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Trübe Aussichten!

Noch liegen die offiziellen Zahlen für den Containerumschlag des Hamburger Hafens für das Jahr 2015 nicht vor. Absehbar ist jedoch seit dem letzten Quartalsbericht von Hamburg Hafen Marketing, dass das Ergebnis bei unter 9 Mio. TEU und auf dem Niveau des Jahres 2006, also noch vor der Finanz- und Wirtschaftskrise, liegen wird. Auch die Jahresabschlüsse der Hafenbetriebe und Reedereien liegen noch nicht vor. Die einbrechenden Frachtraten lassen jedoch nichts Gutes erwarten.

HHLA-CTBIn Hamburg sind wir es jedoch gewohnt, dass Senat und Hafenlobby diese Entwicklungen ignorieren bzw. Schön reden. Umso mehr überrascht es uns, dass die zu erwartenden Entwicklungen für den Hamburger Hafen, deutsche Reedereien und die weltweite Frachtschifffahrt, insbesondere die Containerschifffahrt, in mehreren Medien schon zu Jahresbeginn mit Vorsicht betrachtet werden. Im Hamburger Hafenblatt erfahren wir unter der Überschrift “Die China-Krise trifft den Hamburger Hafen”, dass der Direktverkehr zwischen Hamburg und China deutlich geschrumpft ist. Da der China-Handel ca. ein Drittel des Gesamtumschlags (Folie 15) ausmacht, ist dieser Einbruch an den Terminals deutlich zu spüren. Verbunden wird der Umschlagsrückgang immer wieder mit der Wirtschaftskrise in China. Doch: “Auffällig ist, dass insbesondere die Importe eingebrochen sind, während die Exportraten nach China vergleichsweise stabil bleiben. Das zeigt, dass in erster Linie die Nachfrage nach Produkten aus China nachgelassen hat.” wird der Schifffahrtsprofessor Burkhard Lemper, Direktor des Instituts für Seeverkehrswirtschaft und Logistik in Bremen, zitiert. Was hat dann der Umschlagseinbruch mit der Wirtschaftskrise in China zu tun?

Im Spiegel-Online finden wir ein kurzes Interview mit Thomas Straubhaar, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Hamburg, Globalisierung und Weltkonjunktur. Er benennt einen Faktor für den weltweiten Rückgang von Warentransporten: “Die Globalisierung, wie wir sie früher gefeiert haben, mit Containern, Schiffen und Häfen, wird immer weniger relevant. Es kann ökonomisch nicht nachhaltig sein, Standardgüter zentral herzustellen und sie um die halbe Welt zu transportieren. Künftig wird wieder mehr vor Ort produziert, näher am Kunden. … Wir erleben eine Zeitenwende. Die Globalisierung bekommt mit der Digitalisierung ein neues Gesicht. Der klassische Güterhandel mit standardisierten Massenprodukten ist ein Auslaufmodell.” Hier steckt also möglicherweise eine Ursache für den rückläufigen Warenimport über den Hamburger Hafen.

Ein paar Tage später wird der sogenannte Logistik-Experte Jan Ninnemann ebenfalls in der WELT zum Thema Entwicklung des Hamburger Hafens interviewt. Auch seine Prognosen für die Umschlagsentwicklung sind sehr zurückhaltend: “Kurz- und mittelfristig wird der Hamburger Hafen froh sein können, wenn sich der Umschlag auf einem Niveau zwischen acht und neun Millionen TEU stabilisiert. Die Mittelfristprognosen von 15 bis 16 Millionen TEU wiederum sind ja schon sehr konservativ im Vergleich zu früheren Zielangaben von 25 Millionen TEU und mehr bis zur Mitte des kommenden Jahrzehnts. Aber auch diese 15 Millionen TEU mittelfristig werden schwer zu erreichen sein.” Das sind übrigens Mengen, die der Hamburger Hafen mit seinen derzeitigen Terminals locker abwickeln kann, es braucht also keine Westerweiterung des EUROGATE Terminals. Auch Herr Ninnemann bestätigt den Rückgang der Importe aus Asien, insbesondere China mit der Begründung einer gewissen “Sättigung für günstige Waren und Vorprodukte aus China…“.

Zuletzt möchten wir auf den Artikel “Trübe Aussichten für die Schifffahrt” aufmerksam machen. Der Reeder Nikolaus W. Schües, Seniorchef der Traditionsreederei F. Laeisz, hielt vor dem Rotary Club Hamburg-Harburg einen Vortrag über weltweite Entwicklungen und Auswirkungen auf die Hamburger Hafenwirtschaft und deutsche Reedereien, die DIE WELT in diesem Artikel zusammenfasst.

HamburgSüd5Der massenhafte Neubau bzw. die Neubaubestellungen von Containerschiffen zwischen 10.000 und 20.000 TEU hat zu gravierenden Überkapazitäten geführt. Stilllegungen (Auflieger) und Verschrottungen können diesen Trend nicht aufhalten. Die Auswirkungen auf die Frachtraten und damit zurück gehenden Einnahmen bekam im letzten Jahr sogar die finanzstarke Reederei Maersk zu spüren. “Für 2016 wird laut HWWI ein Wachstum der Weltwirtschaft von rund 1,7 Prozent erwartet, wie schon für 2015. Der Tonnagezuwachs in der Containerschifffahrt aber wird bei mehr als sieben Prozent liegen, und er wird sich 2017 fortsetzen, weil die großen Containerschiffe fest bestellt sind. Gleichzeitig geht das Ladungsangebot durch Konjunkturschwankungen zurück…” bekommen wir zu lesen. Ergo brauchen wir auch für dieses und nächstes Jahr nicht mit einem besseren Containerumschlag in Hamburg zu rechnen. Für die deutschen Reedereien und die deutsche Handelsflotte signalisiert Herr Schües Katastrophales: “In einer aktuellen Umfrage erwarten 90 Prozent der deutschen Reedereien, dass bis 2020 nur zehn Prozent, also 40 Reedereien, die gegenwärtige Krise überleben werden.” Bei diesen Aussichten sehen wir schwarz für Arbeitsplätze in der maritimen Wirtschaft in Deutschland, da wird auch das “Subventionsprogramm” der Bundesregierung nichts nutzen.

Übrigens erfahren wir in diesem Artikel auch noch, dass amerikanische Behörden eine Begrenzung der Containerschiffsgrößen auf 14.000 TEU für ihre Häfen eingeführt haben sollen, weil sie die zusätzlichen Infrastrukturkosten nicht den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern zumuten wollen. So etwas ist in Deutschland undenkbar, hier werden alle Großreederei-Wünsche prompt umgesetzt und Milliarden Steuergelder in Häfen versenkt.

Und noch eine Ergänzung zu unserem Artikel “Schwefelpolitik“: “Einer der Gründe dafür, dass im Jahr 2015 so viele Schiffe auf asiatischen Werften auf Kiel gelegt wurden, findet sich im Umweltrecht: Schiffe mit Kiellegung bis zum Jahresende 2015 werden von zukünftigen, international gültigen Umweltauflagen ausgenommen. Fertiggestellt werden diese Neubauten in einem bis zwei Jahren.” Die Umgehung von NECA-Vorschriften lässt grüßen.

 

Branchenprimus schwächelt?!

Während Hapag-Lloyd den Börsengang für den Maersk30.10.2015 vorbereitet und nun auch für private Anleger lauter laue Luft über den Börsengang verbreitet wird, lesen wir über den Branchenprimus, der weltgrößten dänischen Containerreederei Maersk, sehr verhaltene Nachrichten: die Gewinnprognose für das Jahr 2015 wurde um 15 % zurückgenommen. “Das Containerschiffahrts-Geschäft habe sich in den vergangenen Wochen eingetrübt, teilte das Unternehmen am Freitag mit.” lesen wir im Handelsblatt.

Der Guardian wird konkreter: Hier werden schwächelnder Welthandel und bestehende Überkapazitäten in der Weltcontainerschifffahrt angeführt: “A toxic mix of overcapacity, low demand and aggressive pricing is depressing profits in the industry that carries up to 90% of global trade.

Lauer Wind weht also gerade nicht in der Containerschifffahrt. CSCL3Hapag-Lloyd, im ersten Quartal noch die Nummer vier der Branche und jetzt durch Evergreen auf Platz 5 verdrängt, bekommt weiteren Druck über die chinesischen Konkurrenten COSCO und CSCL. Die Fusionsgerüchte aus dem Frühjahr sind nun in Fusionsgespräche überführt worden. Der Aktienhandel der beiden halbstaatlichen Reedereien wurde seit dem 10.08.2015 ausgesetzt. Die chinesische Hochzeit würde Hapag-Lloyd auf Rang 6 zurückwerfen, also auf den Stand vor der Fusion mit der chilenischen CSAV. Der chinesische Fusionsdruck ist stark: in den letzten fünf Jahren sollen beide Reedereien einen Verlust von nahezu 1 Mrd. US$ eingefahren haben. Und Hapag-Lloyd? Die tiefroten Zahlen der vergangenen Jahre kennen Sie!

COSCO2Der Hapag-Lloyd-Börsengang, der ja ausdrücklich für den Bau von bis zu sechs eigenen Riesenschiffen mit 19.000 TEU Kapazität gedacht ist, wird durch den von COSCO vergebenen Auftrag für den Bau von 11 Riesenschiffen mit 19.000 TEU Kapazität zudem in den Schatten gestellt.

So fragen wir uns spätestens an dieser Stelle, was das alles für ein ökonomischer Unsinn ist. Wir sollen in Norddeutschland die Elbvertiefung finanzieren, damit hoch defizitäre Reedereien mit immer größeren Schiffen ohne Ladung nach Hamburg fahren können? Dafür sollen wir noch deutlich mehr giftige Sedimente aus der Elbe baggern und in der Nordsee bei Helgoland verklappen? Wir sollen die Hamburger Hafenanlagen für die Westerweiterung am Bubendeyufer bezahlen, damit dann noch deutlich weniger Container umgeschlagen werden? Wir sollen es toll finden, dass das HHLA-Terminal am CTB noch mehr automatisiert wird und Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren? Und nun sollen wir auch noch Aktien einer dieser Reedereien als “Hamburgensie” kaufen?

Warum sollen wir diesen Unsinn toll finden? Der vermeintliche wirtschaftliche Sachverstand in Regierungpolitik und Hafenwirtschaft führt immer wieder nur zu weiteren utopischen Forderungen nach unserer Staatsknete. Ein Ende ist, wie man auf dem maritimen Gipfel (morgen mehr) erneut sehen konnte, nicht erkennbar. Wie die Lemminge rennen alle auf einen tiefen Abgrund zu. Farin Urlaub hat bestimmt nicht an die Elbvertiefung oder die Containerschifffahrt gedacht. Ähnlichkeiten finden wir allerdings in der Refrainzeile “Sie wissen nicht, Sie raten” mehr als wieder.

Hapag-Lloyd und NOL

Vor einigen Tagen wurden Neuigkeiten um den Hapag-Lloyd12geplanten Börsengang von Hapag-Lloyd bekannt. Obwohl noch keine neuen Quartalszahlen von der Reederei vorliegen, sollen bereits vorbereitende Planungen gestartet worden sein. Die Deutsche Bank, Goldman Sachs und die Hamburger Privatbank Berenberg sollen mit der Vorbereitung des Börsenganges beauftragt worden sein.

“Hapag-Rivale Neptune Orient prüft eigenen Verkauf” heißt eine kleine Nachricht aus den letzten Tagen, die auf einen Artikel des Wall Street Journal Bezug nimmt. Der Wert der singapurische Reederei NOL wird dort mit 1,7 Mrd. US-Dollar angegeben.
Mit den Namen NOL und Hapag-Lloyd kommt der Name von Herrn Michael Kühne ins Spiel. Die drei Namen sind seit Jahren eng miteinander verwoben.

In 2008 hatte die singapurische NOL (Neptun Orient Line) versucht, Hapag Lloyd zu übernehmen, worauf hin das sogenannte „Albert Ballin-Konsortium“ gegründet wurde. Seitdem wirft Herr Kühne mit seiner Eigenschaft als großer Ankeraktionär regelmäßig  den Vorschlag in den Ring, einen Zusammenschluss von Hapag-Lloyd und NOL zu erwirken. Letztmalig Anfang Juni 2015. Kein Wunder, wenn der stellvertretender Vorsitzender des Verwaltungsrates von Kühne & Nagel – und damit seit 2002 direkter Stellvertreter von Herrn Kühne, Herr Bernd Wrede ist.

1,7 Mrd. US-Dollar sind viel Geld für Hapag-Lloyd. Wo soll das Geld für die kühnen Pläne herkommen? NOL’s Marke in der Containerschifffahrt ist APL (American President Lines) – ein Name, der von der Gesellschaft nur noch als Abkürzung verwendet wird. APL ist Mitglied der G6-Allianz um Hapag-Lloyd.
Und da sind wir wieder beim Börsengang. Gepaart mit einer  Kapitalerhöhung könnte Geld in die Kassen der Reederei gespült werden. Das setzt voraus, dass extrem gute Zahlen für das zweite Quartal vorgelegt werden. Wie die erarbeitet werden sollen, ist uns ein Rätsel. Von April bis Juni 2015 sind die Frachtraten massiv eingebrochen. Kurzfristige Ratenerhöhungen sind wie Seifenblasen geplatzt. Die verkehrsrundschau beschreibt die aktuelle Situation der Frachtraten. Wie sollen da schwarze Zahlen erreicht werden?

Für den Wert der staatliche Beteiligung unserer Stadt Hamburg sind das alles keine guten Vorzeichen. Börsengang, NOL-Erwerb und die Frachtratenentwicklung sprechen für weitere Millionen, die wir als Bürger und Steuerzahler dieser Stadt auf den Tisch werden legen müssen. Eine schriftliche kleine Anfrage in der Bürgerschaft fragt nach, was an dem Börsengang dran ist. Wieder einmal ist Wahrschau angesagt.

Nachtrag

Im Nachgang zu unseren Berichten zu den Umschlagszahlen im Hamburger Hafen Containerumschlageinschließlich HHLA/Eurogate und dem Hapag-Lloyd-Bericht, jeweils für das erste Quartal möchten wir noch ein paar Informationen nachschieben. Der Brancheninformationsdienst “Alphaliner” hat in seinen aktuellen Newslettern die von uns geschilderte Situation nahezu bestätigt:

  1. Containerumschlag 2014
    Hamburg ist mit den guten Umschlagssteigerungen in 2014 im Trend, den nahezu alle anderen Containerhäfen erleben durften. Platz 16 in der TOP30 der Weltrangliste ist unverändert.
  2. Hapag-Lloyd I/2015
    Hapag-Lloyd hat ein gutes Quartalsergebnis I/2015 produziert. Aber auch die Konkurrenten. Im Newletter wird das von uns beschriebene Marktgefüge aus sinkenden Ölpreisen, Frachtraten und Eurowert beschrieben und auf die bereits stattgefundenen Veränderungen der Preise im zweiten Quartal Bezug genommen. Die Aussichten scheinen alles andere als günstig: zumal die Frachtratenerhöhungen der vorletzten Woche sich bereits wieder deutlich verflüchtigen…

Die beiden Entwicklungen haben nichts, aber überhaupt garnichts mit der ausstehenden Elbvertiefung zu tun. Es grenzt an Volksverdummung, wenn von unseren Vertretern der Hafenwirtschaft samt Politikern immer wieder betont wird, dass die ausstehende Elbvertiefung irgendetwas mit der Höhe der weltweiten Frachtraten oder der Umschlagszahlen im Hamburger Hafen zu tun hat.

Rotterdam und Piräus

Die Frachtrate für den Transport eines Containers von Shanghai nach Nordeuropa (also auch Hamburg) ist in der vergangenen Woche von 399 US-Dollar/TEU auf das Rekordtief von nunmehr 349 US-Dollar gefallen. Zum Jahreswechsel lag diese Rate noch bei 1.149 US-Dollar/TEU.

Fast still und heimlich für uns Hamburger wurde am vergangenen Freitag der neue Rotterdamer Tiefwasserhafen “Maasvlakte 2” eröffnet.  Alleinig NDR-Info berichtete von dem neuen Hafen. Der dänische Branchenprimus Maersk schaffte es mit seinem neuen Terminal (Tochtergesellschaft APM) in vielen europäischen Medien auf die vorderen Seiten: unglaubliche 5 Mio. TEU neue Container-Umschlagskapazität, nahezu frei von arbeitenden Menschen, sind entstanden.

Parallel lesen wir zur “Griechenland”-Krise, dassCOSCO1 die Nutzungsrechte für den Hafen von Piräus und auch die griechische Eisenbahn nun wohl doch vollständig an China verkauft werden: Egal, welche Folgen das für die Menschen in Griechenland haben könnte! So wird erneut über einen neuen Brückenkopf Chinas nach Europa berichtet. Die chinesische Staatsreederei COSCO verfügt nun über 7 Mio. TEU Terminalkapazität samt Eisenbahn-Hafenhinterlandverkehr und kann Süd-Ost-Europa, d.h. nach Tschechien, Ungarn, Östereich mit deutlichen logistischen Zeitvorteilen bedienen.

All das interessiert unseren Hamburger Senat nicht: er kennt nur ein Weitermachen mit der Elbvertiefung wie bisher. Da kann der Sprecher der Geschäftsführung der Reederei Hamburg Süd, Herr Dr. Gast, eine Warnung nach der anderen zu der ruinösen Entwicklung im Containergeschäft aussprechen – im Rathaus sind die Senatsohren auf Durchzug gestellt. Neue frische Ideen für Hamburg, seinen Hafen und die Menschen wären gefragt.

Doch die gibt es nicht, obwohl die SPD HamelnHamburgerinnen und Hamburger doch gerade frisch gewählt haben…

… statt dessen gibt es Schokozwiebeln.

Drohung mit der Flagge

Unter der Überschrift “Den Reedern ist Schwarz-DeutschlandRot-Gold zu teuer” veröffentlichte das Hamburger Abendblatt am 04.12.2014 ein Interview mit Michael Behrendt in seiner Funktion als VDR-Verbandspräsident.

Die wesentlichen Inhalte:

  • Die Krise in der Schifffahrt hält an, die Fracht- und Charterraten sind zu niedrig um kostendeckend zu arbeiten.
  • Es wird, um im Reedereimarkt überleben zu können, zu weiteren Fusionen großer Reedereien kommen: „Der Wettbewerb werde sehr stark über Schiffsgrößen, noch effizientere Schiffe und bei den Linienreedereien insbesondere über Unternehmensgröße ausgetragen. Auch weitere Fusionen unter den weltgrößten Reedereien schloss er nicht aus.”

Dann gibt es den Schwenk zur Artikelüberschrift: Schiffe unter deutscher Flagge fahren unter wirtschaftlich ungünstigeren Bedingungen, als andere, selbst in EU-Ländern. Daher müssten die Vorschriften für Reedereien verbessert werden, u.a. durch

  • Verzicht auf die Lohnsteuer.
  • Zukünftig sollen zwei statt bisher vier deutsche Besatzungsmitglieder ausreichen, um unter deutscher Flagge fahren zu dürfen.
  • Eine endgültige gesetzliche Regelung, dass Schiffserlöspools von der 19-prozentigen Versicherungssteuer befreit sind.

Vor welchem Hintergrund und mit welchen potenziellen Folgen diese Forderungen aufgestellt werden, können wir am 08.12.2015 im Hamburger Abendblatt unter der Überschrift „Die deutsche Flagge wird zum Auslaufmodell“ lesen.

Nach einer kurzen Einführung, die sich einerseits auf die angekündigte Ausflaggung bei der Reederei NSB und andererseits auf das Interview mit Herrn Michael Behrendt bezieht, folgen Fragen mit Antworten.

  • Bisher müssen Schiffe, die unter deutscher Flagge fahren, im deutschen Schiffsregister eingetragen sein und einen deutschen Firmensitz haben. Je nach Schiffsgröße müssen bis zu 4 Seeleute aus Deutschland bzw. der EU kommen, davon muss einer Schiffsmechaniker sein (weitere qualifizierte Anforderungen scheint es nicht zu geben, Anm. d.A.).
  • Diese bis zu 4 Seeleute unterliegen dem deutschen Arbeits- und Tarifrecht. Für sie muss der volle Sozialversicherungsbeitrag abgeführt werden.
  • Für diese bis zu 4 Seeleute behalten die Reedereien bereits jetzt 40 % der Lohnsteuer ein.
  • Der Gewinn von Schiffen wird pauschal nach der Größe ermittelt (Tonnagesteuer) und nicht nach den tatsächlich erzielten Frachtraten.
  • Auf deutschen Seeschiffen gilt die Rechtsordnung von Deutschland. Sicherheitsbestimmungen unterliegen entsprechend deutschem Recht und im Ausland muss bei Problemen die deutsche Diplomatie eingeschaltet werden.
  • Deutsche Schiffe gelten anscheinend als relativ sicher. Sie haben im Vergleich mit anderen Flaggenstaaten weniger Ausfallzeiten bei den Schiffen und weniger Arbeitsunfälle.

Wir erfahren auch, um wie viele Schiffe und Arbeitnehmer/-innen es geht: Derzeit sollen ca. 170 Frachtschiffe noch unter deutscher Flagge fahren und ca. 6.000 Seeleute deutschem Recht unterliegen.

Der ver.di-Experte und Seebetriebsrat der NSB, Andreas Näser, bestätigt, dass es eklatante Gehaltsunterschiede zwischen den Flaggenstaaten gibt: “Ein Kapitän von den Philippinen erhält etwa 5000 Euro Gehalt im Monat, ein deutscher 12.000 oder 13.000 Euro”. Aber er hält die Forderungen des VDR nicht für sinnvoll: “Wo immer Reeder sparen können, werden sie es aus Renditegründen auch tun. Wenn sie sehen, dass man die nach dem VDR-Modell verbliebenen zwei deutschen Seeleute woanders billiger haben kann, denn werden sie auf die billigeren Arbeitskräfte zurückgreifen”, sagt er.

Wir schließen uns der kritischen Einschätzung von Herrn Näser an. Zunächst stellen wir uns die Frage, wie viele Subventionen die kommerzielle Seeschifffahrt noch bekommen soll? Welche Erträge für die Steuerkasse stehen eigentlich diesen staatlichen Subventionen entgegen? Wer bezahlt diese Subventionen? Im Wesentlichen sind es doch wir Steuerzahler!

Die Konkurrenz von „Billiglöhnern“ kennen wir aus allen wirtschaftlichen Bereichen, vor allem in der Produktion und Logistik. Es muss endlich Schluss sein, mit dem Abbau der sozialen und wirtschaftlichen Standards deutscher Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Mit welchem Recht sollen die Reedereien mit „billigem“ Personal weiter arbeiten können und noch finanzielle Unterstützung aus deutschen Steuergeldern erwarten dürfen? Die gewünschte Begünstigung wird keinen Arbeitsplatz in Deutschland „retten“.

Aber noch etwas fällt uns auf. Herr Michael Behrendt war bis Juni 2014 Vorstandschef bei Hapag-Lloyd. Seit der Fusion mit CSAV vor wenigen Tagen ist er wieder im Unternehmen: als Aufsichtsratsvorsitzender. Hapag-Lloyd fährt die meisten der eigenen Schiffe unter deutscher Flagge: 3Hapag-Lloyd108 Containerfrachter, 17 Frachter unter der Flagge Bermudas, fünf unter britischer Flagge und fünf unter US-Flagge. Welche Flagge die von Hapag-Lloyd gecharterten Schiffe tragen, möchten wir lieber nicht hinterfragen.

Will uns der Aufsichtsratsvorsitzenden von Hapag-Lloyd, Herr Michael Behrendt, über den Umweg als VDR-Chef auf eine bevorstehende Ausflaggung der 38 Hapag-Lloyd-Schiffen vorbereiten?