Schlagwort-Archive: PLANCO

Verkehrskollaps

Das Abendblatt berichtete am 15.04.2015 von derAutobahn Verkehrsstudie “Verkehrsinfrastruktur und ihre Auslastung” in der Metropolregion Hamburg. Die Studie ist vom HWWI in Zusammenarbeit mit der HSH-Nordbank erstellt und am Wochenende im Internet veröffentlicht worden.

Bei den in dieser Studie unterstellten Wachstumsraten für den Handel und die Hafenumschläge werden bei unverändertem Verhalten der Verkehrsteilnehmer im Zeitpunkt 2020 … alle Autobahnen in und um Hamburg in den Tagesstunden Auslastungen im Staubereich aufweisen. Auch auf den Schienenwegen kommt es zu deutlichen Zuwächsen, vor allem gen Süden und gen Osten. Hier besteht vor allem bei der Trasse von Hamburg nach Hannover akuter Handlungsbedarf.” wird im Executive Summary festgestellt.

Wir erfahren, dass es viele mit dem Pkw pendelnde Arbeitnehmer gibt (Privater Verkehr), die zusammen mit dem Güterverkehr in den Morgen- und Abendstunden zu Staus auf den Straßen führen. Obwohl Hamburg sich weltweit als Eisenbahnhafen bezeichnet, werden nur 25% der umgeschlagenen Container mit der Bahn ins Hinterland transportiert. “Gerade bei den Gütertransporten deuten die Daten darauf hin, dass der Lkw nicht nur im Nahbereich, sondern erstaunlich häufig auch bei Entfernungen von mehr als 200 km als Transportmittel genutzt wird.” stellen die Autoren auf Seite 43 fest.

Die Autoren übernehmen für ihre Verkehrsprognose die Umschlagsprognosen des Senates für den Hafenumschlag von 4,1 bzw. 6,1 % pro Jahr und ermitteln daraus die jährlichen Steigerungsraten im Güterverkehr bis in das Jahr 2020. Der Personenverkehr, so wird angenommen, wird sich in seiner Struktur bis 2020 nicht wesentlich verändern und auf einem ähnlichen Niveau wie heute sein. Mit diesen Annahmen werden z.B. für 5 Messpunkte an den Autobahnen A1, A7 und A24 die Auslastungen im tageszeitlichen Ablauf ermittelt: An allen Autobahnen wird werktäglich zwischen 6:00 und 19:00 Uhr der Auslastungsgrad von 100% überschritten – es herrscht Dauerstau!

Um die für das Jahr 2020 vorhergesagten Zuwächse zu vermeiden oder zumindest zu lindern, werden in der Studie verschiedene verkehrspolitische Optionen diskutiert. Das wichtigste Ergebnis ist hierbei, dass ein Ausbau der Autobahnen zwar höhere Kapazitäten schafft, diese jedoch kaum ausreichen werden, um zähflüssigen Verkehr oder Staus zu Hauptverkehrszeiten zu vermeiden. Flankierend werden daher weitere Maßnahmen zur Lenkung und Verteilung der Verkehrsströme auf unterschiedliche Verkehrsträger und Tageszeiten angeregt.” finden wir zu Beginn der Studie. Doch welche mögen das sein?

Wir erfahren es in der Schlussbetrachtung auf Seite 41:

  • Neue Verbindungen schaffen, wie beispielsweise die Verlängerung der A20 und der A26 (inklusive Hafenquerspange), die bestehende Verkehre umlenken und die Belastung anderer Straßen und Nadelöhre, wie z.B. die Elbquerungen, mindern.
  • Instrumente zur Steuerung der Verkehrsflüsse und Verteilung auf unterschiedliche Verkehrsträger einführen – die Maut. Die gewerblichen Güterverkehre sind bereits mit dieser Gebühr belegt. Die für 2016 geplante Ausweitung für private Personenverkehre wird in Form einer Jahrespauschale die privaten Autofahrer nicht vom Autobahn-Fahren abhalten. Um die Belastungsspitzen in den Morgen- und Abendstunden zu entzerren wird eine tageszeitabhängige Maut vorgeschlagen: zu Stoßzeiten wird die Nutzung der Infrastruktur verteuert und zu ruhigeren Zeiten vergünstigt oder kostenfrei ermöglicht.
  • Geschwindigkeitsbegrenzungen auf den Autobahnen zu Hauptverkehrszeiten sollen
    strikter durchgesetzt werden, um die Aufnahmefähigkeit der Schnellstraßen zu maximieren. Dies wäre bei Geschwindigkeiten zwischen 80 und 90 km/h gegeben.

Wir pflichten den Autoren vollkommen zu, dass mit den Umschlagsprognosen des Senates für den Hamburger Hafen die Verkehre in und um Hamburg vollständig zum Erliegen kommen. Die Autoren haben aber nach unserer Einschätzung wesentliche Dinge unberücksichtigt gelassen: welche Kosten sind mit den vorgenannten Maßnahmen verbunden,  rechnen sich die zu ergreifenden Maßnahmen überhaupt noch, was müsste im ÖPNV getan werden und wollen wir in der Metropolregion Hamburg diesen Verkehrszuwachs überhaupt noch ertragen?

Mit den Ausführungen der Studie zum drohenden Verkehrskollaps hat die Elbvertiefung mit dem angeblich grenzenlos steigenden Containerumschlag auch die “deutschen heiligen Kühe” erreicht: Maut und Tempolimits. Wir begreifen die Studie als Vorschlag, dass die Autobahnen um die Metropolregion Hamburg ein tageszeitliches Tempolimit von 80 bis 90 km/h erhalten und eine tageszeitliche Maut für private Pendler eingeführt wird.

Der Vorschlag ist interessant – mal hören, was der Senat und die Bundesländer der Metropolregion Hamburg, namentlich Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern dazu sagen! Wir sind sehr gespannt.

PLANCO’s Peinlichkeit

Vor wenigen Tagen wurde auf den Seiten der HPA das “berühmt-berüchtigte PLANCO-Gutachten”, das für das Rumgeistern von sagenumwobenen 150.000 und am CTHArbeitsplätzen durch die Existenz des Hamburger Hafens verantwortlich ist, veröffentlicht. Um es genauer zu beschreiben: es ist lediglich die jährliche Fortschreibung des in 1997(!) von PLANCO erstellten Gutachtens. Das ursprüngliche Gutachten wurde für die Begründung der achten Elbvertiefung verwendet, und mit wenigen Modifikationen in 2004 auch für die jetzt vor Gericht stehende neunte Elbvertiefung produziert.

Mit der jetzt veröffentlichten Aktualisierung bekommen wir erneut die Arbeitsplatzzahlen des Jahres 1997, multipliziert mit Produktivitäts- und Umschlagssteigerungen auf das Jahr 2013 hochgerechnet, so lesen wir auf Seite 2 der Hauptstudie: “Generell orientiert sich die Methodik der Untersuchung zu Arbeitsplätzen und Wertschöpfung sowie Einkommens- und Steuereffekten durch den Hamburger Hafen an der Vorgehensweise der Studie „Bestimmung der regional- und gesamtwirtschaftlichen Bedeutung des Hamburger Hafens“ aus dem Jahr 2003. Hierbei handelte es sich um eine methodisch leicht modifizierte Variante der Studie aus 1997.” Die Form der Fortschreibung ist dabei seit einigen Jahren ein dicker Fauxpas für die Wirtschaftswissenschaften. Es gibt wenig bessere Beispiele, wie Wissenschaftler, hier die Ökonomen, ihre wissenschaftliche Disziplin öffentlich der Wissenschaftlichkeit berauben. Zum Schämen.

Die Veröffentlichung jener mit Steuergeldern bezahlten  “Fortschreibung der Berechnung zur regional- und gesamtwirtschaftlichen Bedeutung des Hamburger Hafens für das Jahr 2013” nimmt in Hamburg aufgrund der Peinlichkeit nicht einmal mehr das Abendblatt oder der NDR zur Kenntnis. Lediglich Hamburg-Hafen-Marketing berichtet in einer Pressemitteilung von diesem “Fortschreibungs-Ereignis“.

Zusammengefasst: in der Metropolregion Hamburg, die bekanntermaßen rund 500 Meter vor dem Bremerhavener Containerterminal CT4 in Weddewarden endet, sind nun 153.300 Arbeitnehmer hafenabhängig beschäftigt. Genau 126.921 Arbeitnehmer arbeiten dabei in Hamburg. Als indirekt Hafenabhängig Beschäftigte gelten weiterhin die Bäcker, die in Hamburg den Schleppermatrosen das Brot backen, die Bankangestellten, die den Hafenbeschäftigten das Bargeld auszahlen, die HADAG-Fährkapitäne, die die Hafenarbeiter und “Losten” von und zum Hafen bringen, aber auch das Personal am Rastplatz Hochfelln-Süd an der A8, das einem Trucker die Tankabrechnung aushändigt.

3 von 153.300
Drei von den 153.300 Beschäftigten?

Losten kennen Sie nicht? Wir auch nicht, aber dieser Tippfehler ist nun seit mehreren Jahren in den jährlich aktualisierten PLANCO-Fortschreibungen immer wieder auf der Seite 18 zufinden: der Gutachtentext zu den PLANCO-Fortschreibungen 2011 und 2012 scheint weder vom Auftraggeber, der HPA und dem Senat, noch vom Ersteller PLANCO selber gelesen worden zu sein. Er wurde jeweils nur marginal verändert. Nein, nicht auf die Jahreszahlen – die sind an vielen Stellen über die Jahre unverändert und falsch geblieben. Nicht einmal die Herleitung der Zahlen ab dem Kapitel 3. ist korrekt angegeben.

In Hamburg scheint das alles egal zu sein. Da liest man gerade Kapitel 1 und achtet darauf, dass die Zahlen auf den bunten “Sahne-Torten” (Kreisdiagramme) dargelegt sind. Wie PLANCO die Zahlen auf den Torten ermittelt hat, also die Ausführungen ab Kapitel 3, die interessieren bei den Verantwortlichen schon keinen mehr. Schön, dass diese Zahlen aber immer wieder verwendet werden: vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig und beim Planfeststellungsverfahren zu Westerweiterung…

Wann kommt das PLANCO-Gutachten?

Aus der schriftlichen kleinen Anfrage geht hervor, dass die seit Jahren mehrfach angekündigte Veröffenlichung des aktuellen PLANCO-Gutachtens erneut verschoben worden ist. Bereits im November 2013 wurde über eine kleine Anfrage die Veröffentlichung des aktuellen PLANCO-Gutachtens angemahnt: die in 2012 geplante Veröffentlichung war auf Veranlassung des Senats bereits mehrfach verhindert worden.

Das ursprüngliche Gutachten wurde in 2003 als das Hauptargument für die geplante Elbvertiefung angeführt, es wurde jedoch nicht veröffentlicht. Die Fortschreibungen des Gutachtens áuf Basis des Erhebungsjahres 2001 wurden erstmalig ab 2007 publiziert. Eine Anpassung an neue Erkenntnisse steht seitdem aus.

Neues PLANCO-Gutachten?

Der Senat soll über ein aktualisiertes PLANCO-Gutachten verfügen, wie eine kleine Anfrage erläutert. Wann wird es veröffentlicht werden?
Das PLANCO-Gutachten und seine Fortschreibungen sind für die Befürworter der Elbvertiefung die wesentliche Argumentationshilfe für die wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit der Vertiefung. Kritiker haben die vorgelegten Zahlen, deren Erhebung und Interpretation regelmäßig angezweifelt.