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Die Elbe ist unser Schicksal

Argentinienbrücke2Mit diesem bemerkenswertem Satz war ein Interview von Herrn Nikolaus Schües im Hamburger Abendblatt vor einigen Tagen überschrieben. Herr Schües verfügt mit seinem Lebenslauf und als geschäftsführender Gesellschafter der in Rostock ansässigen Reederei F. Laeisz GmbH über ein umfangreiches ökonomisches Wissen über die maritime Wirtschaft. Wenn er sich in der letzten Zeit häufiger äußert, muss ihn etwas drücken.

Und so lesen wir zur Schifffahrtskrise: “Das liegt daran, dass sie sich aus zwei Quellen speist: Zum einen ist das natürlich die Knappheit an Ladung, die jede Art von Frachter trifft und die einfach auf den schwachen Markt reagiert, zurzeit trifft es extrem die Massengutfrachter. Zum zweiten gibt es das System Containerschiffe, das eine Umstrukturierung auf immer größere Schiffe erlebt, während gleichzeitig die Nachfrage sinkt. Es werden noch immer wöchentlich größere Schiffe bestellt, obgleich der Bedarf dafür eigentlich fehlt. Im Grunde genommen ist das Irrsinn. Die Branche versucht das Feuer mit Benzin zu löschen. … Sie haben richtig gehört. Man muss die Krise ausbrennen lassen, und das wird noch einmal viele Jahre dauern. Es geht nicht anders. In den kommenden drei Jahren werden die Containerriesen ausgeliefert, die derzeit bestellt werden. Solange wird sich schon mal gar nichts ändern. Und dann wird es noch einmal möglicherweise drei Jahre dauern bis sich die Lage wieder normalisiert und sich die Kapazitäten dem Wachstum der Wirtschaft angleichen.” Damit Hamburg seine Bedeutung als Hafen halten kann, plädiert er weiterhin für die Elbvertiefung: “Die Fahrrinnenproblematik muss gelöst werden, weil wir nicht zulassen dürfen, dass Partikularinteressen über Gemeinschaftsinteressen obsiegen. Ich bin zuversichtlich: das Problem wird gelöst.” Und dann kommt:  “Die Elbe ist unser Schicksal.” Starke Worte, aber warum muss für diesen ökonomischen Unsinn, der sich über einige Jahre ausbrennen wird, die Elbe vertieft werden?

  • Wir erleben derzeit eine Entwicklung bei der Schifffahrt, wie wir sie ähnlich als Folge der Ölkrise Anfang der siebziger Jahre bei den Riesentankern oder nach der Weltfinanzkrise in 2009 bei den Containerschiffen erleben durften. Manch ein Leser wird sich dabei an die Geltinger Bucht erinnern. Was wird dem Ausbrennen der jetzigen Schifffahrtkrise mit dem Abgesang der Riesencontainerschiffe folgen?
  • Können wir die von Ökonomen kürzlich entdeckte Digitalisierung mit ihren gravierenden Auswirkungen auf Schifffahrt und Hafen einfach ignorieren? Die Statements von Herrn StraubhaarDie Globalisierung, wie wir sie früher gefeiert haben, mit Containern, Schiffen und Häfen, wird immer weniger relevant. Es kann ökonomisch nicht nachhaltig sein, Standardgüter zentral herzustellen und sie um die halbe Welt zu transportieren. Künftig wird wieder mehr vor Ort produziert, näher am Kunden. Wenn ich sehe, wozu 3D-Drucker fähig sind, wird sich da einiges tun.” oder von Herrn Henning VöpelDer Hafen in seiner heutigen Form ist nicht mehr der Wachstumstreiber. Man könnte dort ein Zentrum für 3-D-Druck aufbauen.” lassen aufmerken!

Mit diesen von Politik und maritimer Wirtschaft unbeantworteten Fragen erscheinen uns die auf kurze Sicht angelegten wirtschaftlichen Ziele der Reeder vielmehr als Partikularinteressen, denen das Gemeinschaftsinteresse untergeordnet werden soll.

Themenwechsel: Ebenfalls vor wenigen Tagen wurde die Ergebnisse des Monitorings des Jahres 2015 für die aussterbende Pflanze Schierlingswasserfenchel (Oenanthe conioides) veröffentlicht. Diese weltweit mittlerweile nur noch in Hamburg lebende Pflanze ist durch die Elbvertiefung vom Aussterben bedroht. Der Erhalt ihres Lebensraumes ist eines der vielen vor Gericht liegenden Streitthemen zwischen Planfeststellern und Naturschutzverbänden. Und wie ist es diesem “Blümchen” in 2015 ergangen? “Insgesamt war 2015 ein sehr gutes Jahr für Oenanthe conioides, wenn man die Anzahl der gefundenen Individuen im Sommer 2015 mit den Ergebnissen der zurück liegenden FFH-Monitoringdurchgänge vergleicht.” dürfen wir auf Seite 67 in der Zusammenfassung lesen. In der Tat, die Zahl der Pflanzen hat sich binnen zweier Jahre um 1.400 Individuen auf 4.272 erhöht.

Liest man allerdings die Details können wir der Begeisterung der Gutachter nicht folgen. Die Pflanze, die noch vor wenigen Jahren  von der Stör bis nach Hamburg zu finden war, lebt eigentlich nur noch auf ganz engem Raum zwischen der Süderelbbrücke und der Bunthäuser Spitze. Überall gehen tragfähige Populationszahlen zurück – im Mühlenberger Loch, einem ehemaligen Hauptverbreitungsgebiet, sind seit dem Airbus-Ausbau alle Pflanze ausgestorben. Schauen wir uns den sehr schmalen Korridor seines Hauptlebensraum am Schweensand und Heuckenlock an, hoffen wir, dass niemals eine Ölkatastrophe von z.B. beim Rammen der Süderelbbrücke durch ein Binnenmotorschiff stattfinden und die hier noch lebenden 2.900 Pflanzen Moorburger Hafen 4zerstören wird.

Auch den Optimismus der Gutachter z.B. für die in 2015 erfolgte Ansiedlungsmaßnahme am Moorburger Hafen können wir nicht teilen! So lange dort noch Schiffe, wie die abgebildete “MS5” aus Szczecin im Juni 2015, abgewrackt werden dürfen, glauben wir nicht an einen Erfolg dieser Maßnahme. Der aktuelle Überlebenskampf von Oenanthe Conioides wird durch die geplante Elbvertiefung noch verschärft werden.

So kehren wir zu den Worten von Herrn Schües in Sachen Elbvertiefung zurück: “Die Elbe ist unser Schicksal” umschreibt auch die Zukunft des Schierlingswasserfenchels.

Wieder Pfusch?

ElbfischerAm 15.11.2015 wurden die weiteren und abschließenden Planergänzungsunterlagen für die vor Gericht stehende 9. Elbvertiefung den klagenden Verbänden und den zu beteiligenden Behörden in Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein vorgelegt. Bis zum 23.12.2015 haben diese Zeit, sich zu den vorgelegten Unterlagen zu äußern.

Zumindestens zwei Äußerungen haben wir wahrgenommen: eine über die Hamburger Behörde für Umwelt und Energie (BUE) und eine Weitere vom gegen die Elbvertiefung klagenden Bündnis “Lebendige Tideelbe”, das aus BUND, Nabu und WWF besteht.

Horch1Umwelt- und Wirtschaftsbehörde streiten über Elbvertiefung” berichtete das Hafenblatt durch den Hafenklaquer Martin Kopp (mk), der sich bestens auf Hafenmärchen versteht. Sein Redaktionslakai Matthias Iken baut folglich daraus eine “ErKerstanste Krise im Hamburger Senat“.

Lasst doch die beiden Senatoren streiten  –  eine “grüne Position für die Hamburger Umwelt” haben wir bei Senator Herrn Jens Kerstan seit Beginn seiner Amtszeit nicht wahrnehmen können. Und das soll eine Senatskrise wegen einer Fristverlängerung ergeben?

Ha, ha, nein, bestimmt nicht. Wir jedenfalls lassen die verantwortlichen Politiker um Wirtschaftssenator Herrn Frank Horch gerne mit den nachgebesserten Unterlagen zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ziehen.

Wir sind keine Verwaltungsjuristen und verfügen über wenig Expertise im Schreiben von gerichtsfesten Gutachten. Nach dem Sichten dieser ergänzten Unterlagen haben wir uns allerdings gefragt, warum für deren Erstellung überhaupt so viel Zeit benötigt wurde. Da ist inhaltlich nicht eine neue Erkenntnis gewonnen bzw. formuliert worden. Wir haben keine Nachjustierung der Planungen wahrnehmen können. Keine Präzisierung der gerichtlichen Dollpunkte um die Finte, den Schierlingswasserfenchel, Wiebels Schmiele und den vielen weiteren betroffenen Tieren und Pflanzen. Diese Planunterlagen vermitteln uns das Gefühl, als ob es den aktuellen NDR-Film von Sebastian Bellwinkel und Holger Vogt nicht gegeben hat. Ignorieren und “Augen zu und durch” scheint das Zielbild dieser Planergänzungsunterlagen des Wirtschaftssenators zu sein. Gegenüber dem hohen Bundesverwaltungsgericht ein ungebührlich anmutendes Vorgehen und Verhalten…

So lesen wir heute in der Kreiszeitung-Wochenblatt aus Stade von der Erwartung des Bündnis der klagenden Umweltverbände “Lebendige Tideelbe”: die Planungsbehörden nehmen Verstöße gegen europäischen Gewässerschutz in Kauf. Und weiter: “Ferner lieferten Untersuchungen zum Lebensraum Tideelbe widersprüchliche Aussagen. Auch sehen die Aktivisten seitens der Behörden keine ernsthaften Bemühungen, den Zustand der Elbe zu verbessern.

Die heutige Pressemitteilung des Bündnisses “Lebendige Tideelbe” mit dem Titel “Neuer Anlauf zur Elbvertiefung überzeugt Umweltverbände nicht” führt es konkreter aus: “Die aktualisierten Untersuchungen zu Brutvögeln sowie den bedrohten Pflanzenarten und Elbfischen können nach Ansicht der Umweltverbände nicht überzeugen. So würden die Planer weiterhin verkennen, dass durch die Elbvertiefung die Lebensbedingungen für besonders geschützte Fischarten wie die Finte beeinträchtigt werden. Auch zu den Ausgleichsmaßnahmen für den weltweit nur noch an der Tideelbe vorkommenden Schierlingswasser-Fenchel gebe es widersprüchliche Aussagen in den Planunterlagen. Noch 2014 ging Hamburg gegenüber der EU-Kommission davon aus, dass neuer Lebensraum für mehr als 2.300 Exemplare der vom Aussterben bedrohten Pflanze geschaffen wird. Nach den neuen Planunterlagen sind es jetzt nur noch 200.” Diese Aussagen entsprechen vollkommen unserem Eindruck!

Also Senatskrise hin oder her. Die erscheint unwesentlich. Wesentlich ist, dass hier von dem Wirtschaftssenator Unterlagen für das Bundesverwaltungsgericht freigegeben worden sind, für die wir uns als Mitglieder unserer Bürgerinitiative, hätten wir diese in unseren persönlichen Arbeitbereichen abgeben müssen, mehr als geschämt hätten!

Und weiter: erneut wurde es vom Senat nicht als nötig erachtet, Kontakt zu den Umweltverbänden für die Erörterung einer Kompromißlösung aufzunehmen. In unseren persönlichen Arbeitsbereichen hätten wir uns derartiges nicht getraut. Unser Senat tut das aber – keine Kompromisse ist die Devise. Auch dieses Verhalten ist gegenüber dem hohen Bundesverwaltungsgericht anmaßend und damit ungebührlich.

Elbvertiefung: Was riskieren wir?

ElbfischerGestern abend hat der NDR im Dritten in der Reihe “45 Minuten” einen Filmbeitrag mit dem Titel “Elbvertiefung: Was riskieren wir?” gesendet. Der von Sebastian Bellwinkel und Holger Vogt produzierte Film ist ein gelungener Beitrag, um in die Elbvertiefungsdiskussion, die derzeit ausschließlich von wirtschaftlichen Aspekten dominiert wird, ökologische und naturfachliche Komponenten einfließen zu lassen.

Vergessen wir nicht: beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig stehen nur noch diese Umweltfragen zur Diskussion. Die wirtschaftlichen Fragen wurden und werden keiner weiteren gerichtlichen Prüfung unterworfen. Die deutsche Gesetzgebung überlässt den Planfeststellern absolute Narrenfreiheit in der Feststellung von absurd formulierten “überragenden öffentlichen Interessen“, z.B. für die Begründung der Notwendigkeit der aktuellen Elbvertiefung. Der Wahrheitsgehalt von Containerumschlagsprognosen des Jahres 2006 für das Jahr 2015, die zwischen 15 bzw. 18 Mio. TEU liegen sollten und aktuell nicht mal mehr 9 Mio. TEU erreichen werden, können gerichtlich nicht überprüft werden.

Es verbleiben für eine skeptische Haltung zu Großprojekten, wie z.B. der Elbvertiefung, lediglich die ökologischen Fragestellungen. Hier hat der Gesetzgeber, zumindest für die Naturschutzverbände, eine Art Mitspracherecht bis hin zur Verbandsklage eingeräumt. Rechte, die, obwohl diese durch die Verbände sehr sensibel und bedächtig genutzt werden, im Falle der Elbvertiefung über eine öffentliche Dauerbeschallung durch die maritimen und politischen Lobbyisten mehr als perfide in Mißkredit gebracht werden. Wir berichteten stellvertretend vor Kurzem über den Märchenonkel Herrn Gunther Bonz.

In diesem Umfeld begrüßen wir außerordentlich, dass der NDR sich über seine politisch stark beeinflussten politischen Gremien hinwegsetzen konnte und mit dem Film zur Versachlichung der Diskussion beigetragen hat.

Der Film zeigt, dass es sehr viel Meinungsmache rund um die Elbvertiefung gibt. In der Regel läuft diese Form der Diskussion auf 150.000 nicht näher beschriebene Arbeitsplätze versus ein paar “Piepmätzen“, “Blubberfischen” oder “Blümchen” hinaus.

Arbeitsplätze brauchen wir – keine Frage. Aber die müssen zumindest vorhanden sein und nicht in irgendwelchen Gutachten aus fünf Fingern gesogen und für dubiose Interessen vorgeschoben sein. An genau diesen Gutachten haben wir mehr als berechtigte Zweifel! Diese Gutachten produzieren Zahlen, die bar jeglicher Vernunft liegen und sich keiner Nachweisprüfung unterziehen mussten. Sie wurden und werden unkontrollierbar in den Raum gestellt – Basta!

Und die Piepmätze, Blubberfische und Blümchen? Für deren Artenvielfalt tragen wir mindestens genauso eine große Verantwortung, wie für unsere Arbeitsplätze. Von genau dieser Vielzahl an Arten hängt, auch wenn es immer gerne wieder vergessen wird, unser aller gesundes Leben ab. Nein, nicht von einem einzelnen Individuum mit dem Namen Finte, Lachseeschwalbe oder Schierlings-Wasserfenchel. Wir hängen ja auch nicht von der Existenz eines Herrn Olaf Scholz oder eines Herrn Gunther Bonz ab.

Artenvielfalt ist eine immens wichtige Lebensressource! An diesem vermeintlich dehnbaren Begriff hat mittlerweile kein vernünftiger Mensch mehr irgendeinen Zweifel! Er ist einfach “Stand der Technik”. Ein Recht auf “Geldverdienen” über den Hamburger Hafen zu Lasten von uns Menschen, Piepmätzen, Blubberfischen und Blümchen gibt es einfach nicht. Es ist nicht einmal ein Grundrecht.

Wir in Hamburg tragen eine Verantwortung für uns Hamburgerinnen und Hamburger und damit für Schierlings-Wasserfenchel, Finte und Lachseeschwalbe. Wir wollen Arbeitsplätze, die diesen Vorgenannten einen gesunden Lebensraum ermöglichen. Mehr nicht!

Nochmals vielen Dank an Sebastian Bellwinkel und Holger Vogt für diesen Film und stellvertretend den Herren Markus Risch, Veit Hennich, Hanz Niemeyer, Walter Rademacher und Prof. Dr. Ralf Thiel und Frau Jacqueline Neubecker für die Vermittlung von fundierten Einblicken. Wir danken Walter Zeeck und seinen Sohn für den Hinweis auf den Pottwal und den Säbelzahntiger!

PS.: Zur dramatischen Entwicklung des Prielsystemes um die Medemrinne und dem Neufelder Sand haben wir über den Zeitraum von mittlerweile 80 Jahren eine kleine Animation auf unserer Internetseite. Es ist der Lebensraum der im NDR-Beitrag angeführten Lachseeschwalbe. An dieser Stelle möchten wir nochmals auf das Zanke-Gutachten genau zu jenem Gebiet hinweisen.

Was ist los am Kreetsand?

Kreetsand, das ist dieses wunderbare Kreetsand-BausschildProjekt mitten in dem 2010 geschaffenen 31. Hamburger Naturschutzgebiet Auenlandschaft Norderelbe.

Dort soll ja eine eierlegende Wollmilchsau entstehen: Sowohl eine Flora-Fauna-Habitat-Aus­gleichs­maß­nahme für den Schierlings-Wasserfenchel im Rahmen der geplanten Elbver­tiefung, als auch eine Maßnahme zur Redu­zierung des Tidal-Pumping-Effektes durch Schaffung von 1 Mio. m³ Tidevolumen. Glaubt man den Planungen ist Kreetsand für Hamburg und die anstehende Elbvertiefung ein existentielles Projekt:  die Kreetsand zugesprochene hafenschlickmindernde Wirkung soll einerseits die Baggerkosten deutlich reduzieren und andererseits die EU-Kommission, aber auch das Bundesverwaltungsgericht, von den Chancen auf neuen Lebensraum für den vom Aussterben bedrohten Schierlings-Wasserfenchel überzeugen.

Mit dieser von den Bauauftraggebern HPA und Senat dem Kreetsand zugesprochenen Funktionalität hätten wir für das über 63 Mio. Euro teure Projekt eine gewisse Dringlichkeit und damit Geschwindigkeit erwartet. Seit 2012 wird mitten in einem Naturschutzgebiet gebuddelt – die geplante Fertigstellung zur IBA 2013 gelang nicht. Wir fragten uns, ob sich seit unserem letzten Besuch im Jahre Winter 2014 zum Herbstbeginn 2015 etwas getan hat?

Kreetsand2015-2Wir radelten am 27.09.2015 vom Norden über die Peute zum Kreetsand. Wir glauben nicht, was wir sehen. Hinter dem bekannten Containerdorf sehen wir statt der erwarteten Senke für die Aufnahme des Tidevolumens schier endlose über 20 Meter hohe, teilweise dicht bewachsene Sandberge. Wird hier Sand aus anderen Hamburger Bauprojekten sorgfältig auf separaten Haufen aufgeschüttet und zwischengelagert? Aus der Ferne ist es nicht zu erkennen. Kreetsand2015-1

Neu sind für uns die nach Chemieanlagen aussehenden blauen Behälter und Container. Das ist nicht nur eine Tankstelle für die gelben Baufahrzeuge, die hier weiterhin zur Genüge stehen. Immer sind wieder gelbe Schilder des Tiefbauers Bunte zu sehen, bekannt von den defekten Spundwänden am Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven.

Im südlichen Teil der Fläche sieht es dann etwas mehr nach Senke aus Kreetsand2015-3– einen Unterschied zu unseren Bildern aus dem Winter 2014 können wir bei einem Bildervergleich aber nicht erkennen. Hier scheint die Zeit still zu stehen. Lediglich im äußersten Süden vom Kreetsand können wir eine mit der Elbe verbundenen Wasserfläche erkennen, die Ähnlichkeit mit den Planungen haben könnte. Zwei Bagger liegen auf dem Wasser.

Auf dem Weg zur IBA-Deichbude werfen wir Kreetsand2015-4dann auch einen Blick auf die Mündung des Kreetsand-Gewässers in die Elbe. In altbewährter HPA-Manier finden wir den Mündungsbereich mit den bekannten CUS-Schlackesteinen von der Hamburger Kupferhütte Aurubis zugepflastert. Das, was an der Alster wegen Auswaschung von giftigen Schlacke-Substanzen schon lange nicht mehr erlaubt wird, ist an der Tideelbe weiterhin als billiger Baustoff hochwillkommen. Den Wasserbauern bei HPA oder aber auch der WSD scheint es dabei egal, ob es sich um ein potentielles Habitat für den Schierlings-Wasserfenchel handelt, um eine strombautechnische Uferbefestigung am Lühe- oder Pagensand oder eine einfache Buhne.

Fazit: Die Wanderdünen auf Sylt scheinen gegenüber den Baufortschritten am Kreetsand deutlich schneller zu sein. So richtig ernst scheint dieses Projekt in Hamburg keiner zu nehmen. Wir vermuten daher, dass der Kreetsand nach dem erfolglosen Versuch anlässlich der  IBA 2013 fertiggestellt zu sein, nun in neun Jahren  für “Olympia 2024” erneut als Vorzeigepilotprojekt präsentiert werden wird. Unvollendet – versteht sich!

Monitoring Schierlingswasserfenchel

Im Hamburger Transparenzportal ist mit Datum 20.01.2015 der letzte Bericht über das Monitoring des Jahres 2013 für den Schierlingswasserfenchel eingestellt worden. Eine Woche später wurde dann auch die zugehörige Anlage 1 veröffentlicht.

Wir erinnern uns an den Beginn der mündlichen Verhandlung zur Elbvertiefung beim Bundesverwaltungsgericht am 15.07.2014 und die folgenden Verhandlungstage am 22. und 23.07.2014. An diesen Tagen war der Schierlingswasserfenchel Gegenstand der Verhandlung: auf unserer Seite im Protokoll von Herrn Weyland nachlesbar.

Schauen Sie sich zunächst das Veröffentlichungsdatum des o.a. Monitoringgutachtens aus dem Jahr 2013 an: es ist der 15.07.2014, dem Tag des Verhandlungsbeginns vor Gericht… Bei diesem Datum spürt man förmlich, wie sehr der Stadt Hamburg das Schicksal des Schierlingswasserfenchels am Herzen liegt.

Aus dem Monitoring nennen wir das Positive zuerst: der Bestand an Hamburger Pflanzen ist zum Monitoringzeitpunkt von 2.344 Pflanzen auf 2.825 angestiegen. Die Steigerung ist alleinig auf das punktuelle Wachstum der Pflanzen an den schmalen Streifen an der Süderelbe bei Heuckenlock und Schweenssand sowie dem überraschenden Zuwachs am Holzhafen, hier im kleinen Auwald, zurückzuführen. Wir freuen uns!

Bedrücken tut uns dagegen, dass an 10 potentiellen weiteren Hamburger Standorten die Pflanze auf dem schnellen Rückzug bzw. überhaupt nicht mehr vorzufinden ist. Die Anzahl der an diesen Standorten vorgefundenen Exemplare ist besorgniserregend: die ehemaligen Hauptwohnorte des Schierlingswasserfenchel am Mühlenberger Loch und bei Nesssand gibt es nicht mehr. Dort ist die Pflanze ausgestorben!

Die weiteren potentiellen Standorte, z.B. vorm Falkenstein, an der Flottbek-Mündung oder am Kreetsand sind dabei nicht aufgeführt. Hier gibt es keine Population und es ist trotz pflegerischer Maßnahmen nicht erkennbar, das sich dort jemals wieder ein einziger Schierlingswasserfenchel ansiedeln wird. Nullbestände werden auch am  “Alten Moorburger Hafen” festgestellt, einer Fläche, die der Senat der EU-Kommission zur Erlangung des Einvernehmens zur Elbvertiefung ausdrücklich als Fläche zur Wiederherstellung der Bestände des Schierlingswasserfenchel gemeldet hat.

Der Pfeffersack wird jetzt cool fragen: brauchen wir diese Pflanze überhaupt? Was nützt Sie den Hamburger Arbeitsplätzen? Welche Rendite schmeißt der Schierlingswasserfenchel für Hamburg ab?

Sie kennen, wie wir, die Antwort sehr genau – wir haben sie als menschlichen “Instinkt” im Kopf. Den Ekel erregenden Informationsbedarf von derartig fragenden Personen könnte man zum Erhalt erhellender Antworten auf das nächste öffentliche Männerpissoir verweisen, wo es ihnen dann so ergeht, wie dem Schierlingswasserfenchel.

Hamburgs Verantwortung

Die durch Elbvertiefungen vom Aussterben bedrohte Pflanze Schierlings-Wasserfenchel ist ein wesentliches Streitthema zwischen Kritikern und Befürwortern der Elbvertiefung. Diese Pflanze lebt nur noch an der Unterelbe und benötigt als Lebensraum nicht viel: lediglich Flächen, die nur wenige Stunden vom Hochwasser berührt werden und einen geringen Salzgehalt im Hochwasser.

Was unternimmt die Stadt Hamburg aktuell, um den Schierlings-Wasserfenchel nicht aussterben zu lassen? Wie ist der aktuelle Erhaltungszustand auf Hamburger Gebiet? Angesichts der Bedeutung der Erhaltung dieser Pflanze für den Fortgang des bei Gericht liegenden Verfahrens zur Elbvertiefung, würden wir auf die aktuelle schriftliche kleine Anfrage zu diesem Thema ein buntes Feuerwerk von Senatsantworten zu den eingeleiteten Erhaltungsmaßnahmen erwarten.

Weit gefehlt – die Antworten des Senates sind spärlich. Nicht mal die in den Senatsantworten aufgeführten Hamburger Berichte des FFH-Monitoring 2013 für den Schierlings-Wasserfenchel werden veröffentlicht. Stattdessen wird lapidar festgestellt, dass von fünf Hamburger FFH-Gebieten drei Flächen den Erhaltungsgrad C haben. Was diese Klassifikation bedeutet, können wir dem niedersächsischen FFH-Bericht, Tabelle 4 entnehmen: Erhaltungsgrad C bezeichnet einen Zustand der Ausprägung “mittel bis schlecht”, B dagegen mit “gut” und A “hervorragend”.

Auch finden wir in den Senatsantworten keine Aussagen zu dem von ihm im Jahr  2010 aufgestellten Integrierten Bewirtschaftungsplan (IBP) für die von Hamburg gem. IBPFFH-Richtlinie in das europäische Natura2000-Netzwerk eingebrachten Flächen. Für die Hamburger Gebiete im Funktionsraum 2 hatte Hamburg sich im IBP viel vorgenommen: im zugehörigen Planungskatalog wurden acht Maßnahmen angelistet, von denen sich drei Maßnahmen direkt und fünf weitere indirekt mit dem Schierlings-Wasserfenchel beschäftigen. Anfang 2013 teilte der Senat in der Antwort Sieben auf eine kleine Anfrage mit, dass er sich aus dem IBP nur noch mit dem “Gebiet Holzhafen/Billwerder Insel” sowie dem “Moorburger Hafen” beschäftigt.

Ist denn etwas Positives aus diesen beiden Maßnahmen entstanden? Der Moorburger Hafen ist unverändert eine Müllbrache. Der Moorburger Hafen scheint vom Senat aufgegeben. Beim Holzhafen/Billwerder Insel ist etwas passiert. Im Monitoring-Bericht zur Rückdeichung des Gebietes ist ein zweiseitiges “Quicki-Monitoring” auf Seite 48 zu finden. Beruhigend sind die Aussagen nicht – zumal, wenn man den o.a. niedersächsischen Bericht vorab gelesen hat. Hamburg interessiert sich für seine weltweite Verantwortung für den Schierlings-Wasserfenchel einfach nicht.

Entscheidung in Leipzig am 2.10.2014

Wie der Radiosender NDR 90,3 soeben veröffentlicht hat, wird das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am 2. Oktober 2014 seine Entscheidung zum Verfahren der Elbvertiefung treffen. Die mündliche Verhandlung wurde heute nach fünf Verhandlungstagen beendet. Die beiden Parteien haben ihre Schlußplädoyers gehalten.

Das Abendblatt führt noch ein paar inhaltliche Aspekte des letzten Verhandlungstages, dem Schierlingswasserfenchel und der Wasserrahmenrichtlinie, aus. Laut Abendblatt soll die Hamburger Planungsbehörde über Nacht weitere Planänderungen erstellt und dem Gericht vorgelegt haben. “Dass der Richter Rüdiger Nolte den Nachtrag und die damit verbundenen späten Änderungen des Planverfahrens überhaupt akzeptierte, ersparte den Projektträgern einen herben Rückschlag.”

Nach den befremdlichen Äußerungen des niedersächsischer Wirtschaftsministers Lies (Beitrag wurde bereits beim NDR gelöscht) am 16.07.2014 zum Standort Wilhelmshaven und zu Elbvertiefung in den vergangenen Tagen, scheint es in der Landesregierung nun wieder einen klaren Kurs zu geben. Umweltminister Stefan Wenzel hat die peinlichen Äußerungen seines Kollegens heute in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung korrigiert bzw. richtig gestellt. Diesen unseren Eindruck der Kehrtwendung unterstreicht die Pressemitteilung der BUND Kreisgruppe Cuxhaven vom 24.07.2014.