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Havarie über Elbtunnel?

Ein merkwürdiges Manöver der “Bremen Express“, ein Containerschiff von Hapag Lloyd, wirft Fragen auf.

Bremen Express 2016-03-16 Elbtunnel_1Gegen 13:50 Uhr heute Mittag verließ die “Bremen Express” ihren Liegeplatz am CTA. Gegen 14:25 Uhr, sie hat gerade die drei östlichen Röhren des Elbtunnels gequert, stoppt sie auf, dreht zum Nordufer ab und bewegt sich wieder nach Osten. Gut eine Stunde nach dem Ablegen (15:06 Uhr) hat sie ihren östlichsten Punkt erreicht und startet erneut zur Überquerung des Elbtunnels, aber offenbar sehr langsam. Ca. 40 Minuten später, um 15:51 Uhr, stoppt sie erneut auf – zwischen den drei östlichen und der “neuen” westlichen Elbtunnelröhre – und dreht erneut eine kleine Schleife. Erst um 16:16 Uhr hat sie den gesamten Elbtunnel passiert und befindet sich auf dem Weg zur Nordsee. Wir haben einen Teil der Situation Dank Zugriff auf Vesselfinder.com und Bildschirmprint dokumentiert.

Freunde der Initiative haben das Manöver beobachtet. Zwei Schlepper haben die “Bremen Express” bei den kruden Manövern über den Elbtunnelröhren begleitet.

Allerdings ist bisher nichts darüber zu erfahren, was passiert ist. Ist die “Bremen Express” wegen eines zu großen Tiefgangs an den Elbtunnelröhren hängen geblieben? Gab es mal wieder einen unerwarteten Ausfall der Maschinen? War der Lotse noch nicht an Bord? Ist das wieder ein “gutes” Notfallmanöver mit Lotsenbegleitung? Sind wir innerhalb von wenigen Wochen das dritte Mal an einer katastrophalen Havarie vorbeit geschrammt? Wir wissen es nicht, aber es sieht nicht harmlos aus.

PS.: Der letzte Bildschirmprint ist eine Kuriosität. Gegen 19:20 Uhr wurde Vesselfinder erstmalig aufgerufen und der Routenverlauf getrackt. Dabei scheint es zwischen Kolmar und Rhinplatte Süd erneut zu Problemen gekommen sein. Der Aufruf des Tracks auf einem zweiten Rechner nur 3 – 4 Minuten später zeigt die vermeintliche Verdriftung des Schiffes nicht mehr. Gab es dort noch einmal Probleme und wurde die Tracklinie auf Anweisung “geglättet” oder war das nur ein Trackingfehler???

PS – Keine Havarie
Uns erreichte eine Email des Pressesprechers der Hapag Lloyd AG, Herr Rainer Horn, in welcher uns das Manöver der „Bremen Express“ erläutert wurde. Die „Bremen Express“ habe frühzeitig ihre Liegeplatz freimachen müssen, da die einlaufende „Leverkusen Express“ diesen benötigte. Da die „Bremen Express“ den Hamburger Hafen nur tideabhängig verlassen konnte, habe sie das Wartemanöver bis dahin mit Schlepperunterstützung im Bereich des Elbtunnels verbracht. Ein Festmachen an den Finkenwerder Pfählen hätte sich nicht gelohnt, da sie dort netto (also abzüglich Fest- und wieder Losmachen) nur 20 Minuten verbracht hätte.

Unsere Überprüfung dieser Aussagen bestätigen, das die „Bremen Express“ den Hamburger Hafen nur tideabhängig verlassen konnte. Sie hatte lt Vesselfinder einen Tiefgang von 13,20 m und durfte somit das Seemannshöft nur im Zeitraum 45 Minuten vor und 2 Stunden 20 Minuten nach Niedrigwasser passieren. Niedrigwasser in St.Pauli war am 16.03.2016 um 16:55 Uhr. Das passt zu unserer Zeitangabe, dass sie gegen 16.16 Uhr den Elbtunnel endgültig passiert hatte, um 16:10 Uhr durfte sie frühestens das Seemannshöft passieren.

Weitere Fragen in Zusammenhang mit diesem Manöver wurden ausführlich beantwortet. Wir stellen Ihnen diese hier zur Verfügung:

  • Kommen solche Wartemanöver häufiger vor? Ja, nur nicht unbedingt vor Övelgönne. Das kann auch woanders auf der Elbe sein.
  • Dauert Fest- und wieder Losmachen an den Finkenwerder Pfählen insgesamt 2 Stunden? Das ist ein langer Zeitraum. Wir haben ein solches Manöver einmal beobachtet und ganz sicher keine Stunde an der Elbe gestanden und zugeschaut. Das kann man nicht pauschal sagen, aber es ist deutlich länger als die 10-15 Min., die man als Sportbootfahrer braucht, um seine Leinen über einen Poller zu werfen und zu verknoten. Da muss die gesamte Mannschaft in Bereitschaft sein, es müssen mehrere armdicke Leinen festgemacht werden. Man braucht ggfls ein Festmacherboot, das Leinen zum Dalben bringt usw. Ein Schiff ist mit laufender Maschine zudem sicherer im Strom als mit ausgeschalteter Maschine.
  • Hätte die „Bremen Express“ nicht schon früher den Liegeplatz frei machen und an die Pfähle verlegt werden können? Das hätte sicherlich Verwirrung vermieden und weniger Treibstoffverbrauch bedeutet. Wann unsere Schiffe ablegen sollen, wird ihnen von den Hafenbehörden vorgegeben, die mit verschiedenen Stellen und einer Leitzentrale das gesamte Bild im Blick haben, welche Schiffe reinkommen und welche raus wollen. Diese Koordinierung läuft in HH sehr vorbildlich und effizient, da hier alle Partner gut zusammenarbeiten (u.a. die Terminals). Generell versuchen wir Brennstoff zu sparen, wo es nur geht und soweit wir Einfluss darauf haben. Wir haben am Ballindamm ein Fleet Support Center mit zehn Kollegen, die weltweit unsere Flotte aus 177 Schiffen berät und überwacht, so dass möglichst wenig Brennstoff verbraucht wird. Aber bei solchen Entscheidungen wie hier bekommen wir Vorgaben von Behörden und Leitzentralen, an die wir uns halten müssen.
  • Nach unseren Informationen soll die „Bremen Express“ jedoch am Liegeplatz 2 gelegen haben, während die „Leverkusen Express“ am Liegeplatz 3 fest gemacht haben soll. Wenn dem so ist, warum musste die Bremen Express dann den Liegeplatz vorzeitig verlassen? Die Hintergründe müsste ich bei unseren Kollegen am CTA recherchieren, die das wahrscheinlich auch erst beim Terminal oder der Leitzentrale erfragen müssten. Es kann auch sein, dass der exakte Liegeplatz für Feeder gebraucht wurde und die Bremen nur los musste, um sich an einer günstigen Stelle mit einem anderen Schiff zu treffen, wo sie aneinander vorbei kamen. Das ist wie gesagt etwas, was die Hafenbehörden koordinieren und uns dann mitteilen bzw der Kapitän bekommt diese Informationen auch während der An-/Abfahrt direkt von den Lotsen, wenn die an Bord sind.

Schweigen im Hafen

CSCL Indian Ocean Havarie 4In der kurzen vierten Pressemitteilung des Havariekommandos vom gestrigen Abend wird über den Fortgang der Bergungsarbeiten der “CSCL Indian Ocean” berichtet – einen aktuellen Blick auf den Havaristen ermöglicht die Elbdeichcam.

Zu den Ursachen und dem Hergang der Havarie kommen immer weitere Fragen auf. So lesen wir in der Pressemitteilung des Umweltverbandes GNU aus Cuxhaven Interessantes, das bislang in der Berichterstattung nicht thematisiert wurde:

  • Warum konnte das nagelneue Schiff ohne einen vorgeschriebenen zweiten Anker in die Elbe einlaufen? Welche Behörde hat dieses Einlaufen genehmigt?
  • Divergierende Aussagen des Lotsenältermannes Herrn Ben Lodemann: war das Aufsetzen wirklich ein “kontrolliertes Handeln” oder doch eine bei Tempo 180 eintretende Lenkradsperre? Warum die direkte Fahrt auf Grund und nicht das Halten des Schiffes auf Kurs?

Wir ergänzen die Fragen:

  • Wie ist es möglich, dass eine IT-gesteuerte Ruderanlage bei dem Havaristen zugelassen wurde, die bei einem Ausfall über anscheinend über keinerlei Backup-Komponenten verfügt. Ungewöhnlich für ein brandneues Schiff, das doch erst in 2015 in Dienst gestellt worden ist.
  • Warum ist von den Lotsen, die sich ja für die Schiffsicherheit verantwortlich fühlen, kein Wort der Kritik zu diesen fehlenden Sicherheitskomponenten zu hören?
  • Welche Rolle spielt der auch in Hamburg ansässige “Schiffs-TÜV“, namentlich die Klassifikationsgesellschaft “DNV-GL“, die der “CSCL Indian Ocean” die Zertifikate ausgestellt haben soll?

Auffällig ist die Sprachlosigkeit von Politikern und Spezialisten aus der maritimen Wirtschaft gegenüber den Medien. Konnten diese uns vor Kurzem noch die Notwendigkeit der Elbvertiefung und deren Bedeutung für den Hamburger Hafen wortgewaltig und in epischer Breite erklären, scheinen sie nun beim Havariethema vollständig abgetaucht zu sein. Alle, egal ob Sie Wirtschaftssenator, Sprecher des Unternehmensverbandes Hafen Hamburg oder Vorstand bei Hamburg Hafen Marketing sind, ducken sich weg – als ob bei diesem Thema eine gewaltige Leiche im “Hamburger Keller” liegen würde.

Lotsenboote in Hamburg

Eine Schriftliche Kleine Anfrage in der Bürgerschaft Hafenlotsenbrüderschaft1hat die Flotte der Hamburger Lotsenboote im Hamburger Hafen zum Thema. Gemeint sind die Boote der “Hafenlotsenbrüderschaft Hamburg“, die ihren Sitz am Bubendeyufer im Seemanshöft hat und von ihren Kollegen in der gegenüber liegenden, nahe dem Anleger Teufelsbrück an der Elbchaussee residierenden, “Lotsenbrüderschaft ElbeElblotsenzu unterscheiden ist. Die Hafenlotsen sind dabei für das Fahrwasser zwischen Tinsdal und Oortkaten mit Ausnahme der Este zuständig und die Elblotsen für die Strecke zwischen Tinsdal einschließlich der Este und der Tonne E3 vor Helgoland.

Eigentlich erwarten wir aus den Antworten nix besonderes: die technischen Daten der vier Lotsenboote werden abgefragt und die Geschwindigkeitsbegrenzung für das Hafengebiet für die gewerbliche Schifffahrt von 10 Knoten erläutert. “Ausnahmen von der Geschwindigkeitsbegrenzug werden in jedem Einzelfall von der zuständigen Behörde geprüft und nur dann genehmigt, wenn bei Erteilung einer Ausnahmegenehmigung weiterhin die Sicherheit des Schiffsverkehrs gewährleistet wird.” Das vierte Lotsenboot, immerhin 22 Knoten schnell, wurde in 2012 angeschafft, “um den immer schneller werdenden Container-Feederschiffen und dem gestiegenen Verkehrsaufkommen gerecht zu werden.” Das ist nicht ganz nachvollziehbar: es gibt doch die o.a. Geschwindigkeitsbegrenzung und nach der offiziellen Statistik sinken doch aufgrund der Schiffsgrößenentwicklung die Schiffsanläufe in Hamburg regelmäßig jährlich!

Aber ein sehr schnelles Lotsenboot mehr oder weniger kann unHafenlotses ja auch wirklich egal sein, denn die Kosten für die Lotsenboote müssten ja, so glaubt der wirtschaftlich denkende Mensch, die anlaufenden Schiffe für die Inanspruchnahme der Lotsen bezahlen. Eigentlich eine klare Sache.

Der schmallippigen Senatsantwort zu den Fragen sechs und sieben bezüglich des Eigentums an den Lotsenbooten entnehmen wir dann aber, dass das irgendwie anders sein muss: Die Lotsenboote sind im Eigentum der HPA und werden nicht vermietet. Im Gegenteil “Die HPA stellt als Dienstleister für die Hafen- und Elblotsen die Lotsenversetzboote zur Verfügung. Eingeteilt werden die Lotsenversetzboote von dem jeweiligen Wachleiter der Hafenlotsenbrüderschaft.

Der Blick auf § 2 (1) Hafenlotsgesetz offenbart: “Einrichtung, Unterhaltung und Beaufsichtigung des Hafenlotswesens sind Aufgaben der Freien und Hansestadt Hamburg. Ihr obliegen insbesondere Vorhaltung und Betrieb der Lotseinrichtungen.” So fragen wir uns, ob sich die HPA die Kosten für den Lotsenversetzdienst wenigstens über die Hafennutzungsentgelte bezahlen lässt? Nein, auch hier Fehlanzeige.

Wie ist das bei den Elblotsen geregelt? Die werden ja bei Teufelsbrück ebenfalls von den der HPA-gehörenden Lotsenbooten versetzt. Hier gibt es § 6 (1) Seelotsgesetz: “Die zur Wahrnehmung der Lotsendienste erforderlichen Lotseinrichtungen (feste und schwimmende Lotsenstationen, Versetz- und Zubringerfahrzeuge) werden von den Aufsichtsbehörden vorgehalten, unterhalten und betrieben. In § 45 (1) Seelotsgesetz finden wir dann “Für die Bereitstellung der Lotseinrichtungen werden für ein Schiff, das ein Seelotsrevier befährt, Abgaben (Lotsabgaben) erhoben. Für die Leistungen der Seelotsen ist ein Entgelt einschließlich der entstandenen Auslagen (Lotsgeld) zu entrichten.

Über die Lotsabgaben legt der Bund seine Bereitstellungskosten der Lotseninfrastruktur auf die Schiffe um. Im Bundeshaushalt 2013, Einzelplan 12 des Bundesverkehrsministers sind Einnahmen aus den Lotsabgaben von 73,9 Mio. Euro zu finden, denen Ausgaben von rund 70 Mio. Euro gegenüberstehen.

Ja, und in Hamburg? Im Hamburger Haushalt ist das Wort Lotsabgabe nicht zu finden. Das verwundert nicht, da ja die HPA nach § 3 (1) Nummer 4 HPA-Gesetz auch die Aufgaben aus dem oben zitierten Hafenlotsgesetz übertragen bekommen hat: die HPA als eigenständige Körperschaft wird mit ihren Einnahmen und Ausgaben seit ihrer Gründung nicht mehr über den Hamburgischen Haushalt erfasst.

Mit den sparsamen Senatsantworten aus der obigen kleinen Anfrage im Ohr gehen wir davon aus, dass die HPA die Kosten für die gesamte Lotsen-Infrastruktur, also z.B.  für die Lotsenstation Seemanshöft, die Radargeräte, die Lotsenboote alleine trägt und keine Erstattung von den Schiffen erhält.

Wie hoch mag dieser Betrag sein? Wir gehen von den jährlichen Kosten des Bundes in Höhe von 70 Mio. Euro aus und schätzen, dass der größte Seehafen Deutschlands bestimmt einen Anteil von 20% der Bundeskosten ausmachen würde.

Das wären rund 14 Mio. Euro p.a. Für einen Welthafen sind das natürlich Peanuts. Aber es wären auch 14% des jährlichen Betrages von 100 Mio. Euro, den der jetzige Senat für die HPA nach dem Verzehr der HHLA-Milliarde für unseren Hafen ausgeben will. Dass die angedachten jährlichen 100 Mio. Euro bei Weitem nicht reichen, wissen Leser unserer Seite schon lange…