Stand 9. Elbvertiefung

Man verliert bei der neuen Elbvertiefung den Überblick: Wo befinden wir uns jetzt im Verfahren? Wer hat jetzt die Initiative in der Hand – welches Gericht ist derzeit aktiv? Nachfolgend versuchen wir Ihnen einen Überblick zum Verlauf des Verfahrens zu geben:

Bereits vor Beendigung der 8. Elbvertiefung in 1999 wurde die nächste gefordert. Sie sollte schon 2003 beendet sein. Glücklicherweise für die Elbe, ihrer Natur und deren Anwohner ist ein solches Verfahren aber nicht so schnell umsetzbar.[1]

Nachfolgend eine Übersicht über den Verfahrensverlauf:[2]

  • 2002: Hamburg stellt den Antrag beim Bundesverkehrsministerium für den weiteren Ausbau der Elbe
  • 17. September 2006: Beantragung des Planfeststellungsverfahrens auf der Grundlage des Bundeswasserstraßengesetzes
  • 21. März bis 04. Mai 2007: Öffentliche Auslegung der Planunterlagen mit verkürzter sechswöchiger Frist nach dem Gesetz zur Beschleunigung von Planungsverfahren für Infrastrukturvorgaben (InfraStrPlanVBeschlG)
    Ca. 5.200 Bürgerinnen und Bürger, Kommunen und Verbände erheben Einwände.
    Die Planung hatte so viele Mängel, dass erhebliche Nacharbeiten notwendig waren. Ursprünglich geplante vorgezogene Teilbaumaßnahmen wurden am 11. Juni 2007 kleinlaut von der HPA zurück gezogen.
  • 03. September 2008, 1. Planänderung eingereicht: öffentliche Auslegung, die Anzahl der Einwendungen steigt auf 7.200.
  • 04. Dezember 2009, 2. Planänderung eingereicht
  • Anfang/Mitte Januar bis 17. Februar 2010 öffentliche Auslegung: Antrag auf die vorgezogene Maßnahme „Ufersicherungskonzept Altenbrucher Bogen“. Die Maßnahme ist dringlich, da das Ufer und die Deiche in diesem Bereich massiv errodieren. Sie kann durchgeführt werden.
  • 10. Mai 2010; 3. Planänderung eingereicht
  • 31. Mai bis 14. Juli 2010 öffentliche Auslegung: Es hatte erneut ca. eineinhalb Jahre gedauert, bis die Planunterlagen überarbeitet waren.
    Vorgesehen war, dass noch im selben Jahr der Planfeststellungsbeschluss erfolgen kann. Jedoch gibt es erneut mehrere tausend Einwendungen mit denen sich die Planer auseinandersetzen mussten.
  • 04. Januar 2011: Die Planfeststellungsbehörde reicht die Planunterlagen zur Fahrrinnenanpassung  der Elbe bei der EU-Kommission ein, die eine Stellungnahme nach der FFH-Richtlinie bei solchen Vorhaben abgeben muss.
  • 06. Dezember 2011: Die EU-Kommission stellt deutlich negative Auswirkungen auf die Umwelt fest, insbesondere auf Natura 2000-Gebiete. Daher werden verschiedene Auflagen im wesentlichen in Bezug auf den geschützten Schierlings-Wasserfenchel formuliert. Dennoch soll die Elbvertiefung durchgeführt werden, „aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses“.[3]
  • Juli 2012: Umweltschutzverbände, Städte und Kommunen sowie Einzelpersonen und andere Verbände reichen insgesamt 13 Klagen beim Bundesverwaltungsgericht gegen den Planfeststellungsbeschluss ein. Darüber hinaus wird ein Eilantrag (einstweilige Verfügung) eingereicht, um vorgezogene (strom-)bauliche Maßnahmen zu verhindern, die vor der endgültigen Entscheidung über das Verfahren umgesetzt werden sollen.
  • 17. Oktober 2012: Das Bundesverwaltungsgericht gibt dem Eilantrag statt. Die geplanten vorgezogenen baulichen Maßnahmen seien Eingriffe, deren Auswirkungen bei einer Ablehnung der Elbvertiefung nicht mehr rückgängig gemacht werden können.
    Das Hauptverfahren soll abgewartet werden. Der Zeitpunkt des Hauptverfahrens wird für Herbst 2013 erwartet.[4]
  • 11. Juli 2013: Das Bundesverwaltungsgericht setzt das Verfahren für die Weservertiefung aus. Es wendet sich mit einem umfangreichen Fragenkatalog an den Europäischen Gerichtshof (EuGH), um zu klären, ob die Weservertiefung mit der EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) vereinbar ist.
    Da die WRRL auch für die Elbvertiefung gilt, wird vermutet, dass das Hauptverfahren zur Elbvertiefung ebenfalls zurück gestellt wird, bis der EuGH zur geplanten Weservertiefung Stellung bezogen hat.[5]
  • 09. August 2013: Hamburg und Bund veröffentlichen eine “Ergänzung des Fachbeitrags zur WRRL – Vorsorgliche Bewertung der Auswirkungen des Vorhabens
    im Hinblick auf das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot und das wasserrechtliche Verbesserungsgebot nach dem Maßstab einer strengen Status Quo-Theorie”[6]
  • Bis 09. September 2013: Die Umweltverbände haben bis zu diesem Termin Zeit, ihre Stellungnahme zu der “Ergänzung” abzugeben.[7]
  • 01. Oktober 2013: Hamburg und der Bund beschließen einen Ergänzungsbeschluss zum Planfeststellungsverfahren “…hinsichtlich des Vorliegens der Ausnahmegründe des § 31 Abs. 2 WHG/ Art. 4 Abs. 7 WRRL” und reichen diesen beim Bundesverwaltungsgericht ein. Es geht im wesentlichen um die Gegenüberstellung von einer möglichen sehr geringen bis ausnahmsweise mäßigen Verschlechterung der Wasserqualität im Verhältnis zum übergeordneten öffentlichen Interesse.[8]
  • Bis 09. November 2013: Der Hamburger Senat und der Bund haben die Planunterlagen kräftig überarbeitet. Daraufhin erhielten die klagenden Umweltverbände die Möglichkeit zu diesem neuen Gutachten eine Stellungnahme beim Bundesverwaltungsgericht abzugeben.[9]
  • 03. Dezember 2013: Das Bundesverwaltungsgericht teilt per Pressemitteilung den Verhandlungsbeginn zur Elbvertiefungsklage mit: 15. Juli 2014, angesetzt sind weitere 5 Verhandlungstage in der 29. und 30. Kalenderwoche, ggfs. 3 weitere in der 31. Kalenderwoche.[10]
  • 15. Juli 2014: Eröffnung der Verhandlung über die Klagen der Umweltverbände gegen die Elbvertiefung. Insgesamt wurde 5 Tage über die Zukunft unserer Elbe verhandelt, bei der die Antragsteller häufig kritische Fragen beantworten mussten.[11]
  • 02. Oktober 2014: Das Bundesverwaltungsgericht verkündet das Ergebnis seiner Beratungen nach der Verhandlung zur Elbvertiefung. Da sich in Bezug auf die Verschlechterung der Wasserqualität die selben Fragen stellen, wie bei der Weservertiefung, setzt das Gericht die Verhandlungen aus, bis der EuGH zur Weservertiefung zu einem Ergebnis gekommen ist. Dieses ist dann auf die Elbvertiefung übertragbar. Außerdem bemängelt das Gericht deutlich die schlechte Arbeit der Planungsbehörden im Bereich des Artenschutzes, der Umweltverträglichkeitsprüfungen und der FFH-Richtlinien. Hier muss erheblich nachgearbeitet werden.[12]
  • 24. März 2016: Am Gründonnerstag kurz vor Büroschluss und unmittelbar vor einem extralangen Osterwochenende haben die Stadt Hamburg und die Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt, Außenstelle Nord, den 2. Ergänzungsbeschluss zum Planfeststellungsbeschluss veröffentlicht. Am 13. November 2015 wurden die Unterlagen Behörden, Institutionen und Umweltverbänden zugesandt und bis zum 23. Dezember 2015 konnten Stellungnahmen eingereicht werden.
    Ein Schelm, wer Böses bei dem Termin der Veröffentlichung mutmaßt. Sicherlich ist die Entscheidung, die Unterlagen am Gründonnerstag zu veröffentlichen, im Sinne der interessierten Öffentlichkeit gefallen. Wann hat man schon mal so viel Zeit, über 200 Seiten intensiv und in einem Stück durchzulesen. 😉 [13]
  • 1. Juni 2016: Fristgemäß reichen die klagenden Verbände BUND und NABU mit Unterstützung des WWF ihre Stellungnahme zum Planergänzungsbeschluss beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ein. Sie beanstanden, dass weder die Mängel, die vom Bundesverwaltungsgericht gerügt wurden, behoben sind, noch die Rechtsprechung zur EU-Wasserrahmenrichtlinie eingehalten wurde. [14]
  • 8. Juni 2016: In einer kurzen und knappen Pressemitteilung teilt das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig mit, dass die nächste öffentliche mündliche Verhandlung zur Elbvertiefung vom 19. – 21.12.2016 angesetzt ist. [15] Die Beklagten jubeln und gehen von einem positiven Bescheid des Gerichts noch in diesem Jahr aus. Die Hafenwirtschaft und der Anwalt der Kläger dämpfen die Vorfreude der Behörden. Sie gehen davon aus, dass das Urteil erst nach einer Beratungszeit nach der Verhandlung gefällt wird. Die Umweltverbände sehen in der Ansetzung von drei Verhandlungstagen eine ernsthafte Verhandlung und nicht nur Formalien. Das Gericht selbst soll auf Nachfrage zur Urteilsverkündung gesagt haben, dass der Termin am Ende der mündlichen Verhandlung bekannt gegeben wird. [16]
  • 19.-21.12.2016: Erneut verhandelte das Bundesverwaltungsgericht mündlich zur geplanten Elbvertiefung. Gegen Mittag des 3. Verhandlungstages trugen Kläger und Beklagte ihre Anträge vor: Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses bzw. Abweisen der Klage. Da es noch viele neue Aspekte gab, erging noch kein Urteil, wie von den Beklagten erhofft. Verkündungstermin für das Beratungsergebnis ist jetzt der 9.2.2017.
  • 09.02.2017: Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat festgestellt: “Die Planfeststellungsbeschlüsse für den Fahrrinnenausbau von Unter- und Außenelbe sind wegen Verstößen gegen das Habitatschutzrecht rechtswidrig und nicht vollziehbar. …” Konkret heißt das, dass vorerst keine Maßnahmen im Rahmen der geplanten Elbvertiefung durchgeführt werden. Zunächst müssen die Vorhabensträger noch Nachsitzen in Bezug auf Kohärenzmaßnahmen und Untersuchungen zur Versalzung der Elbe. Wenn das nachgearbeitet ist, müssen die Unterlagen noch mal ausgelegt werden und die Naturschutzverbände können diese prüfen und ggf. Einwände formulieren.[17]
  • 28.11.2017: Es standen noch verschiedene Klagen von Anrainern, Betroffenen und Verbänden aus. Am 28.11.2017 hat das Bundesverwaltungsgericht die Klagen der Städte Otterndorf und Cuxhaven sowie der Berufsfischer abgewiesen. Der auch klagende Jagdverband einigte sich im Rahmen der Verhandlung mit den Vorhabensträgern, so dass seine Klage nicht mehr verhandelt werden musste.[18]

Das im Frühjahr 2015 erwartete Ergebnis zur Wasserrahmenrichtlinie kam dann doch erst am 01.07.2015. Seit dem herrscht Schweigen zur Weservertiefung, die letzte Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts stammt vom 11.07.2013 und bezieht sich auf die Vorlage von Fragen zur Wasserrahmenrichtlinie beim EuGH. Zum Thema Elbvertiefung gibt es nun zumindest die nächsten Verhandlungstermine. Dennoch, das Thema Rechtstreit rund um die Elbvertiefung entwickelt sich  zu einer unendlichen Geschichte. Der Hamburger Senat und das Bundesverkehrsministerium haben offensichtlich nicht mit dem deutlichen und begründeten Widerstand gegen die erneute „Fahrrinnenanpassung“ gerechnet. Sie haben von Beginn an nachweislich schlecht gearbeitet und mussten immer wieder Planänderungen anfertigen. Aber auch in den immer wieder überarbeiteten Planungsunterlagen glaubte man, sich um die Umwelt nur am Rande kümmern zu müssen.

Wie in vielen Planfeststellungsverfahren und Großprojekten hängt das Schicksal der Elbe noch immer am Bundesverwaltungsgericht, welches sich zum obersten Naturschützer entwickelt.

Ausführliche Informationen zum Projekt „Fahrrinnenanpassung“ mit allen Planungsunterlagen finden Sie auf den Internetseiten vom Projektbüro Fahrrinnenanpassung .

Einen Überblick über die Geschichte der Unterelbe-Ausbauten und –vertiefungen gibt es bei Wikipedia unter dem Stichwort „Elbvertiefung“ und auf unserer Seite “Änderungen der Elbe“.


[1] Detaillierte Unterlagen zu den diversen Stufen des Planfeststellungsverfahrens einschließlich der eingereichten Unterlagen finden Sie auf den Seiten des Projektbüros Fahrrinnenanpassung
[2] NDR Info hat eine umfangreiche Artikelsammlung zum Thema Elbvertiefung. Die chronologische Übersicht über die Eingriffe in die Unterelbe ab 1834 bis heute hat der NDR zwischenzeitlich gelöscht, so dass wir auf die Wikipedia, Historische Elbvertiefung verweisen. Das Bündnis “Lebendige Tideelbe” hat ebenfalls eine Chronik veröffentlicht.
[3] Stellungnahme der Kommission vom 06.12.2011 auf Ersuchen Deutschlands nach Artikel 6 Unterabsatz 4 Unterabsatz 2 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen: Verbreiterung und Vertiefung der Fahrrinne Unter- und Außenelbe bis zum Hamburger Hafen (Deutschland), Seite 7
[4] Pressemitteilung Nr. 101/2012 BVerwG 7 VR 7.12, Eilantrag gegen die Elbvertiefung erfolgreich
[5] Hamburger Abendblatt vom 11.07.2013, “Weservertiefung liegt weiter auf Eis: Verfahren ausgesetzt”
[6]Ergänzung des Fachbeitrags zur WRRL – Vorsorgliche Bewertung der Auswirkungen des Vorhabensim Hinblick auf das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot unddas wasserrechtliche Verbesserungsgebotnach dem Maßstab einer strengen Status Quo-Theorie”, Auftraggeber WSV Bund, WSA Hamburg, FH Hamburg, HPA, 09.08.2013
[7] Die Welt vom 29.08.2013, “Elbvertiefung: Stadt legt Gutachen vor”und das Hamburger Abendblatt vom 29.08.2013 “Streit über Elbvertiefung – Hamburg legt neues Gutachten vor” bejubeln ein Gutachten aus Hamburg, dass die Elbvertiefung doch ermöglichen soll.
[8] Endfassung 1. Ergänzungsbeschluss zum Planfeststellungsbeschluss für die Fahrrinnenanpassung der Unter-und Außenelbe für 14,5 m tiefgehende Containerschiffe vom 23.04.2012 (Az.: P-143.3/46)hinsichtlich des Vorliegens der Ausnahmegründe des § 31 Abs. 2 WHG/ Art. 4 Abs. 7 WRRL, Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt Außenstelle Nord – Planfeststellungsbehörde -, 01.10.2013
[9] FAZ vom 01.11.2013 “Elbvertiefung – Alarm im Hafen”
[10] Bundesverwaltungsgericht, Pressemitteilung Nr. 84/2013, “Elbvertiefung wird im Juli 2014 mündlich verhandelt”, 03.12.2013
[11] Siehe auch unsere Protokolle zu den Verhandlungstagen vom 21.07.2014 und 24.07.2014
[12] Siehe auch unsere Beiträge zum Verhandlungsergebnis und zu den Stimmen in den Medien
[13] 2. Ergänzungsbeschluss zum Planfeststellungsbeschluss für die Fahrrinnenanpassung der Unter- und Außenelbe für 14,5 m tiefgehende Containerschiffe vom 24.03.2016, Seite der WSD zur Fahrrinnenanpassung Elbe.
[14] Gemeinsame Pressemitteilung  von BUND, NABU und WWF vom 01.06.2016
[15] Bundesverwaltungsgericht, Pressemitteilung Nr. 50/2016, “Erneute mündliche Verhandlung zur Elbvertiefung im Dezember 2016”,  08.06.2016
[16]DIE WELT vom 08.06.2016 “Nächste Verhandlung zur Elbvertiefung vor Weihnachten” und Hamburger Abendblatt “Elbvertiefung: Kommt das Urteil noch 2016?”
[17]Siehe unseren Beitrag “Kirschgrüne Entscheidung” mit Verweisen
[18]Siehe unseren Beitrag “Klage abgewiesen” mit Verweisen