Senatszockerei

Hapag-Lloyd2Es war einmal ein Bürgerschaftsabgeordneter in der Hamburger Bürgerschaft, der war in der 20. Legislaturperiode ein sehr, sehr fleißiger Oppositionspolitiker, der sehr zum Wohl dieser Stadt kritische Themen in die öffentliche demokratische Diskussion hob. Dieser Politiker beteiligte sich in den vier Jahren zwischen 2011 und 2015 an 443 Schriftliche Kleine Anfragen und 52 Großen Anfragen. Mit somit fast 500 parlamentarischen Anfragen, zumeist zu Themenstellungen rund um den Hamburger Hafen, war er ein Hamburger Spitzenreiter in unserer Bürgerschaft. Chapeau!

In der 21. Legislaturperiode ist es sehr still um diesen bislang umtriebigen Politiker geworden. Als ein Fraktionsvorsitzender der jetzigen aus zwei Parteien bestehenden Regierungskoalition, scheint ihm das demokratische Gewissen durch öffentlichen Diskurs zum Wohl der Stadt nicht mehr so ganz am Herzen zu liegen. Eine einzige Schriftliche Kleine Anfrage in den vergangenen acht Monaten muss da schon den anscheinend bei Seite geschobenen Demokratieansprüchen genügen. Ein krasses und anrüchig riechendes Gefälle.AnjesTjarks

Gestern veröffentlichte das Manager Magazin, dass die Preisspanne der Aktien für den Börsengang von Hapag-Lloyd am unteren Preisende bei 23 Euro pro Aktie liegen wird. Nach der Reduktion des Emissionsvolumens verwundert uns angesichts der Vielzahl der Nachrichten um die am Boden liegende Containerschifffahrt dieser Niedrigstpreis nun wirklich nicht. Aber wir sind nur einfache Bürger!

Unser Senat, also die von uns gewählte Regierung und damit Verwalter unseres Staatsvermögens, sollte die Risiken und die Zusammenhänge mit einem Börsengang doch sehr, sehr viel besser als wir kennen. Wir kennen nur Brot- und Butterpreise.

Zurück zu unserem ehemals fleißigen Abgeordneten und seiner einzigen Schriftlichen Kleinen Anfrage. In dieser fragte er, wie hoch der Buchwert der Hamburgischen Hapag-Lloyd-Beteiligung sei und wie der aktuelle Bewertungspreis der Aktien in der Bilanz der HGV sei, die im Auftrag und Eigentum der Stadt Hamburg die Aktien an Hapag-Lloyd hält. Die Senatsantworten vom 16.06.2015 lauten ganz einfach:

  • Laut Antwort 3 sind die Hapag-Lloyd Aktien mit einem Wert von 1.004.152.804 Euro bilanziert
  • Laut Antwort 2 wurde „mit Blick auf die letztjährigen Entwicklungen aus kaufmännischer Vorsicht im März 2015 eine Abwertung vorgenommen und bewertet die an Hapag-Lloyd gehaltenen Anteile nunmehr einheitlich mit dem Kaufpreis im Zusammenhang der Kapitalmaßnahmen im Jahr 2012 (siehe Drs. 20/3306) in Höhe von 41,22 Euro je Aktie.

Nun dürfen wir, die sich mit Brot- und Butterpreise auskennen, wieder ran: Unsere Stadt besitzt gut 24,4 Mio. Stück Hapag-Lloyd-Aktien zum Preis von 41,22 Euro. Das ergibt die HGV-Bilanzierung von 1.004.152.804 Euro.

Wie müssen denn 24,4 Mio. Stück Hapag-Lloyd-Aktien zum Preis 23 Euro bilanziert werden? Richtig, das ergibt einen Betrag von 560.298.750 Euro. Die Differenz zwischen 1.004.152.804 Euro und 560.298.750 Euro macht genau 443.854.054 Euro aus.Hapag-Lloyd

Das ist der Verlust, den unsere Stadt Hamburg aufgrund dieses „Husch-Husch-Börsenganges“ von Hapag-Lloyd in den Wind schreiben kann. Das ist, sehr großzügig gerechnet, der Wert einer halben Elbphilharmonie. Glauben Sie nicht? Dann lesen Sie den Beitrag von NDR 90,3. Die kommen auf genau das gleiche Ergebnis durch den anstehenden Börsengang. Da bei den Öffentlich-Rechtlichen derartige Recherchen leider immer schnell verschwinden, hier das Pdf.

Wir danken dem ehemals engagierten Abgeordneten für diese seine einzige kleine Anfrage in diesem Jahr in der Hamburger Bürgerschaft. NDR 90,3 hat in seinem Beitrag nämlich noch weitere 150 Mio. Euro Verluste aus den zuvor erfolgten Aktienabwertungen ermittelt. Diese führen wir heute nicht einmal an. Auch lassen wir die fehlenden Dividendenzahlungen seit dem Jahr 2008 völlig außen vor.

Die Endabrechnung können wir erst machen, wenn der erste Börsenkurs notiert worden und der 31.12.2015 für die Bilanzbewertung in der HGV verstrichen ist. Erst dann können wir feststellen, ob die Hamburgische Staatsbeteiligung an Hapag-Lloyd uns Hamburger Bürgerinnen und Bürger eine halbe Milliarde oder eher doch eine ganze Elbphilarmonie gekostet hat. Wird besagter Bürgerschaftsabgeordneter jemals eine weitere Anfrage zu den verzockten Millionen stellen oder traut er es sich ob der Regierungsbeteiligung nicht mehr?