Bericht aus Otterndorf

Havarie1Am 7. Mai 2015 hatten die Aktionsgemeinschaft Unterelbe e.V. (AGU) und das Regionale Bündnis gegen die Elbvertiefung (ReBügEl) zu der Informationsveranstaltung „Havarierisiken auf der Elbe“ in Otterndorf eingeladen.

Rund 200 Teilnehmer durften die beiden Gastgeber in der proppenvollen Seelandhalle begrüßen. Ein neuer Flyer des Bündnisses gab den Teilnehmern einen Überblick über die Havariethematik. Nach der Begrüßung durch die Gastgeber, die Herren Harald Zahrte und Walter Rademacher, zeigte Kapitän Klaus Schroh gut verständlich auf, was aus Sicht eines erfahrenen Kapitäns die Planer der Elbvertiefung der Öffentlichkeit vorenthalten, vergessen oder auch unterschlagen haben. In Gegenüberstellung der zur Planung der Elbvertiefung in 2002 vorhergesagten Schiffsgrößen (Bemessungsschiff) zu den heutigen doppelt so großen Schiffen, zeigte er auf, dass die geplante neunte Elbvertiefung den Bedürfnissen der Schifffahrt nicht entspricht. Eine deutliche Verbreiterung des Fahrwassers samt Drehkreisen wäre nach internationalen Standards zur Vermeidung von Havarien erforderlich gewesen.

Die weiteren Referenten klärten über Gefahrguttransporte (Herr Rüdiger Rohland, Wasserschutzpolizei Hamburg), die Havariegefahren aus technischen Ausfällen von vernetzten Navigationseinrichtungen auf Großcontainerschiffen (Herr Horst Domnick, Kapitän, Mitglied von Hamburg für die Elbe) und die Folgen von Havarien für die Unterelbe durch Ölverluste (Herr Carlo van Bernem, Helmholtz Zentrum Geesthacht) auf. Den Zuhörern blieb, so war den Nachfragen aus dem Auditorium zu entnehmen, die Luft weg – was hat Hamburg hier geplant?

Herr Walter Feldt legte dar, dass die Planungen für die vor Gericht stehende Elbvertiefung abgeschlossen seien. Das Thema Havarierisiko von Containerschiffen wird in dem über 2.600 Seiten umfassenden Planfeststellungsbeschluss vom April 2012 in lediglich zwei Absätzen erörtert.

Havarie2„Ignoriert worden“ entgegnet flüsternd das Auditorium. „Was kann man jetzt noch dagegen tun?“ wird gefragt. Geraunt wird „massiven Protest bei Herrn Enak Ferlemann“ zum Ausdruck bringen. Herr Enak Ferlemann ist Staatsekretär im Bundesverkehrsministerium und dort für die Elbvertiefung verantwortlich. Zugleich sitzt er seit 1991 im Kreistag des Landkreises Cuxhaven und im Rat der Stadt Cuxhaven. Die Stadt Cuxhaven klagt mit Unterstützung von Herrn Ferlemann gegen die Elbvertiefung.

Herr Walter Rademacher räumt mit dem Ammenmärchen der nicht vorhandenen Havariegefahren auf: in einer langen Kette von Beispielen führt er Havarien von Containerschiffen auf der Unterelbe (Maersk Santana, Dresden Express, Choapa Trader), in der unmittelbaren Nachbarschaft (Umm Salal in Antwerpen) und den weltweiten „Schlagzeilen“ (MSC Flaminia, MOL Comfort) auf. Er verdeutlicht, dass wir an der Unterelbe mit einem gewaltigen Havarierisiko durch Containerschiffe leben, das uns allen nicht präsent ist. Raunen: Hatte das Auditorium nicht zuvor von knapp 6.000 Schiffsanläufen mit Gefahrgütern nach Hamburg gehört? Von Problemen bei der Schiffstechnik und den Auswirkungen von Ölunfällen?

Mit Abschluss der Vorträge ist das Auditorium erschlagen, diskutiert aber wissbegierig weiter. Die Schlussfrage: Lastwagen mit einem Gewicht von 20 Tonnen dürfen auch nicht über Straßen fahren, die nur für 10 Tonnen freigegeben sind. Warum dürfen 20.000 TEU Schiffe ungehindert auf der Elbe fahren, wenn diese nicht einmal für das „Bemessungsschiff“ tief genug sein soll? Herrn Schroh verweist auf die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung Nord, die regelmäßig Ausnahmegenehmigungen für die Riesen ausstellt. Warum diese Genehmigungen standardmäßig vergegeben werden, kann er nicht erklären. Man spürt, dass jetzt der Bürger gefragt ist:  Nachfragen bei der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung Nord zu diesen Ausnahmegenehmigungen erscheinen empfehlenswert.

Fazit: Eine gelungene Informationsveranstaltung ohne Hochglanzbroschüren, auf Augenhöhe ohne Platitüden und Marketinggetöse. Eben von Bürgern für Bürger. Ein Vorbild für die gesamte Unterelbe. Und da gehört Hamburg, aber auch Schleswig-Holstein zu. Hamburg legt Anfang Juni nach! Dazu in Kürze mehr.