Zwangsoptimismus?

Zum “Weser-Urteil” des EuGH finden wir immer wieder Aussagen, dass die Elbvertiefung nun leichter durchsetzbar sein wird. Besonders hervorzuheben sei hier die Aussage des Direktors des Instituts für Deutsches und Europäisches Wasserwirtschaftsrecht, Herrn Prof. Dr. Michael Reinhardt. Wiederholt wird er zitiert, dass von einer Verschlechterung des Gewässerzustands nur dann auszugehen sei, wenn sich die Einstufung des gesamten Gewässers um eine Klasse nach unten bewegt.

Dagegen steht die Einschätzung der Umweltverbände, die wir in der aktuellen Pressemitteilung des Aktionsbündnisses “Lebendige Tideelbe” finden. Gut verständlich und mit Beispielen unterlegt erläutert das Bündnis das EuGH-Urteil und verweist noch einmal auf die Mängel, die bereits das Bundesverwaltungsgericht bezüglich der fehlenden Gründlichkeit gegenüber den Vorhabensträgern geäußert hat. Und sie gibt einen guten Eindruck, welche Aufgaben und Hürden vor den Vorhabensträgern der Elbvertiefung liegen.HamburgSüd2

Wir haben den Urteilstext gelesen und möchten auf einige Abschnitte in der Begründung hinweisen, die die Bewertung der Umweltverbände unterstreichen. In Ziff. 55 finden wir: “Der Wortlaut von Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 2000/60 spricht für eine Auslegung, wonach der Begriff der Verschlechterung des Zustands eines Oberflächenwasserkörpers auch Verschlechterungen erfasst, die nicht zu einer Einstufung dieses Wasserkörpers in eine niedrigere Klasse führen. Darin heißt es ausdrücklich, dass eine Verschlechterung des Zustands aller Oberflächenwasserkörper zu verhindern ist… Mithin sieht Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 2000/60 allgemein die Verpflichtung zur Verhinderung einer Verschlechterung des Zustands der Oberflächenwasserkörper vor, ohne eine etwaige Einstufung in eine andere Klasse zu erwähnen.” Weiter heißt in Ziff. 68: “Entgegen dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland lässt sich eine im Wesentlichen auf eine Abwägung der negativen Auswirkungen auf die Gewässer gegen die wasserwirtschaftlichen Interessen gestützte Auslegung, wonach lediglich “erhebliche Beeinträchtigungen” eine Verschlechterung des Zustands eines Wasserkörpers darstellen, nicht aus dem Wortlaut von Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 2000/60 ableiten.” Abs. 69: “Demnach ist der Kommission beizupflichten, dass eine “Verschlechterung des Zustands” eines Oberflächenwasserkörpers im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 2000/60 vorliegt, sobald sich der Zustand mindestens einer Qualitätskomponente im Sinne ihres Anhangs V um eine Klasse verschlechtert, auch wenn diese Verschlechterung nicht zu einer Verschlechterung der Einstufung des Oberflächenwasserkörpers insgesamt führt.

Es gibt mindestens 13 Qualitätskomponenten, sofern deren Unterpunkte nicht selbstständige Qualitätskomponenten sind (WRRL, Seite 34, 1.1.1). Nur eine einzige dieser Komponenten muss sich verschlechtern oder sich bereits in der schlechtesten Klasse befinden, dann darf die Elbvertiefung nicht durchgeführt werden. Hinzu kommt, dass der betroffene Bereich der Elbvertiefungsmaßnahmen aus 5 Teilgebieten der Elbe besteht. Für jedes dieser Teilgebiete gilt, wenn nur eine einzige Qualitätskomponente verschlechtert wird, dann muss das gesamte Projekt gestoppt werden. Vor diesem Hintergrund verstehen wir juristische Laien die vermeintliche Sicherheit der Vorhabensträger nicht, dass die Durchsetzung der Elbvertiefung durch das EuGH-Urteil einfacher würde.

Auch eine Durchsicht des aktuellen Entwurfs des Bewirtschaftungsplan unterstützt die Aussage der Verbände, dass die geplante Elbvertiefung dort keine Berücksichtigung findet. Somit basieren die geplanten Maßnahmen zur Verbesserung des Qualitätszustands der Elbe auf dem derzeitigen Zustand, nicht auf dem durch die Elbvertiefung zu erwartenden Zustand.

Ach ja, noch ein Hinweis zum Titel “Zwangsoptimismus”: Bereits am 01.07.2015 hat ein Abgeordneter der Bürgerschaft offenbar noch vor der Urteilsverkündung eine kleine Anfrage gestellt, die fragt, ob denn der Hamburger Senat schon auf die Umsetzung der Baumaßnahmen eingestellt sei. Anscheinend ist er davon ausgegangen, dass der EuGH den Vorhabensträgern den Weg frei räumt.