Es ist vierzehn Tage her, dass die Jubelmaschine Hamburg-Hafen-Marketing die bei der Bekanntgabe der aktuellen Umschlagszahlen bekannte positive Dur-Tonalität in ein lethargisches Moll überführte. Angesichts des verhaltenen Containerumschlages stand nun seit langer Zeit wieder das bisherige Schmuddelkind des Hafenumschlags, die Massengüter, im Fokus und musste den rückläufigen Containerumschlag kaschieren. HHM war es angesichts der schlechten Containerzahlen nicht zu peinlich, den Kohleumschlag der CO2-Schleuder in Moorburg mit freundlichen Worten zu erwähnen.
Selbst der als “profan” angesehene Stückgutumschlag fand sogar ungewöhnliche Beachtung. Es ist wirklich selten, dass die “prächtigen” Container” an die letzte Stelle der Berichterstattung der Hafenverantwortlichen rutschen. Etwas verhalten wurden die Ursachen benannt. Sinngemäß: für das eingebrochene China- und Russlandgeschäft kann doch von den “Hafenverantwortlichen” wirklich keiner etwas… Und die Elbvertiefung, ja die fehlt einfach – da fing die Jubelmaschine wieder an, die Lautstärke zu erhöhen und auf Dur umzustellen.
In den Medien huldigt man diesen Wirtschaftsproblemen in China und Russland mit Nachsicht. Keiner fragt nach, warum Hamburg im Gegensatz zu den Hauptkonkurrenten in Rotterdam, Bremen und Antwerpen derart “hart” getroffen wurde. Wie konnten derartige Einbußen eintreten, wenn doch seit dem Jahr 2002 in Prognose über Prognose utopische Umschlagszahlen für das Jahr 2015 über 2020 und bis in das Jahr 2030 punktgenau ermittelt hatte? Jene Prognosen, mit denen Hamburg seit 2002 die anstehende Elbvertiefung begründet, seitdem diverse Milliarden für die Tiefenhaltung und eine fragwürdige Infrastruktur verbuddelt und die Umwelt sowie die Gesundheit der Menschen an der Unterelbe vergessen lässt.
War die Weltfinanz- oder -wirtschaftskrise ab dem Jahr 2008 nicht ein für Hamburg ausreichendes Lehrgeld? Nein, die politisch Verantwortlichen und Planer haben alle Lehren bei Seite gewischt. Alles musste weiter auf eine Karte gesetzt werden: das Chinageschäft und nochmals das Chinageschäft.
Jeder vernünftige und ehrbare Hafen-Kaufmann handelt nach dem Vorsichtsprinzip. Er versucht sich zu diversifizieren und sein Geschäft breit aufzustellen. Nicht nur Container aus und für China, sondern auch aus anderen Regionen der Welt. Und vor allen Dingen andere Formen des Hafenumschlages.
So scheinen es jedenfalls die anderen großen Häfen der Nordrange gemacht zu haben. Kein anderer Nordrangehafen hat sich wie Hamburg auf den Umschlag von Containern aus dem asiatischen Raum fokussiert: in 2014 waren es über 53 %. In Bremerhaven waren es etwas über 17%. Dort fühlt man sich auch für anderes Umschlagsgut, namentlich Autos, zuständig. Ähnlich hat man sich in Rotterdam und Antwerpen den LNG-Umschlag (Flüssiggas) als weiteres Standbein gesucht. Was hat Hamburg für seine Kompetenz im Stückgut- und Massengutumschlag getan? Als hinterwäldlerische Schmuddelkinder gelten die beiden – mit denen spielt man als moderner Senat einfach nicht mehr!
Eine schriftliche kleine Anfrage in der Bürgerschaft bestätigt mit den Senatsanworten das Fehlen einer für Hamburg sinnvollen Hafenstrategie. Hier scheint man nur Container, und die auch möglichst nur mit China, zu können. Dafür braucht man ja von Seiten der Politik und Wirtschaft nur die Elbvertiefung – koste es, was es wolle. Ach ja: eine Bank und eine Reederei braucht man auch. Letztere kannibalisiert den Hamburger Hafenumschlag auch noch durch Direktanläufe in Danzig – ein strategisches Meisterstück!
Sehr traurig macht das – jahrzehntelanges Know-how im Hamburger Hafen wird bzw. wurde mit dieser Politik verspielt. Dass nur noch das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig diesen Irrsinn über einen Stopp der Elbvertiefung aufhalten kann, macht uns sehr stutzig.
Nachtrag:
Wir haben anhand der statistischen Umschlagsveröffentlichungen der Häfen Hamburg, Rotterdam, Bremen/Bremerhaven, Zeebrügge und Antwerpen, jeweils die Containerumschläge der Jahre 2012 bis 2014 nach Kontinenten (Im- und Export, Leercontainer) ausgewertet. Des weiteren haben wir die Umschlagsaktivitäten dieser Häfen über die Jahre betrachtet.
Auffällig ist die schlechte statistische Dokumentation des Hamburger Hafens und dessen seit Jahren einseitige Ausrichtung nahezu ausschließlich auf das Containergeschäft. Ältere Berichte der Häfen senden wir Ihnen gerne auf Anforderung zu.