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Wieder Pfusch?

ElbfischerAm 15.11.2015 wurden die weiteren und abschließenden Planergänzungsunterlagen für die vor Gericht stehende 9. Elbvertiefung den klagenden Verbänden und den zu beteiligenden Behörden in Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein vorgelegt. Bis zum 23.12.2015 haben diese Zeit, sich zu den vorgelegten Unterlagen zu äußern.

Zumindestens zwei Äußerungen haben wir wahrgenommen: eine über die Hamburger Behörde für Umwelt und Energie (BUE) und eine Weitere vom gegen die Elbvertiefung klagenden Bündnis “Lebendige Tideelbe”, das aus BUND, Nabu und WWF besteht.

Horch1Umwelt- und Wirtschaftsbehörde streiten über Elbvertiefung” berichtete das Hafenblatt durch den Hafenklaquer Martin Kopp (mk), der sich bestens auf Hafenmärchen versteht. Sein Redaktionslakai Matthias Iken baut folglich daraus eine “ErKerstanste Krise im Hamburger Senat“.

Lasst doch die beiden Senatoren streiten  –  eine “grüne Position für die Hamburger Umwelt” haben wir bei Senator Herrn Jens Kerstan seit Beginn seiner Amtszeit nicht wahrnehmen können. Und das soll eine Senatskrise wegen einer Fristverlängerung ergeben?

Ha, ha, nein, bestimmt nicht. Wir jedenfalls lassen die verantwortlichen Politiker um Wirtschaftssenator Herrn Frank Horch gerne mit den nachgebesserten Unterlagen zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ziehen.

Wir sind keine Verwaltungsjuristen und verfügen über wenig Expertise im Schreiben von gerichtsfesten Gutachten. Nach dem Sichten dieser ergänzten Unterlagen haben wir uns allerdings gefragt, warum für deren Erstellung überhaupt so viel Zeit benötigt wurde. Da ist inhaltlich nicht eine neue Erkenntnis gewonnen bzw. formuliert worden. Wir haben keine Nachjustierung der Planungen wahrnehmen können. Keine Präzisierung der gerichtlichen Dollpunkte um die Finte, den Schierlingswasserfenchel, Wiebels Schmiele und den vielen weiteren betroffenen Tieren und Pflanzen. Diese Planunterlagen vermitteln uns das Gefühl, als ob es den aktuellen NDR-Film von Sebastian Bellwinkel und Holger Vogt nicht gegeben hat. Ignorieren und “Augen zu und durch” scheint das Zielbild dieser Planergänzungsunterlagen des Wirtschaftssenators zu sein. Gegenüber dem hohen Bundesverwaltungsgericht ein ungebührlich anmutendes Vorgehen und Verhalten…

So lesen wir heute in der Kreiszeitung-Wochenblatt aus Stade von der Erwartung des Bündnis der klagenden Umweltverbände “Lebendige Tideelbe”: die Planungsbehörden nehmen Verstöße gegen europäischen Gewässerschutz in Kauf. Und weiter: “Ferner lieferten Untersuchungen zum Lebensraum Tideelbe widersprüchliche Aussagen. Auch sehen die Aktivisten seitens der Behörden keine ernsthaften Bemühungen, den Zustand der Elbe zu verbessern.

Die heutige Pressemitteilung des Bündnisses “Lebendige Tideelbe” mit dem Titel “Neuer Anlauf zur Elbvertiefung überzeugt Umweltverbände nicht” führt es konkreter aus: “Die aktualisierten Untersuchungen zu Brutvögeln sowie den bedrohten Pflanzenarten und Elbfischen können nach Ansicht der Umweltverbände nicht überzeugen. So würden die Planer weiterhin verkennen, dass durch die Elbvertiefung die Lebensbedingungen für besonders geschützte Fischarten wie die Finte beeinträchtigt werden. Auch zu den Ausgleichsmaßnahmen für den weltweit nur noch an der Tideelbe vorkommenden Schierlingswasser-Fenchel gebe es widersprüchliche Aussagen in den Planunterlagen. Noch 2014 ging Hamburg gegenüber der EU-Kommission davon aus, dass neuer Lebensraum für mehr als 2.300 Exemplare der vom Aussterben bedrohten Pflanze geschaffen wird. Nach den neuen Planunterlagen sind es jetzt nur noch 200.” Diese Aussagen entsprechen vollkommen unserem Eindruck!

Also Senatskrise hin oder her. Die erscheint unwesentlich. Wesentlich ist, dass hier von dem Wirtschaftssenator Unterlagen für das Bundesverwaltungsgericht freigegeben worden sind, für die wir uns als Mitglieder unserer Bürgerinitiative, hätten wir diese in unseren persönlichen Arbeitbereichen abgeben müssen, mehr als geschämt hätten!

Und weiter: erneut wurde es vom Senat nicht als nötig erachtet, Kontakt zu den Umweltverbänden für die Erörterung einer Kompromißlösung aufzunehmen. In unseren persönlichen Arbeitsbereichen hätten wir uns derartiges nicht getraut. Unser Senat tut das aber – keine Kompromisse ist die Devise. Auch dieses Verhalten ist gegenüber dem hohen Bundesverwaltungsgericht anmaßend und damit ungebührlich.

Elbvertiefung: Was riskieren wir?

ElbfischerGestern abend hat der NDR im Dritten in der Reihe “45 Minuten” einen Filmbeitrag mit dem Titel “Elbvertiefung: Was riskieren wir?” gesendet. Der von Sebastian Bellwinkel und Holger Vogt produzierte Film ist ein gelungener Beitrag, um in die Elbvertiefungsdiskussion, die derzeit ausschließlich von wirtschaftlichen Aspekten dominiert wird, ökologische und naturfachliche Komponenten einfließen zu lassen.

Vergessen wir nicht: beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig stehen nur noch diese Umweltfragen zur Diskussion. Die wirtschaftlichen Fragen wurden und werden keiner weiteren gerichtlichen Prüfung unterworfen. Die deutsche Gesetzgebung überlässt den Planfeststellern absolute Narrenfreiheit in der Feststellung von absurd formulierten “überragenden öffentlichen Interessen“, z.B. für die Begründung der Notwendigkeit der aktuellen Elbvertiefung. Der Wahrheitsgehalt von Containerumschlagsprognosen des Jahres 2006 für das Jahr 2015, die zwischen 15 bzw. 18 Mio. TEU liegen sollten und aktuell nicht mal mehr 9 Mio. TEU erreichen werden, können gerichtlich nicht überprüft werden.

Es verbleiben für eine skeptische Haltung zu Großprojekten, wie z.B. der Elbvertiefung, lediglich die ökologischen Fragestellungen. Hier hat der Gesetzgeber, zumindest für die Naturschutzverbände, eine Art Mitspracherecht bis hin zur Verbandsklage eingeräumt. Rechte, die, obwohl diese durch die Verbände sehr sensibel und bedächtig genutzt werden, im Falle der Elbvertiefung über eine öffentliche Dauerbeschallung durch die maritimen und politischen Lobbyisten mehr als perfide in Mißkredit gebracht werden. Wir berichteten stellvertretend vor Kurzem über den Märchenonkel Herrn Gunther Bonz.

In diesem Umfeld begrüßen wir außerordentlich, dass der NDR sich über seine politisch stark beeinflussten politischen Gremien hinwegsetzen konnte und mit dem Film zur Versachlichung der Diskussion beigetragen hat.

Der Film zeigt, dass es sehr viel Meinungsmache rund um die Elbvertiefung gibt. In der Regel läuft diese Form der Diskussion auf 150.000 nicht näher beschriebene Arbeitsplätze versus ein paar “Piepmätzen“, “Blubberfischen” oder “Blümchen” hinaus.

Arbeitsplätze brauchen wir – keine Frage. Aber die müssen zumindest vorhanden sein und nicht in irgendwelchen Gutachten aus fünf Fingern gesogen und für dubiose Interessen vorgeschoben sein. An genau diesen Gutachten haben wir mehr als berechtigte Zweifel! Diese Gutachten produzieren Zahlen, die bar jeglicher Vernunft liegen und sich keiner Nachweisprüfung unterziehen mussten. Sie wurden und werden unkontrollierbar in den Raum gestellt – Basta!

Und die Piepmätze, Blubberfische und Blümchen? Für deren Artenvielfalt tragen wir mindestens genauso eine große Verantwortung, wie für unsere Arbeitsplätze. Von genau dieser Vielzahl an Arten hängt, auch wenn es immer gerne wieder vergessen wird, unser aller gesundes Leben ab. Nein, nicht von einem einzelnen Individuum mit dem Namen Finte, Lachseeschwalbe oder Schierlings-Wasserfenchel. Wir hängen ja auch nicht von der Existenz eines Herrn Olaf Scholz oder eines Herrn Gunther Bonz ab.

Artenvielfalt ist eine immens wichtige Lebensressource! An diesem vermeintlich dehnbaren Begriff hat mittlerweile kein vernünftiger Mensch mehr irgendeinen Zweifel! Er ist einfach “Stand der Technik”. Ein Recht auf “Geldverdienen” über den Hamburger Hafen zu Lasten von uns Menschen, Piepmätzen, Blubberfischen und Blümchen gibt es einfach nicht. Es ist nicht einmal ein Grundrecht.

Wir in Hamburg tragen eine Verantwortung für uns Hamburgerinnen und Hamburger und damit für Schierlings-Wasserfenchel, Finte und Lachseeschwalbe. Wir wollen Arbeitsplätze, die diesen Vorgenannten einen gesunden Lebensraum ermöglichen. Mehr nicht!

Nochmals vielen Dank an Sebastian Bellwinkel und Holger Vogt für diesen Film und stellvertretend den Herren Markus Risch, Veit Hennich, Hanz Niemeyer, Walter Rademacher und Prof. Dr. Ralf Thiel und Frau Jacqueline Neubecker für die Vermittlung von fundierten Einblicken. Wir danken Walter Zeeck und seinen Sohn für den Hinweis auf den Pottwal und den Säbelzahntiger!

PS.: Zur dramatischen Entwicklung des Prielsystemes um die Medemrinne und dem Neufelder Sand haben wir über den Zeitraum von mittlerweile 80 Jahren eine kleine Animation auf unserer Internetseite. Es ist der Lebensraum der im NDR-Beitrag angeführten Lachseeschwalbe. An dieser Stelle möchten wir nochmals auf das Zanke-Gutachten genau zu jenem Gebiet hinweisen.