Der Jubelverein des Hamburger Hafens, Hamburg Hafen Marketing (HHM), hat am 17.08.2022 die Halbjahreszahlen zum Hafenumschlag 2022 veröffentlicht: „Hamburger Hafen steigert Marktanteil beim Containerumschlag“ ist bei HHM in bildzeitungsverdächtiger Buchstabengröße zu lesen. Weiter tönt es „Mit einem Umschlagergebnis von 4,4 Millionen TEU (20 Fuß-Standardcontainer) wurde in den ersten sechs Monaten des Jahres ein leichtes Plus von 0,9 Prozent erreicht. Gegenüber den großen nordeuropäischen Wettbewerbshäfen Antwerpen-Brügge, Rotterdam und Bremen/Bremerhaven, die alle Rückgänge im Containerumschlag meldeten, verzeichnete Hamburg als einziger Haupthafen der Range ein Plus.“
Auch das Hamburger Abendblatt frohlockt „Hamburger Hafen holt im Containerumschlag wieder auf“ und übernimmt fast wörtlich die o.a. HHM-Pressemitteilung. Es folgt dann im Artikel eine erste weiche Analyse, dass die Zahlen doch nicht so ganz zum Jubeln seien. Dieser Artikelversion wurde vom Abendblatt zurückgezogen – er ist nicht mehr zu finden, aber hier auf dieser Seite über das oben verlinkte Pdf nachzulesen. Wir vermuten, dass der Autor nochmals etwas mehr „analysiert“ hat, um zu einem ähnlichen ernüchternden Analyse-Ergebnis zu gelangen, wie wir gekommen ist.
Betrachtet man, wie wir es getan haben, die Entwicklung des Containerumschlages der Nordrange-Häfen (Rotterdam, Antwerpen, Zeebrugge, Bremerhaven, Wilhelmshaven und Hamburg) über einen längeren Zeitraum, z.B. seit 2002, wird man schnell feststellen, dass sich seit der Weltfinanzkrise 2008 an den norddeutschen Häfen trotz exzessiver, milliardenschwerer Vertiefungen der Flüsse im Containerumschlag eine Stagnation der Zahlen eingestellt hat. Da steigt nun wirklich überhaupt nichts. Ganz anders beim Umschlag der „Konkurrenz“ in den Niederlanden und Belgien.
Krass wird der Vergleich auf Länderebene (siehe dritte Seite), wenn man die Marktanteile am Nordrangeumschlag der einzelnen Häfen nach Nationen zusammenfasst. Da stellt man dann fest, dass Deutschland (rote Line) massiv an Anteilen und zwar von 41,6% im Jahr 2006 auf 32,9% im Jahr 2021 verloren hat und tief in den Keller gefallen ist.
Die niederländischen Häfen (blaue Linie) und die belgischen Häfen (grüne Linie) haben ihre Marktanteile behauptet und langsam ausgebaut.
Die altbekannten deutschen Jubelstrategen, die außer einer Elbvertiefung und einer geplanten Weservertiefung keine besseren Ideen für die strategische Weiterentwicklung ihrer Häfen hatten, bemerkten die Unterschiede zwischen Deutschland und unseren europäischen Partnerhäfen nicht einmal. Im Gegenteil, sie blubbern von adaptivem Sedimentmanagement (frei übersetzt: Hamburg kippt den belasteten Schlick dahin, wo es Hamburg gerade so passt), finden Schlickverklappung bei Scharhörn sexy (Hamburg-Journal vom 28.09.2020)
und träumen davon mit dem vermeintlichen Hamburger Exportschlager, belastetem Hafenschlick, endlich auch die weite Nordsee, die AWZ (Ausschließliche Wirtschaftszone), beglücken zu dürfen.
Die Belgier haben sich nicht nur auf eine Vertiefung der Schelde und die Niederland
e nicht allein auf den Bau eines Tiefwasserhafens Maasvlakte 2 verlassen. Sie haben vielmehr die Hafenkooperation mit ihren jeweiligen nationalen Nachbarhäfen gesucht. Antwerpen arbeitet seit längerem mit dem Hafen Zeebrugge zusammen, deren offizieller Zusammenschluss am 22.04.2022 zum Port of Antwerp Bruges erfolgreich besiegelt wurde. Ja, sogar eine stolze Stadt wie Brugge scheint deutlich aufgeweckter, als das pfeffersäckige Hamburg zu sein und hat sich mit ihrem inländischen Konkurrenten Antwerpen auf eine Hafenkooperation statt messerscharfer Konkurrenz geeinigt. Auch Rotterdam und Amsterdam praktizieren schon seit längerem eine Zusammenarbeit. Der containerabgebende Hafen Amsterdam weist keinen Containerumschlag mehr für 2021 aus, ist aber weiterhin ein großer Hafen geblieben, der durch seine neuen Seeschleusen in Ijmuiden noch an Bedeutung gewinnen wird.
Durch die Zusammenarbeit und Konzentration auf die Kernkompetenzen der Haupthäfen konnte die Attraktivität der Benelux-Häfen deutlich gesteigert werden. Weder in den Häfen von Amsterdam noch in Zeebrugge, die jeweils Containerumschlag abgegeben haben, sind etwa die Lichter ausgegangen. Ganz im Gegenteil. Mit Ijmuiden und der südlichen Hafenerweiterung in Zeebrugge wird die Spezialisierung der jeweiligen Häfen gestärkt. So scheint sich Zeebrugge neben der Autoverladung zu einem Energiehafen zu entwickeln, der bereits jetzt der wichtigste Hafen in Europa für den Import von LNG ist. Und Ijmuiden dient als „Vorhafen“ von Amsterdam, um sehr tiefgehende Schiffe zu leichtern, damit sie den Amsterdamer Hafen besser erreichen können und hat seinen Schwerpunkt im Massen- und Schwergutbereich.
Hamburg und Bremen und Wilhelmshaven hätten das auch gekonnt. Eine deutsche Hafenkooperation ist dabei schon sehr, sehr lange im Gespräch. Sie wurde ständig weiterentwickelt und regelmäßig von unseren o.a. jubelnden Hafenstrategen mit markigen Sprüchen „Ladung sucht sich ihren Weg“ und „Dirigismus“ vom Tisch gefegt.
Wir vermuten, dass die weltberühmte Hamburger Eitelkeit diese Kooperation nicht zugelassen hat. In Hamburg kann man eben alles viel besser, zudem viel höher und viel weiter und wohnt eh in der „schönsten Stadt der Welt“. Nachdenken kann man in Hamburg nicht. Hier wird mit alten Konzepten lieber der Haus- und Hof-Fluss Elbe samt anliegender Nachbarn drangsaliert. Es werden jährlich lieber hunderte Millionen Euro für ungeahnte Baggermassen aus der Elbe rausgefeuert, um nur ja nicht einen Container an den einzigen Tiefwasserhafen Deutschlands, dem Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven abzugeben. Ja, liebe Hamburger Hafenwirtschaft: in Wilhelmshaven gibt es wirklich eine mehrspurige und elektrifizierte Eisenbahn, sogar eine Autobahn.
Hamburg war mal Champion für Massen-, Stück- und Schwergut. Diese Kompetenz und viele andere hat man durch Schließungen (z.B. Hansaport, Kuhwerder, Überseezentrum) verloren, Container- und cruisiger Passagierumschlag waren wichtiger und nun kommen auch noch die LNG- und Wasserstoffphantasten.
Hamburg, Deutschland, schlaft mit Eurer maritimen Wirtschaft weiter. Zerstört die Elbe, die Weser und am Besten auch noch gleich die Nordsee. Die Arbeitnehmer an den Terminals merken nun endlich, dass sie mit dem phantastischen Containerboom der Elbvertiefungsstrategen jahrelang an der Nase herumgeführt wurden. Natürlich werden die Terminals wie in Rotterdam und Antwerpen automatisiert werden und Arbeitsplätze verloren gehen. Steigerungen im Containerumschlag werden perspektivisch nicht zu erwarten sein.
Am 01.07.2022 wurden von den deutschen Container-Terminalbetreibern HHLA und Eurogate die Kooperationspläne nach fast zweijähriger Verhandlungsdauer unter den Augen der offiziellen Anteilseigner, den Bundesländern Bremen und Hamburg still beerdigt. Mehr Worte fand man nicht. Was waren alles nur für krude Hoffnungen und Wünsche geäußert worden. Ein Federstrich und vorbei. Und so muss laut offizieller Begründung der Ukrainekriege auch für die Borniertheit der maritimen Wirtschaft herhalten. Man fühlt sich veräppelt.
Noch schlimmer wird es in Kürze bei der Vorstellung des neuen Hafenentwicklungsplanes für den Hamburger Hafen 2040 werden. Es war ja eine Riesen-Show der Bürgerbeteiligung im vergangenen Herbst, die da betrieben wurde und bei der dann die Hamburger Wirtschaftsbehörde samt Senator und Staatsrat schon während des Beteiligungsprozesses ganz schnell tief und fest laut schnarchend eingeschlafen sind. Wir wetten, dass bei diesem monologischen Dialog erneut alte hanseatische Zöpfe klassisch engmaschig und filzig weitergeflochten werden und so absolut nichts, null komma nichts Neues und Strategisches entwickelt werden wird. Halten Sie etwa dagegen?
PS zu den Verlinkungen: Wir sind es so satt, dass einzelne Seitenbetreiber im Internet kein Gedächtnis zulassen. Staatliche Körperschaften wie HPA, aber auch Firmen wie die HHLA oder die Stadt Hamburg löschen ihre heutigen Internetveröffentlichungen binnen zweier Jahre oder kürzer. Ein Schelm wer Böses dabei denkt.
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