseinbruch beiträgt?
  • Wie verlogen ist das, wenn ich damit meine eigene Umschlagsgesellschaft HHLA, die sich zudem mit Hapag-Lloyd das CTA-Terminal in Altenwerder teilt, schädige?
  • Wie kann ich nur einen Hapag-Lloyd-Börsengang unterstützen, der den Hamburger Haushalt mit hunderten von Millionen Euros an Kosten belastet,
  • nur damit von Hapag-Lloyd Schiffe gekauft werden können, die nicht mehr unter der Köhlbrandbrücke durchpassen? Die dann durch Hamburg neu gebaut werden muss?
  • Warum ist das Feedern größter Schiffe am Jade-Weser-Port zum Weitertransport nach Hamburg aus Senatssicht Teufelswerk? Warum werden Direktanläufe der Staatsreederei in die Ostseehäfen dagegen für so gut befunden, dass man dafür einen Börsengang mit der Brechstange und hundeten von Millionen Euro gutsagt?
  • Warum muss die Unterelbe für einen milliardenschweren Unsinn vertieft werden?

Mit Naturgesetzen oder Wissenschaft hat das nichts zu tun. Hätte sich der Senat die “ökonomischen” Gutachten, z.B. die von ihm in Auftrag gegebene ISL-Potenzialprognose 2015, genau durchgelesen, hätte er diese Sachverhalte sehr einfach erkennen können. In der Potenzialprognose ist auf Pdf-Seite 99 ff. zu finden:

  • Mit Blick auf Direktanläufe in die Ostsee, …, sind mehrere Szenarien denkbar. Liniendienstkostenkalkulationen des ISL zeigen, dass sich dieses Modell nur bei niedrigen Charter- bzw. Opportunitätskosten rechnet – wie sie seit 2009 durch das Überangebot an Schiffsraum praktisch ununterbrochen vorherrschen.
    Das Kriterium ist erfüllt!
  • Eine weitere Rolle spielen die Umschlagtarife in den Ostseehäfen (derzeit v.a. Danzig), die ggf. das Pendel zugunsten der Direktanläufe umschlagen lassen. Es wäre daher aus rein betriebswirtschaftlicher Sicht durchaus denkbar, dass bei steigenden Charterraten und höherer Auslastung der Containerschiffsflotte der Reederei Maersk die Direkteinläufe in die Ostsee wieder einstellt werden. Dagegen sprechen jedoch einige weiche Faktoren wie das erfolgreiche Marketing für die Direktverladung über polnische Häfen bei den polnischen Verladern und generell die erfolgreiche Einführung dieses Modells im Markt. In der Folge könnten andere große Reedereien oder Allianzen ähnliche Modelle einführen und somit das Volumen noch steigern.
    Die weichen Faktoren haben sich im Markt durchgesetzt – erfüllt!

Die Gutachter kommen zu dem Schluss: “Dies bedeutet auch, dass sich das Modell der Direktdienste nur für sehr große Marktspieler lohnt, die ausreichende Volumen bündeln können. Hier kommen also nur die aktuellen Allianzen oder Reedereiverbunde 2M, O3, CHKYE oder G6 infrage.Hapag-Lloyd mit der G6-Allianz ist ein derartiger Reedereiverbund!

MSC Japan hinter der kurischen Nehrung

Die heutige Geschichte mit den Direktanläufen hat noch kein Ende. Selbst in “der Welt” hat man in “Direkt nach Danzig” die Zeichen der Zeit wahrgenommen, aber nicht verstanden. Im litauischen Klaipeda/Memel ist die 240 Meter lange “MSC Japan” mit 3.400 TEU Kapazität regelmäßig beim 14-tägigen Anlauf zu beobachten. Der Hafennachbar im russischen Kaliningrad/Königsberg plant den erheblichen Ausbau der eigenen Container-Umschlagskapazitäten bis zum Jahr 2018.

Hamburger Senat – bitte wach doch endlich auf! Wir brauchen unsere Haushaltsmilliarden für unsere in Hamburg lebenden Menschen und nicht für die wirtschaftlich unsinnige Zerstörung unserer Unterelbe!