Deutsche Nautiker chancenlos?

Wir haben Kontakt mit einer Familie, die sich den Lebensunterhalt durch die nautische Tätigkeit eines ihrer Mitglieder verdienen will. Dieses Familienmitglied sucht nun schon seit Monaten nach einem entsprechenden Arbeitsplatz auf einem Schiff. Arbeitsplätze gibt es reichlich, auch auf Schiffen deutscher Reeder, die nicht unerhebliche Subventionen aus dem deutschen Steuersäckel eingestrichen haben.

Die Reedereien haben überwiegend die Rekrutierung der Besatzungen ihrer Schiffe sogenannter „Crewing Services“ überlassen. Diese haben ihren Sitz überwiegend im Ausland. Die persönlichen Erfahrungen des Nautikers stellen wir hier auszugsweise vor:

  • „Wenn man sich als Deutscher auf Stellen bewirbt, bekommt man Antworten wie: “wir nehmen keine Deutschen, nur Ukrainer, ja Bedarf ist da, aber so was fangen wir gar nicht erst an, Deutsche einzustellen, dass hatten wir noch nie.
  • „Seeleute z.B. aus der Ukraine prahlen teilweise an Bord damit, dass sie sich im Prinzip ihre Jobs aussuchen können, alle Bedingungen sind verhandelbar mit einer recht großen Spanne (bei deutschen Reedern). Davon träumt der deutsche Seemann schon lange.“
  • „An Bord selber ist man als Deutscher schon lange ein Exot und man wird auch an Bord wie auch an Land so behandelt. In den restlichen Büros in Hamburg sitzen oftmals ukrainische, rumänische, russische e.t.c. Mitarbeiter, die über die restlichen Deutschen bestimmen.“
  • „Ein “Landsmann” wird bevorzugt und bekommt eine freie Stelle zu besseren Bedingungen, als ein deutscher Bewerber sich anbot. Das ist schon seit Jahren so üblich und zur Gewohnheit geworden.“
  • „… suchte dringend einen ersten Offizier. Nach dem Übersenden meiner Unterlagen und mehreren Gesprächen (ich bot an, für viel weniger Lohn zu fahren), teilte man mir mit, dass man keine deutschen Seeleute einstellen (will).”

Wir können nicht abschätzen, was jeweils konkret zu den einzelnen Absagen der vielen Bewerbungen geführt hat, aber die Informationen verdichten sich, dass es nicht nur die uns bekannte Familie getroffen hat. So hat Jürgen Schwandt das Thema in seiner Kolumne in der Hamburger Morgenpost aufgegriffen: “Ich bin ein alter Seemann, und das Meer lässt mich nicht los. Alle zwei Jahre buche ich mir deshalb eine Kabine auf einem Frachter und fahre irgendwohin. Auf der Brücke treffe ich Offiziere und Kapitäne aus vielen Ländern: Polen, Russen, Letten, Inder oder Philippiner. Was nicht daran liegt, dass deutsche Reeder ihr Herz für „Multikulti“ entdeckt haben: Sie müssen weniger als die Hälfte der deutschen Tariflöhne bezahlen. Wir sind auf „Motorschiff Geiz“ unterwegs.”

Den von Herrn Schwandt angeführten anderen MOPO-Artikel mit der Überschrift: „Deutsche Kapitäne in Not“ samt seiner Aussage : “Von 83 jungen Kapitänen, die 2014 an der Schule Elsfleth ihr Patent bekamen, fanden drei eine Anstellung”konnten wir nicht finden.  In der Zeitung Welt dagegen werden wir mit ählichen schlechten Zahlen fündig: “Keine deutschen Kapitäne in Sicht” oder “Der deutsche Kapitän ist vom Aussterben bedroht“.  Sie haben richtig gelesen: drei. Es hat mehr Aussicht auf Erfolg, als Deutscher Bofrost-Fahrer in Grönland zu werden, statt Kapitän eines Schiffes.

Falls Sie, liebe Leserschaft, persönlich auch von dieser Entwicklung betroffen sein sollten, schreiben Sie uns doch bitte. Wir finden es unerträglich, dass Hamburg mit der übermäßigen Anpassung seiner Hafenkapazitäten und mit der Elbvertiefung diese derart agierenden deutschen aber auch internationalen Reedereien noch hofiert.

Weiter mit Herrn Schwandt:
Während ein Luftkapitän streikt, weil er sich mit knapp zehntausend Euro Monatsgehalt schlecht bezahlt fühlt, verdient ein Kapitän zur See die Hälfte. Obwohl er rund um die Uhr im Dienst ist, ist er damit immer noch zu teuer. … Wir haben als weiteres Beispiel von einer jungen Offizierin gehört, die ein Praktikum annahm, um die Fahrtzeit für ihr Patent nachweisen zu können. Sie fährt zwei Jahre und bekommt im Gegenzug kein Gehalt, keinen Cent, nur etwas zu essen. Wie großzügig vom Reeder! Irgendwann müssen die Praktikanten dann Stullen und ihr Klopapier selbst mit an Bord bringen. Was die Crew-Mitglieder betrifft, sind die Reeder ebenso sparsam mit ihrem Gewissen. Auf den Kiribati-Inseln, einem kleinen Königreich am Äquator und so sandig, dass dort nicht mal Viehhaltung möglich ist, wurde eine Seefahrtsschule eröffnet. Nach dem Lernen einiger Grundregeln der Seemannschaft sowie etwas Fachenglisch bekommen die Neu-Matrosen dann Neunmonats-Verträge. Sie verdienen 300 US-Dollar, das macht bei acht Stunden Arbeit am Tag einen Stundenlohn von 1,25 Euro. Um einen Anschluss-Kontrakt zu erhalten, müssen die Ausgebeuteten ein Arbeitszeugnis des letzten Kapitäns vorlegen. Eine Silbe der Kritik – und das war es mit der Anstellung. Was für eine subtile Art der Sklavenhaltung.

Der “Deutsche Nautische Verein” (DNV) ist das Thema in seiner vorletzten  Quartalszeitschrift “Position” an erster Stelle angegangen. Lesen Sie auch den zweiten Artikel und vergleichen Sie die Zahlenangaben von Herrn Uwe Beckmeyer zu “unter 200” deutschen Schiffen mit den Ausführungen des Verbandes Deutscher Reeder, einem korporativen Mitglied des DNV: “Die deutsche Handelsflotte steht mit rund 3.300 Schiffen auf Platz 4 der größten Schifffahrtsnationen. Mit etwa 1.500 Containerschiffen belegt Deutschland den Spitzenplatz. Darunter sind mehr als 100 Mega-Containerschiffe ab 8.000 TEU.

Wir schließen mit den Worten von Herrn Schwandt: “Nun fordern die deutschen Reeder, Meister im Sparen von Steuern und clevere Sammler von Subventionen, mehr Schutz vor den Piraten am Horn von Afrika. Durch die Bundesmarine, also durch unsere Steuergelder. Vielleicht lassen sich einige Reeder gefangen nehmen, um das Problem zu lösen. Nach wenigen Wochen haben sie die Piraten einfach wegrationalisiert.” und würden uns so gern wünschen, endlich mal etwas von der “Jobmaschine Hamburger Hafen” berichten zu dürfen. Und, wenn es nicht der Hamburger Hafen ist, dann bitte von einem anderen deutschen Hafen.